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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Nr. 45.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Die Lampe der Psyche.

Roman von Ida Boy-Ed.

     (5. Fortsetzung.)

6.

Magda wartete wieder. In die „Zenobia“ Aufführung zu gehen, fühlte sie sich außer stande. Sie wußte, die ganze Situation würde ihr wieder so unbarmherzig zeigen, daß sie außerhalb des Kreises stand, der das Leben und Wirken Flemmings umfaßte.

In den martervollen Stunden der letzten Zeit war ihr klar geworden, daß sie nur den Frieden finden könne, wenn sie vor aller Welt ihr Recht auf den geliebten Mann anerkannt sah.

Als sein Weib würde sie die Dinge besser ertragen. Für die Entbehrungen und Selbstüberwindungen, welche ihr die Zeiten auferlegten, wo sein Berufsleben ihn ganz hinnahm, würde sie doch immer durch das Bewußtsein entschädigt werden, ihm in seinen Freistunden die unentbehrliche Gefährtin zu sein.

Auch war endlich, wohl durch die Gespräche der Malschülerinnen, in ihr der weibliche Wunsch erwacht, laut sagen zu können er ist mein! Und die fragenden Blicke des treuen Freundes, den ihre Unbedachtsamkeit zum Mitwisser gemacht, wurden ihr unerträglich. Vor den Schülerinnen, vor ihren Dienstboten, vor den Bekannten, die gelegentlich vorkamen, nach dem Befinden der armen Excellenz zu fragen, vor ihnen allen konnte sie lächeln und ruhig sprechen. Nur vor Nicolais großen hellen Augen, die mit unbeirrter Stetigkeit auf sie gerichtet waren konnte sie nicht sorglos glücklich scheinen. Und Nicolai hatte bemerkt, mußte bemerkt haben, daß René seit so vielen, vielen Tagen nicht gekommen war.

Gewiß, der Zustand mußte ein Ende nehmen. Es war eine Thorheit gewesen, ihn überhaupt für durchführbar zu halten.

So begann sie denn, von selbst darüber nachzusinnen, in welcher Form sich die Pflichten gegen den Vater mit ihrem Recht auf Glück vereinen ließen. Und sie nahm sich vor, mit René herzlich offen darüber zu sprechen.

Sie las in der Zeitung, daß die „Zenobia“-Aufführung glänzend gewesen, daß der geniale Dirigent einen Triumph ohnegleichen gefeiert habe und daß der fürstliche Komponist und Gast des herzoglichen Hauses am Abend selbst noch den Orden vom grauen Bären dem Herrn Hofkapellmeister überreicht habe. Magda hatte eine kleine kindische Freude. Der Orden – sie kannte ihn – war besonders schön, wie stattlich René damit aussehen würde. Sie war ja eine Beamtentochter und von ihrer Kindheit her gewöhnt, Orden für etwas Erstrebenswertes anzusehen. Dann fiel ihr ein, daß René doch seine Auszeichnungen nie trug.

„Wenn ich einst erst wirklich etwas geleistet haben werde,“ sagte er einmal, „wenn ich das Ziel erreiche, das mir vorschwebt, dann ist mein Name mir ein größerer Schmuck als alle Sterne und Kreuze es sein können. So lange ich aber noch der junge Anfänger bin, können mich auch die Orden nicht zum Meister stempeln.“

Am Tage nach der Aufführung kam er nicht. Auch den ganzen Sonnabend vormittag nicht. Später, als es schon dunkelte, kam Hortense. Sie wollte hören was die beiden miteinander ausgemacht hatten, und war peinlich berührt,

Daheim!
Nach dem Gemälde von Herm. Kaulbach.
Photographie im Verlag der Photographischen Union in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_757.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)