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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Geschütze zu entkommen, so daß die Kanonen nicht rasch rückwärts fortgeschafft werden konnten. In die Flucht der feindlichen Artilleristen wurde sogar der französische Obergeneral Bazaine mit fortgerissen und wäre beinahe von den nachjagenden Husaren gefangen genommen worden. Da aber der Brigade keine noch unversehrte Reserve folgte, stürzte sich die Kavalleriebedeckung des Marschalls Bazaine auf die Husaren, die in wirrem Knäuel um die Geschütze wirbelten und in schwachen Schwärmen gegen Rezonville noch weiter vorprellten, und nötigte so diese, den Rückzug nach dem Wiesengrunde von Flavigny anzutreten. So geschah es bedauerlicherweise auch, daß die so glänzend genommene Batterie wieder in die Hände des Feindes fiel. Dagegen erwies sich der Verlust an Toten und Verwundeten, als sich endlich das brave Regiment an der Kirchhofshöhe von Flavigny wieder sammelte, nur als gering.

Die beiden Schlachtengemälde E. Hüntens zeigen alle Vorzüge seines Pinsels: große Naturwahrheit, treffliche Zeichnung, klare lebendige Färbung, sorgfältige Durchbildung. E. Dörffel.      



Blätter und Blüthen.


Unser Aufsatz „Der Seemannsberuf“, den wir in Nr. 16 des laufenden Jahrgangs in der Aufsatzfolge „Vor der Berufswahl“ veröffentlicht haben, hat ein so allgemeines Interesse erregt, daß wir gern auf verschiedene Anfragen, die um nähere Ausführung einzelner Angaben baten, hier im Zusammenhang Auskunft erteilen. Die Einstellung der Schiffsjungen in die deutsche Marine erfolgt nach geschehener Anmeldung seitens der Bezirkskommandos, in deren Bezirk die Betreffenden in ihrem Civilleben stehen, bei der Schiffsjungenabteilung in Friedrichsort nur einmal im Jahre, und zwar im April. Die Jungen werden dort eingekleidet und kommen dann sofort nach 10 bis 14 Tagen an Bord eines der 3 Schiffsjungenschulschiffe, von denen je zwei immer im Dienst sind. Je ein Jahrgang kommt auf ein Schiff. So sind in diesem Jahre die neueingestellten Schiffsjungen an Bord S. M. S. „Moltke“ gekommen, und zwar in der Stärke von 250 Köpfen. Da der Etat in diesem Jahre um 100 Jungen vermehrt ist, so sind je 50 Jungen zum erstenmal auch auf die beiden Kadettenschulschiffe „Stosch“ und „Stein“ gekommen. Also auf dem eigentlichen Schiffsjungenschulschiff sind nie mehr als 250 Jungen. An Bord erhalten die Jungen ihre seemännisch-militärische Erziehung und Ausbildung; daneben wird ihnen vom Schiffspfarrer und einem Deckoffizier theoretischer Unterricht erteilt. Die Schiffsjungenschulschiffe bleiben 2 Jahre ununterbrochen im Dienst, die Ausbildungszeit der Schiffsjungen umfaßt volle 2 Jahre. Im Sommer bleiben die Schulschiffe in heimischen Gewässern und treten im Herbst ihre erste Auslandsreise an, die im ersten Jahre das Mittelmeer zum Ziele hat. Im Frühjahr kommen die Schiffe wieder zurück, um während des Sommers wieder in heimischen Gewässern zu bleiben. Im Herbst des zweiten Jahres treten die Schiffe ihre Reise nach Westindien an, von der sie im Frühjahr des nächsten Jahres heimkehren. Die Schiffsjungen werden dann Matrosen, werden vereidigt und den verschiedenen Marineteilen überwiesen, nachdem sie bei den 2 Seebataillonen infanteristisch durchgebildet sind.

