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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

und Scherz in bester Erinnerung kam die Gesellschaft an der Bachschleuse an.

Am Wehr.

Während es sich die Herren und Damen nach Möglichkeit am Uferrande bequem machen, füllt Lisbeth ihre Tonne zur Hälfte mit Wasser, indessen der Fischer und sein Sohn die Watte in stand setzen. Die Watte, womit der Fischer die Forelle einfangen will, ist ein sackartiges Netz und in der Weise an zwei Stäben angebracht, daß sich die Oeffnung zwischen denselben befindet. Durch Nähern oder Auseinanderhalten dieser Stäbe kann die Oeffnung nach Belieben verengert oder erweitert werden.

Nun ist es eine eigene Sache mit der Wattfischerei, sie erfordert viel Geschick und Umsicht. Die Fische haben eben auch ihren Instinkt und wittern die Gefahr, die ihnen nicht nur von den Menschen, sondern auch von Feinden aus dem Tierreich droht. Deshalb halten sie sich bei hellem Tage meist unter Steinen verborgen, wo sie, von außen ungesehen, stundenlang still stehen. Je nach der Form oder Lage des betreffenden Steines muß der Fischer das Netz so vor den Schlupfwinkel bringen, daß es eine Art Trichter bildet. Durch eine zweite Person – hier in unserm Fall des Fischers Sohn – wird dann die Forelle entweder durch einen Stock oder mit den Händen in das Netz gescheucht. All diese Kunstgriffe sind nun dem Müllerandres längst kein Geheimnis mehr. Toni aber, der sich bei dieser Fangweise oft gar wichtig zu machen sucht, zeigt sich bei seiner Hantierung manchmal etwas übereifrig. So auch diesmal. Durch eine ungeschickte Bewegung hat er wider Willen dem bedrängten Fische zur Freiheit verholfen, und nun schneidet er über seine Heldenthat ein gar drolliges Gesicht, während sich Lisbeth in neckischer Weise über den armen Schelm lustig macht. Ein strenger Blick des Vaters ruft Toni aber wieder zur Sache. Dort unter jenem runden Steine hat der Flüchtling Unterschlupf gesucht, und jetzt heißt es aufgepaßt, daß er nicht ein zweites Mal dem Netze entwischt.

Vorsichtshalber legt Toni seinen Stock beiseite und greift diesmal mit den Händen zu, und richtig – ein kunstgerechter Griff, und die Forelle schießt wie erwünscht dem Vater ins vorgehaltene Garn. Triumphierend hält drauf Toni den schnalzenden Fisch in die Höhe. Es ist ein Prachtexemplar von bereits 11/2 Pfund. Dann trägt er den Gefangenen eilig zu Lisbeth, welche schon die Tonne zu dessen Aufnahme bereit gestellt hat. Höchst mißvergnügt schießt die Forelle im engen Behälter umher, wird aber zusehends ruhiger, als einige frische Wassergüsse aus der Kelle ihren Rücken kitzeln.

Fang mit dem Handnetz.

Während darauf Vater und Sohn ihr Geschäft mit günstigem Erfolge fortsetzen, versammeln sich die Kurgäste bei Lisbeth, um den schönen Fisch und dessen anmutige Bewegungen zu bewundern. Immer frische Gefangene bringt Toni herbei, einmal sogar zwei zugleich. Das Getriebe und Gezappel in der Tonne wird immer lebhafter und bewegter, so daß die Damen sich daran kaum satt sehen können. Endlich, nachdem so ziemlich das ganze Wehr abgesucht war, hielt der Fischer den Fang für genügend, denn ein paar Dutzend stattliche Forellen waren in der Tonne beisammen. Die Gesellschaft rüstete sich jetzt zum Heimgang. Lisbeth und Toni stritten sich zunächst darum, wer die Fische tragen dürfe. Inzwischen nahm aber der Vater die Last selbst auf den Rücken, während die Geschwister die Geräte zu tragen bekamen.

Vor dem Brunnengehäuse im Hofe des Ochsenwirts, im Fischweiher, wurde die Tonne ihres lebenden Inhaltes wieder entleert. Zehn der schönsten Fische aber wurden für den Abendtisch zurückbehalten.

Drinnen in der Wirtsstube fand sich die Gesellschaft wieder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_645.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2022)