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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

leichtesten an den Augen erkennt. Jetzt äugte der Fuchs mir ins Gesicht. Ich sah, daß er seinen gelblich braunen Augenstern auf den meinigen richtete. Doch das nur einen Augenblick, dann war sein Blick wieder ins Unbestimmte gerichtet und er machte eine Viertelrechts-Wendung und trabte ruhig weiter. Ich bin überzeugt, daß er auf drei Schritt an mir vorübergetrabt wäre und mich erst durch den Wind erkannt hätte – – wenn meine Flinte nicht gewesen wäre.

Auch der uns vom Künstler auf dem Bilde „Entwischt“ vorgeführte Fuchs gehört nicht zu den schlauesten seiner Sippe. Er war nicht nahe genug herangeschlichen und wußte die Entfernung zwischen ihm und Wildente nicht richtig zu schätzen, sonst würde er die Beute im Sprunge ergriffen haben und brauchte sich nicht mit der Feder zu begnügen. Tröste dich, Reineke, mit anderen Jägern! Auch sie schießen vielfach, daß die Federn stieben, und schauen dann gerade so sehnsüchtig hinter dem Braten her, wie du es thust. Karl Brandt.     

Abendandacht bei Chioggia. (Zu dem Bilde S. 677.) Wie in den Kanälen Venedigs, wenn uns die Gondel über sie hinfährt, so empfinden wir auch draußen im offenen Wasser der Lagune die Lautlosigkeit der uns umgleitenden Flut als einen eigentümlich ergreifenden Zauber. Der natürliche Wall des langgestreckten Lido und der künstliche Damm der Murazzi läßt die Wellenbewegung des Meers nur ganz abgeschwächt hereindringen. Und obgleich dicht vor der Insel Chioggia dieser Damm auf eine kurze Strecke durchbrochen ist, durch welche das Meer mit frischem Wogenschwall flutet, so macht sich doch auf der Lagunenseite der starkbewohnten Fischerinsel jener Zauber ganz besonders geltend. Wenn dann nach heißem Tag des Abends sanfte Kühlung sich auf Insel und Flut senkt und das geräuschvolle Treiben der Fischer und Schiffer an den Landungsplätzen der Ruhe weicht, dann herrscht eine Stille hier, die das Herz im Innersten ergreift. Und dringt durch dieses träumerische Schweigen vom Lande her der feierliche Klang der Abendglocken an unser Ohr, während die untergehende Sonne tiefe Gluten über das Wasser breitet, so öffnet sich die Seele weit der Andacht, von welcher rings die große Natur erfüllt ist. Das schöne Bild von Hermann Corrodi vergegenwärtigt die Poesie dieser Stimmung ganz meisterhaft. Auch die schlichte Andacht der Fischer, welche von ihrem Boot aus dem nahen Madonnenbild am Ufer ihr „Ave Maria“ darbringen, ist von ihrem Schimmer verklärt.

Ein schwäbischer Volksdichter. Im Jahr 1885 kam zu Stuttgart unter dem Titel „Märchenerzähler, Brahmine und Seher“ eine Gedichtsammlung heraus, die in weiten Kreisen Schwabens Aufsehen erregte, als man erfuhr, der Verfasser, Christian Wagner, sei ein einfacher Bauer und lebe einige Stunden von der württembergischen Hauptstadt entfernt in dem Dorfe Warmbronn. Bald ließ der aus seiner Stille hervorgetretene Volksdichter „Sonntagsgänge“, dann „Balladen und Blumenlieder“ erscheinen, denen 1893 eine neue Sammlung, „Weihegeschenke“ und im vorigen Jahr der „Neue Glaube“ folgte. Einen immer weiteren Kreis von Freunden gewann sich Christian Wagner durch diese mannigfaltigen poetischen Gaben, zu denen er bald mehr in epischem Ton anmutige Blumenmärchen erzählte, bald als Gedankendichter im Gewande des Brahminen für die Schonung alles Lebendigen eintrat, bald Lieder von einfacher echter Lyrik bot. Jene schlichte Beschaulichkeit, jenes intime Leben mit der Natur, jene Fülle in der Beschränkung, die den schwäbischen Dichtern überhaupt eigentümlich sind – das alles findet sich mehr oder weniger auch bei Christian Wagner. Er ist nie über sein engeres Heimatland hinausgekommen, ja sein Dorf ist eigentlich seine ganze Welt, aber er weiß aus dieser Enge das weiteste Feld für seine Muse zu gewinnen, indem er auch das Kleine und Unscheinbare erweckt zu poetischem Leben.