Das Schiffsjungen-Institut hat den Zweck, tüchtige Unteroffiziere für unsere Marine heranzubilden. Aus den besten Unteroffizieren rekrutieren sich die Deckoffiziere, eine Charge, die sich mit irgend einer in der Armee kaum vergleichen läßt; es ist eine Charge, die zwischen Feldwebel und Offizier rangiert. Die Deckoffiziere, die sich der Feuerwerkercarriere zugewandt hatten, können Feuerwerks- und Zeugoffiziere werden; diejenigen, welche aus der Torpedo-Abteilung hervorgehen, können Torpedooffiziere werden. Dagegen ist die Zahlmeisterlaufbahn den Unteroffizieren bezw. Deckoffizieren der Marine, welche aus der Schiffsjungenabteilung hervorgegangen sind, verschlossen. Zu den Eintrittsbedingungen für diese Laufbahn gehört vielmehr das Reifezeugnis eines Gymnasiums, Realgymnasiums oder einer Oberrealschule. Junge Leute, die Zahlmeister werden wollen, treten in der kaiserlichen Marine als Einjährig-Freiwillige ein und erhalten dann ihre besondere Vorbildung für ihre spätere Stellung.

Mehr deutsch – bitte! Betrachtet man eine der großen eleganten Papierauslagen unserer Hauptstädte mit ihren geschmackvoll aufgebauten Gegenständen: den matt glänzenden langen und viereckigen Kästchen, deren zartfarbiger Inhalt fein gebändert und verführerisch aus den offenen Deckeln schaut, so muß man sich über die großen Fortschritte unserer Industrie freuen. Tritt man aber näher und mustert die Goldaufschriften der verschlossenen Kasten: Pine Paper, Papier crèole, Papier surfin, The Mary Mill rose note paper, Papier Mazarin etc., findet man bei genauerer Umschau, daß kaum da und dort eine deutsche Aufschrift diese zweifellos alle aus deutschen Fabriken stammenden eleganten Packungen schmückt, obgleich doch wahrhaftig kein Mangel an hübschen und geschmackvollen deutschen Bezeichnungen sein könnte, so muß man sich fragen: was bedeutet diese seltsame Ausländerei im Deutschen Reiche? Sollte nicht unsere Papierindustrie auf ihre großen Fortschritte stolz sein, statt durch heuchlerische fremdländische Ueberschriften die traurigen Zeiten zu verewigen, wo ein deutscher Briefbogen ohne den Stempel „Bath“ keine Abnehmer fand? Damals, in früheren Jahrzehnten, war das englische Briefpapier besser als das deutsche, und die Falschbezeichnung hatte einen Sinn, der ihr heute abgeht, wo das deutsche Fabrikat ebenbürtig geworden ist. Möchten doch unsere Fabrikanten etwas mehr vaterländischen Stolz gewinnen und das Publikum mit ihnen! – Freilich, so lange in deutschen Straßen immer noch zu lesen ist: Grand Restaurant français, Hôtel d’Angleterre etc., so lange jeder halbwüchsige Schusterjunge noch unter die bezahlte Rechnung ein unorthographisches: „pur aquit“ malt, so lange sind wir weit entfernt von dem freudigen Stolz, der sich ohne Ueberhebung des eigenen Wertes bewußt ist und das Einheimische vor dem Fremden liebt und schätzt. In einzelnen Zweigen der Industrie ist die Aufschrift „Deutsches Fabrikat“ bereits zum Ehrenzeichen geworden, möchte es doch in allen ohne Ausnahme ebenso sein! Bn.     

