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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

pressen sich leidenschaftlich gegeneinander. Die dienende Mulattin jedoch, die mit im Kreise hockt, lacht; denn dort drüben in der Eingangsthür erscheint die, um derentwillen die vier eifersüchtigen Herzen brennen: Eminé-Hanum, die Schöne, Böse, die Allahs Zorn verderben möge, zusamt ihrer tückischen Schwarzen im Gefolge! B. S.-S.     

Afrika vor 350 Jahren. Eine naive Selbstüberschätzung brachte die ersten Geographen auf den Einfall, das gesamte Wissen ihrer Zeit unter dem stolzen Namen „Kosmographie“, d. h. auf deutsch „Weltallkunde“, zusammenzufassen. In diesen „Kosmographien“ brachten sie alles unter, die eigentliche Geographie und die Astronomie, dann aber auch Welt- und Kirchengeschichte, Naturwissenschaften, Völkerkunde etc.

Ein derartiges Werk, mit Holzschnitten geziert, gab auch um das Jahr 1546 der aus Ingelheim stammende Gelehrte Sebastian Münster in Basel heraus, und diesem Buche ist die beifolgende Karte entnommen. Sie stammt also aus den ersten Jahrzehnten nach den Entdeckungsfahrten eines Bartholomen Diaz und eines Vasco da Gama; eine Inschrift in der linken unteren Ecke belehrt uns:

„Umb diß gros landt, das ein dritten theil der weldt begreift, ist zu unsern zeiten ein schiffung gefunden, die aus Hispania zu den Kanarien inseln, und darnach für baß biß zum Caput bone spei, das ist ein tröstlich schifflendung im ausserste spitz Africe, und von danen biß gen Callicutg hat, do her man allerley specerie und gewürtz brengt.“

Africa / Libya / Morland / mit allen künigreichen so zü vnsern zieten darinn gefunden werden.

Karte von Afrika nach Sebastian Münster a. d. Jahre 1546.

Bezeichnend ist, daß weder Diaz noch da Gama mit Namen genannt sind. Dagegen finden wir nicht bloß die von den Portugiesen befahrenen Küstenstriche des Westens ziemlich ausführlich berücksichtigt, sondern auch im Centrum und am oberen Nil eingetragen, was Herodot von den ägyptischen Priestern erfragen konnte. So entdecken wir auf dem Blatt Dinge, die uns geradezu in Erstaunen setzen müssen. Da ist einmal oberhalb des Zusammenflusses der beiden Nilquellen das uralt christliche Habesch oder Abessynien, das in den älteren Schriften als Sitz des Priesters Johannes (Sedes pretis Iohan) eine große Rolle spielt und reich mit der orientalischen Sagenwelt verknüpft ist. Das große Madagaskar ist durch das kleine „Zaphala aurifodina“ ersetzt, „goldhaltige Eilande“, deren Namen uns um so erklärlicher sind, als wir wissen, daß damals im Geiste der Portugiesen und Spanier die Jagd nach Gold und Edelsteinen das Hauptmotiv der Entdeckungsreisen war. Haben doch auf den ältesten Karten die beiden größten Sundainseln die Namen „Chryse“ und „Argyre“ (Gold und Silber) bekommen!

In einer Reihe finden wir Elefanten (in Africae extremitas), Papageien oder Sittige (Tellus Psittacorum) und einäugige Menschen (Monoculi); also Wahrheit und Dichtung, Geschichte und Sage in schönstem Frieden beieinander. Die westafrikanischen Flüsse mit den Namen Gambra und Senega führen uns ins Centrum, das hier viel stärker mit Menschenstämmen bevölkert scheint als auf den Karten späterer Jahrhunderte, so daß die eigentliche Centralwüste (Desertum Libyae) auf einen kleinen Raum zusammenschrumpft. Um so größer sind die Quellgebiete des Nils und um so mehr muß es uns überraschen, in den Gegenden, wo jetzt der Tschad- und Viktoriasee nachgewiesen sind, bereits große Binnengewässer eingezeichnet zu finden. Dem noch nicht namentlich aufgeführten Kilimandscharo entspricht ein eingetragenes mächtiges Gebirge.

Daß die afrikanische Nordküste von Alexandrien bis Marokko städtereich und vielbelebt ist, darf uns nicht verwundern; denn wir befinden uns ja in der Zeit, wo die seeräuberischen Fürsten der Berberei eine so große Rolle spielten, daß sie selbst den Kaiser Karl V. zum Einschreiten zwangen.

Es erübrigt noch, dem Leser von den textlichen Bemerkungen einen Begriff zu geben, die unser Kosmograph selbst zur Erläuterung seiner Karten beizufügen wußte.