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Christian Wagner.
Nach einer Zeichnung von H. Schroedter.
( gemeinfrei ab 2028)

Christian Wagner, dessen Bildnis wir nebenstehend bringen, hat vor kurzem seinen 60. Geburtstag gefeiert. Er wurde am 6. August 1835 zu Warmbronn geboren und erhielt zunächst seinen Unterricht in der Volksschule seines Heimatdorfes. Später bestimmten ihn seine Eltern zum Lehrer und brachten ihn in die Vorbereitungsschule des Lehrerseminars zu Eßlingen; Wagner gab jedoch diesen Plan infolge von Kränklichkeit wieder auf und kehrte nach Warmbronn zurück. Er wurde nun Bauer und ist es geblieben bis heute. An mancherlei Anerkennung hat es ihm nicht gefehlt, am meisten aber hat ihn wohl die Ehrung durch die Deutsche Schillerstiftung gefreut, die ihn vor drei Jahren mit einer Ehrengabe bedachte. Von seiner poetischen Art möge den Lesern der „Gartenlaube“ das folgende Gedicht eine Probe geben.

  Blumenwache.
Gartenwinden, strahlig und geflammt,
Eingefaßt von blauem Seidesamt
Braune Nelken, brechend aus der Hülle
Ihrer Kelche in der Düfte Fülle:
Ringelblumen, so wie Flittergold,
Das die Julisonne aufgerollt;
Bohnenblüten, an des Zweigs Geschwinge
Scharlachrote kleine Schmetterlinge;
Gartenwicken, himmelblau beschwingt
Wie ein Falter, der zum Aether dringt,
Hehr und glanzvoll seine Flügel spaltet,
Wieder sie zur Ruh’ zusammenfaltet –
Standen da vor mir in einem Glas,
Da ich krank in meinem Bette saß:
Mußt’ nicht frisches Leben sich entfachen
Unterm Segen dieser Blumenwachen?

Beim Lawn Tennis-Spiel. (Zu unserer Kunstbeilage.) Wird sie ihn treffen – den Ball, der eben, von der Hand ihres Partners geschlagen, in hohem Bogen zu ihr niedersaust? Wie sie so dasteht, den Blick scharf auf das Ziel gerichtet, in jeder Bewegung der graziösen Glieder bekundend, daß sie sich auf das Spiel gar meisterlich versteht, da kann uns kaum ein Zweifel daran beschleichen. Und doch! Es hängt ja nicht allein von ihr ab. Auch von dem Schlag, mit welchem der Partner den Ball ihr zugeworfen. Und wenn wir bedenken, wie der Anblick des Mädchens mit den dunklen großen Feueraugen im lockenumrahmten Gesicht, in all ihrer jugendlichen Munterkeit und Frische, dem Reiz, den jeder ihrer Bewegungen das Spiel verleiht, auf diesen Partner wirken kann, so ist da ein Zweifel berechtigt. Wer weiß, mit welcher Wucht er in seines Herzens Ueberschwang den Ball emporgetrieben hat, so daß er nun über das Ziel hinausschießen wird!


Kleiner Briefkasten.

Liebhaberphotograph in Twer. Die Litteratur für Liebhaberphotographen ist schon zu einer kleinen Bibliothek herangewachsen. Als ein ganz vortreffliches Handbücklein hebt sich aus der Masse heraus das „Photographische Notiz- und Nachschlagebuch für die Praxis“ von Ludwig David und Charles Skolic (Halle a. d. S., Wilhelm Knapp), das Ihnen in allen Fällen wohl den besten Rat geben wird.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage XI: „Lawn Tennis-Spielerin“. Von Aug. Mandlick.

Inhalt: Die Lampe der Psyche. Roman von Ida Boy-Ed. S. 669. – Entwischt! Bild. S. 669. – Professor Steffens begeistert seine Zuhörer für den Freiheitskrieg. 1813. Bild. S. 672 und 673. – Das Haar als Zeuge vor Gericht. Von C. Falkenhorst. S. 676. Mit Abbildungen S. 678 und 679. – Abendandacht bei Chioggia. Bild. S. 677. – Sturm im Wasserglase. Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Stefanie Keyser (6. Fortsetzung). S. 680. – Beim Glockenguß zu Laucha. Von Carl Müller-Rastatt. S. 684. Mit Abbildungen S. 681, 684, 685 und 686. – Blätter und Blüten: Professor Steffens begeistert seine Zuhörer für den Freiheitskrieg. S. 687. (Zu dem Bilde S. 672 und 673.) – Ein neuer Schachkönig. S. 687. – Entwischt. Von Karl Brandt. S. 687. (Zu dem Bilde S. 669.) – Abendandacht bei Chioggia. S. 688. (Zu dem Bilde S. 677.) – Ein schwäbischer Volksdichter. Mit Bildnis. S. 688. – Beim Lawn Tennis-Spiel. S. 688. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 688.



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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_688.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2024)