Puppentheater am Hofe Margaretens von Oesterreich. (Zu dem Bilde S. 692 und 693.) Allerunterthänigst haben die fahrenden Puppenspieler darum nachgesucht, im Palast zu Mecheln eine Vorstellung geben zu dürfen, und Margarete, die von ihrem Vater Maximilian I. eingesetzte Regentin der Niederlande und Vormünderin der Kinder ihres frühverstorbenen Bruders Philipps des Schönen, hat die Erlaubnis gern erteilt, um dem jungen Völkchen eine Freude zu machen. Dies scheint auch vortrefflich geglückt: die Augen der jungen Gesellschaft richten sich voll Spannung auf den geheimnisvollen Wandschirm und die dahinter auftauchenden Figuren. Die kleinste Prinzessin, Katharine, klatscht seelenvergnügt mit den kleinen Händchen und auch ihre im Vordergrund sitzende ältere Schwester Eleonore scheint ganz hingenommen von dem seltenen Kunstgenuß. Der künftige Herrscher zweier Welten aber, der nachmalige Karl V., lehnt gleichgültig auf seinem Sitz zurück, mit halboffenem Munde und verträumten Blicken das Schauspiel anstarrend, schon steht er nahe dem Alter, da man ihn – es geschah 1515 an seinem 15. Geburtstag – für großjährig erklärte. Die neben ihm sitzende Tante-Regentin wendet vollends das Haupt ab im leisen Gespräch mit einem ihrer Räte, auf ihr, der noch jugendlichen Frau, liegt eine ungeheuere Last von Sorgen und Verantwortung jeder Art. Margarete von Oesterreich war früh in der harten Schule des Schicksals erzogen worden, sie gehörte zu der nicht geringen Zahl von Hochgebornen, welche ihre fürstliche Stellung mit dem Verzicht auf jedes volle Menschenglück bezahlen müssen. Kaum zweijährig wurde sie 1482 von ihrem Vater Maximilian aus Gründen der Staatsraison dem König Karl VIII. von Frankreich verlobt und mit Amme und Erzieherin nach Paris gesandt. Elf Jahre später hatte sich Karl anders besonnen und schickte die Braut ihrem Vater wieder heim, welcher damals nicht in der Lage war, die angethane Schmach zu rächen. 1496 wurde Margaretens Hand neu an den Prinzen von Asturien, Johann, vergeben, aber noch in demselben Jahr starb dieser edle Sohn Ferdinands und Isabellens von Spanien. Eine zweite, im Jahre 1501 mit Philibert von Savoyen eingegangene sehr glückliche Ehe sollte auch nur von kurzer Dauer sein: im Jahre 1504 kehrte Margarete, zum zweitenmal Witwe, zu ihrem Vater zurück, um die Verwaltung der Niederlande bis zur Großjährigkeit ihres Neffen Karl zu übernehmen, sowie seine und seiner Schwestern Erziehung zu überwachen und zu leiten. Für beide Aufgaben hätte Kaiser Maximilian keine glücklichere Wahl treffen können: alle Geschichtschreiber der Zeit berichten einstimmig von der hohen Klugheit und ruhigen Kraft dieser seltenen Frau, welche, den begabtesten Staatsmännern ebenbürtig, in friedlichen wie in kriegerischen Zeiten auf den Gang der Ereignisse bestimmend einwirkte und nebenbei noch Zeit fand, den anvertrauten Kindern eine treuliebende und sorgende Mutter zu sein. An dem Glanz Karls V. durfte sie sich noch durch Jahrzehnte erfreuen, wie sie auch an seinen politischen Sorgen stets den lebhaftesten Anteil nahm. Sie starb 1530 in Mecheln, ihrer Residenz, wo ihr die dankbaren Niederländer im Jahre 1850 ein Denkmal errichtet haben. Es ist das schöne Vorrecht der Kunst, das Gedächtnis der Verstorbenen lebhafter zu erwecken, als das bloße Wort es vermag. So wird man auch hier im Bild mit besonderer Teilnahme die anmutvolle Frau betrachten, welche von ihren Zeitgenossen und der Nachwelt den Ausgezeichnetsten ihres Geschlechtes zugezählt wird. R. A.     

Ein Verein für Hausbeamtinnen ist vor kurzem in Berlin gegründet worden mit der wichtigen Aufgabe, durch eine gediegene Fachbildung den ganzen Stand zu heben und dadurch für die oft gehörten Klagen über Untüchtigkeit der Wirtschafterinnen, „Stützen“, Stellvertreterinnen der Hausfrau etc. Abhilfe zu schaffen, wozu auch eine gewissenhafte Stellenvermittlung beitragen wird. Weiterhin sucht er die materielle Lage derselben zu bessern und durch Gründung von Hilfskassen, Heimstätten und Altersrenten besonders für die alten, nicht mehr arbeitsfähigen Hausbeamtinnen zu sorgen, deren Alter nach lebenslangem Dienst für andere manchmal recht trübe ist. Des vorzüglichen Zweckes wegen ist der Jahresbeitrag nur auf eine Mark festgesetzt, um denjenigen, die durch viele Vereine schon in Anspruch genommen sind, und den Hausbeamtinnen selbst die Teilnahme zu erleichtern. Besondere Bedeutung wird die Stellenvermittlung des Vereins erhalten. Anfragen betreffs derselben sind an Frau Eva Bloedt, Berlin W, Hohenstaufenstraße 17, unter Beifügung der Mitgliedskarte zu richten. Kassiererin ist Fräulein Meta Langerhanns,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_707.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)