Die schwarze Farbe der „Moren“ wird auf die große Hitze des Klimas zurückgeführt; sie zeigt an, „wie die Menschen verbrennt werden bis in das geblüt hinyn“. Weiter heißt es: „Die gröst Widerwärtigkeit der leut haben sie von den Leuen, und die hetten sie langest gefressen, wo inen Gott nit ein natürliche hülf und fürsehung het gethan. Dann so der hund am Himmel aufgaht, kompt ein große menge der stechenden schnacken in das Land und schedigt die menschen nit, aber die Leuen treiben sie mit irem beißen und gebrümmel aus dem land.“ „Wann sich der Helfant voll geweidet hat und schlafen will lehnt er sich an einen baum und schlaft also, dann er kann die kneuw nit biegen. Wann nun die ynwoner diß merken, sägen sie den baum ab.“ „Aus den beinen des Leuen kann man fewer schlagen gleich als aus einem stein, also hitzig ist seine natur. Es geschieht oft, daß er also grimmig und hitzig wird, daß er auch vor Zorn stirbt. Wann er schlaft, so wachen seine Augen. Wann der löw in seinem alter krank wird, frißt er ein affen, und das ist sein artzney.“ R. Kelterborn.     

Der Aufstand in der Vendée. (Mit dem Bilde S. 768 und 769.) Zu den blutigsten Kämpfen und Schreckensscenen gab der nunmehr hundert Jahre zurückliegende Aufstand der Vendéer gegen die Republik und ihr Schreckensregiment Anlaß: die Bauern waren mit den neuen Gesetzen unzufrieden und setzten sich gegen deren zwangsweise Einführung zur Wehr. Durch ihre genaue Kenntnis des Landes vermochten sie den kriegskundigen Truppen der Republik zu widerstehen und erfochten unter ihren Führern, dem Fuhrmann Cathelineau, den Edelleuten Larochejacquelein und Charette, einzelne glänzende Siege, bei Fontenay-le Comte und Saumur, später bei Chantonnay und Torfou. Zwei größere Armeen waren gegen sie ins Feld gerückt; auf Konventsbeschluß wurden die Weiler und Wälder zerstört, Frauen und Kinder fortgeschleppt. Nach dem Kampfe wurden oft Tausende von Gefangenen von den „Blauen“, den Soldaten der Republik, niedergemetzelt. Im Februar 1795 wurde ein Frieden geschlossen, der aber nur ein Waffenstillstand war. Im Juni desselben Jahres, als eine englische Flotte mit den Emigranten bei Quiberon gelandet war, erklärte Charette der Republik von neuem den Krieg; doch der tüchtige General Hoche blieb siegreich; Charette und ein anderer Führer, Stofflet, wurden gefangen genommen und erschossen. – Das Bild von E. Carpentier versetzt uns in diese letzte Epoche des verlöschenden Aufstandes, in das Jahr 1795. Es schwebt eine wehmütige Beleuchtung darüber: da ist kein freudiger Aufschwung, nur Klage und Trauer und trostloses Abschiednehmen: der Ausdruck im Gesicht des soldatischen Führers, an den sich die weinende Gattin schmiegt, beweist, daß er in einen hoffnungslosen Kampf zieht. Vorn sitzt, in gleiche Trauer versenkt, eine Mutter mit ihrem Kinde und der getreue Hund beweist, daß der ganze Hausstand sich vor den „Blauen“ in den Schutz der kämpfenden Bauern geflüchtet hat. Diese unterhalten am Rande des Gehölzes Wachtfeuer; andere stehen gerüstet zum Kampf; der junge Tambour harrt, ob er die Schlägel rühren soll. Gewiß steht ihnen gegenüber der geniale General Hoche, der mit seinen siegreichen Truppen das Gehölz stürmen und die Königlichen, Adel und Bauern, die das treulose England im Stich gelassen, vernichten wird. †     


Inhalt: Die Lampe der Psyche. Roman von Ida Boy-Ed (5. Fortsetzung). S. 757. – Daheim! Bild. S. 757. – Der Erstgeborene. Bild. S. 761. – Unsere Einbildungskraft. Von Ernst Eckstein. S. 762. – Der größte Verein erwerbsthätiger Frauen in Deutschland. S. 764. – Beatus Rhenanus. Humoreske von Ernst Lenbach. S. 764. – Bei der Kartenlegerin. Bild. S. 765. – Zu Fuß um die Erde. Von K. von Rengarten. Auf den Trümmern von Kutschan. S. 767. – Der Aufstand in der Vendée: Vor dem letzten Kampf. Bild. S. 768 und 769. – Blätter und Blüten: Oberammergau in der Schweiz. S. 771. – Daheim. S. 771. (Zu dem Bilde S. 757.) – Der Erstgeborene. S. 771. (Zu dem Bilde S. 761.) – Bei der Kartenlegerin. S. 771. (Zu dem Bilde S. 765.) – Afrika vor 350 Jahren. Mit Karte. S. 772. – Der Aufstand in der Vendée. S. 772. (Zu dem Bilde S. 768 und 769.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_772.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)