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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

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Schwarzwälder Forellen.

Von J. J. Hoffmann.0 Mit Illustrationen von P. Bauer.

Sie wünschen?“ fragt der Ochsenwirt von Schapbach eine mit der Frühpost bei ihm angekommene Gesellschaft von Sommerfrischlern, welche sich für einige Tage bei ihm zu Gast gemeldet hatte.

„Zunächst eine kleine Stärkung, Wein mit etwas kaltem Aufschnitt, zum Mittagstisch jedoch eine tüchtige Portion frischer Bachforellen. Sie haben doch welche?“

„Gewiß,“ entgegnet der Wirt, „Forellen stehen dem Herrn Professor nach Belieben zur Verfügung, mein Vorrat wird täglich erneuert.“

„Nun, das ist ja köstlich, da werden wir von dem verlockenden Anerbieten wohl ausgiebig Gebrauch machen, nicht wahr, meine Lieben?“ und dabei wandte sich der Herr Professor zu einigen neben ihm stehenden Damen, welche sich unterdessen neugierig in der großen Gaststube umgesehen und verwundert bald die getäfelte Decke und die merkwürdigen Vögel rings an den niedern Wänden betrachtet hatten.

Der Professor war ein namhafter Gelehrter einer Hochschule, der alljährlich mit Frau und Töchtern einen Teil der Ferien in irgend einem schönen und stillen Fleckchen des Schwarzwaldes zu verbringen pflegte; heuer aber erstmals ins liebreizende Schapbacherthal gekommen war.

„Wenn der Herr Professor vielleicht selbst Liebhaber vom Angeln wären,“ wandte sich der Ochsenwirt wieder zuvorkommend an seinen Gast, „ich habe eigene Fischerei und —“

„Danke freundlichst,“ entgegnete dieser; „dieser Sport zählt gerade nicht zu meinen Liebhabereien, doch, wenn meine Töchter dem Vergnügen ihre freie Zeit widmen wollen – nun, wie meint Ihr, Meta und Ella?“

„Ach, Papa, das wäre herrlich!“

„Gut, gut!“ wehrte der Professor weiteren Freudenausbrüchen.

Aufbruch zum Fang mit dem Handnetz.

Dann zogen sich die Gäste auf ihre Zimmer zurück, um sich für die Dauer ihres Aufenthalts einzurichten.

An der Mittagstafel nahmen auch noch andere Fremde teil, und bald entspann sich eine lebhafte Unterhaltung über die verschiedenen Arten des Forellenfanges im Schwarzwald.

„Nach meinem Dafürhalten ist die Angelfischerei, wie solche nach dem jetzigen System fast allerwärts betrieben und namentlich vom bayrischen Fischereiverein nach Wilhelm Bischoffs Anleitung empfohlen wird, allen andern Methoden vorzuziehen,“ behauptete Mister Macdonald.

„Sie mag wohl manches für sich haben,“ entgegnete dem gegenüber Forstrat Lauterbach, „immerhin aber ist die Angelfischerei doch nur gewissermaßen ein Sport, eine Art Liebhaberei, und wenn unser Herr Gastgeber bei Erneuerung seiner Forellenbestände ausschließlich auf die Angel angewiesen wäre, so würde unsere Tafel in diesem Artikel oft sehr dürftig bestellt sein, nicht wahr, Herr Ochsenwirt?“

„Ganz richtig, Herr Forstrat,“ bestätigte der Gefragte, „auch würden unsere Fischpächter mit der Angelfischerei nur schwer zu ihrer Rechnung gelangen. Dies wissen dieselben recht wohl. Deshalb überlassen unsere einheimischen Fischer dieses Vergnügen den Fremden und verlegen sich hauptsächlich auf die sogenannte Raubfischerei. Dies füllt die Legel, die Fischtonne, und versorgt die Abnehmer jederzeit mit dem notwendigen Bedarf.“

„Wie? Raubfischerei?“ riefen betroffen etliche Stimmen zugleich aus der Tafelrunde. „Das wäre ja fast nicht glaublich!“

„Die Sache verhält sich ganz und gar nicht so schlimm, als die Herrschaften annehmen,“ entgegnete mit freundlichem Lächeln der Forstrat, „und von ,rauben‘ in schlimmerem Sinne ist dabei gar keine Rede. Es ist vielmehr ein Massenfang mit Hilfe verschiedenartiger, netzförmiger Geräte. Auch hierbei unterscheidet der Schwarzwälder ein doppeltes Verfahren. Hat er sofort eine Bestellung auszuführen, so bedient er sich beim Fange der sogenannten Watte oder des Handnetzes. Man nennt das sackförmige an zwei Stäben angebrachte Netz auch Hamen. Hat aber der Fischer zur Lieferung genügend Frist, so macht er sich’s bei diesem Geschäfte etwas bequemer, er wendet die Legnetze, die sogenannten Reusen an und läßt die Forellen von selber ins Garn schwimmen.“

„Ach, das ist ja sehr interessant,“ erwiderte da die Frau Professor, und zum Gastwirt gewandt, setzte sie noch hinzu: „würde sich nicht etwa Gelegenheit bieten, einem solchen Fang beiwohnen zu können?“

„Gewiß,“ gab der Ochsenwirt zur Antwort, „die Wattfischerei kann zu jeder Tageszeit vorgenommen werden, wenn sich die Herrschaften so sehr dafür interessieren, will ich gleich heute nachmittag ein Wattfischen veraustalten.“

„Bravo! Angenommen, Herr Ochsenwirt!“ schallte es zustimmend.

Während sich die Tafelgesellschaft noch über das bevorstehende Vergnügen unterhielt, schickte der Wirt einen seiner Jungen zum Müllerandres im Unterthal mit dem Auftrag, sich mit seinen Leuten nach 2 Uhr am Schappenwehr einzufinden.

Mehr braucht man dem Müllerandres nicht zu sagen, denn er weiß dann schon, um was es sich handelt. Mit emsiger Geschäftigkeit rüstet auch sofort Lisbeth, die schmucke Fischermaid, das erforderliche Gerät zusammen, Toni, ihr Bruder, wirft seine Bücher, über denen er sich gerade gelangweilt hat, etwas rascher als sonst in seinen Schulranzen, und bald befinden sich Vater, Tochter und Bruder auf dem Wege zum Wehr.

Jugendfrisch und heiter, wie der helle Sonnenschein, schreitet Lisbeth, die Fischtonne über die Schulter gehängt und die Wasserkelle in der Hand, ihren Begleitern rüstig voran, und dabei trällert sie ihr Liedchen, so froh und vergnügt, als wäre die ganze Welt nur zu Lust und Freude geschaffen und sie selbst darin die Glücklichste.

Lisbeths munterer Gesang lockt auch alsbald die Kurgäste im „Ochsen“ auf die Straße. Man schloß sich an und unter Sang

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_644.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)