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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

dann bisweilen so groß, daß er den ersten besten Vorwand zu frühem Aufbruch benutzte und noch für einen Augenblick nach dem Pfarrhause hinüberlief, um womöglich ein paar Worte von ihr zu erhaschen, wenn auch oft nichts weiter als einen Gutenachtgruß zum Fenster heraus. Wurde aber Hella, was hie und da geschah, zu geschäftlicher Beratung mit einem der Beamten abgerufen, so schien ihm der eigentliche Mittelpunkt des kleinen Kreises zu fehlen. Er gestand sich dann heimlich, daß die stolze Herrin des Schlosses mehr und mehr Einfluß auf ihn gewinne, er fragte sich, wohin das führen werde, ohne eine Antwort darauf geben zu können, ja ohne es zu wollen. Mit seiner Abreise im Spätherbst mußte ja ohnehin alles ein Ende haben, bis dahin wollte er mit geschlossenen Augen die glückliche Zeit genießen.

Eine Störung dieses traulichen Verkehrs durch unwillkommene Gäste gehörte zu den Seltenheiten, denn der Umgang mit der Nachbarschaft war kein sehr reger und beschränkte sich auf vereinzelte große Feste. Um so unangenehmer überraschte es ihn, als Hella eines Abends die für den nächsten Tag bevorstehende Ankunft ihrer Cousine, der Gräfin Lenzen, ankündigte, die einige Zeit in Strehlen zu verweilen gedenke. „Mit unseren Leseabenden wird es da wohl für die nächsten Wochen vorbei sein,“ fügte sie hinzu, ohne daß er bemerken konnte, ob sie es bedaure oder nicht. „Die Gräfin ist eine Frau der großen Welt und interessiert sich nicht sonderlich für Litteratur. Aber es wird sie interessieren, Sie selbst kennenzulernen.“

Er verbeugte sich schweigend, die Gräfin innerlich dorthin wünschend, wo der Pfeffer wächst. (Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüten


Die neunhundertjährige Jubelfeier der Stadt Krems. (Mit Abbildung S. 564.) Als die älteste unter den uralten Städten Niederösterreichs begeht Krems an der Donau in den Tagen vom 11. bis 18. August l. J. durch ein großartiges Volksfest die Erinnerung an die Thatsache, daß es schon in einer Urkunde des Kaisers Otto III. vom 16. August 995 – also etwa zwei Jahrzehnte vor Tulln und zwei Jahrhunderte vor Wien – als „urbs“, als „Stadt“ bezeichnet erscheint. Die ersten geschichtlichen Nachrichten über Krems stammen jedoch aus weit früherer Zeit. Als nämlich der heilige Severin im Donauthale sein Bekehrungswerk vollbrachte, bestand schon gegenüber dem heutigen Mautern am linken Ufer des Stromes ein „Jahrmarkt der Barbaren“, worunter nur das spätere Krems zu verstehen sein kann, das – zwischen Berg und Strom gelegen – eine gegen feindliche Ueberrumpelungen gesicherte und durch die unmittelbare Nachbarschaft der Donau zu einem Mittelpunkte des bescheidenen Handelsverkehrs jener Tage vorzüglich geeignete Niederlassung der Rugen war. Während der Völkerwanderung bildete Krems den Tummelplatz jener Horden, welche zwischen den Ausläufern der Karpathen im Osten und jenen des deutschen Mittelgebirges im Westen über den Donaustrom setzten. Unter der glorreichen Regierung der Babenberger entwickelte sich Krems rasch zu einem Gemeinwesen, das jahrhundertelang mit Wien rivalisierte und noch von Maximilian II. als die vornehmste Stadt nach Wien bezeichnet werden konnte. Die wesentliche Rolle, welche Krems in der Geschichte Oesterreichs spielte, kam es jedoch teuer zu stehen. Denn während der Einfälle der Böhmen unter Ottokar und der Ungarn unter Matthias Corvinus, während der Kriege mit den rebellischen Bauern und mit den Schweden, sowie während der Napoleonischen Eroberungszüge wurde die Stadt wiederholt belagert, verloren und wieder zurückerobert, von Feind und Freund mit gleicher Rücksichtslosigkeit geplündert und gebrandschatzt und dadurch immer wieder in Schulden gestürzt, welche die besten Kräfte der Bürger verzehrten.

Sowohl diese kriegerischen Ereignisse als auch die allmähliche Veränderung in den Stromverhältnissen der Donau, welche ihr Bett seit Jahrzehnten immer weiter von der Stadt wegrückt, haben dazu beigetragen, daß in Krems das Alte nie lange standhielt. Ganze Häusergruppen verschwanden und an ihrer Stelle, sowie dort, wo der weichende Strom ein blühendes Auland zurückließ, entstanden neue Stadtviertel. So hat sich Krems nur im Einzelnen die eigentümliche, Behagen erweckende Physiognomie einer mittelalterlichen Stadt erhalten. Zu seinen „Wahrzeichen“ gehört vor allem das uralte „Steinerthor“ mit dem prächtigen Quadernturm und den zwei seitlich vorgeschobenen, von Spitzdächern gekrönten Rundtürmen, der mächtige Pulverturm am Ostende der Stadt, die auf weit ausschauender Höhe gelegene Piaristenkirche und das „Mandl ohne Kopf“, eine Steinfigur im Harnisch, der der Kopf fehlt und die angeblich daran erinnert, daß auf dem „Lueg-ins-Land“, während Torstensson die Stadt besetzt hielt, einem frevelhaften Offizier eine Kanonenkugel das Haupt vom Rumpfe riß.

Das Krems von heute ist durch mannigfache Eisenbahn- und Dampfschiffverbindungen zu neuer Blüte gelangt. Es zählt etwa 11000 Einwohner. Handel und Wandel, Industrie und Gewerbe sind im Schwunge. Der Weinbau wird im großen Stile betrieben. Zahlreiche Schulen gedeihen unter trefflicher Leitung. Auf dem Piaristengymnasium haben Hamerling und Joseph Misson, der unsterbliche Dichter des „Naz“, Johannes Nordmann und Canon studiert. Kirchenfürsten, hervorragende Professoren, Beamte, Aerzte und Litteraten sind Söhne der Stadt Krems gewesen. Und wie etwa einst in Krems Margaretha, die unglückliche Gattin Ottokars, verstoßen und verraten, den Untergang ihres Geschlechtes, der Babenberger, beweinte und Philipp von Kärnten als Ex-Erzbischof von Salzburg, Ex-Patriarch von Aquileja und Ex-Herzog von Kärnten im Exile lebte, so ist bis heute Krems ein Lieblingsaufenthalt der österreichischen Pensionisten geblieben. Dies ist wohl begreiflich; denn für das materielle Leben ist in Krems glänzend gesorgt, das Klima der an Rebengelände lieblich hingebetteten Stadt ist außerordentlich milde und die Bewohner derselben sind ein treuherziges Völkchen, das den Fremden stets gastfreundlich entgegenkommt.

Also konnte Krems froher Teilnahme von vornherein sicher sein, als es das ganze Oesterreich anläßlich seines neunhundertjährigen Stadtjubiläums zu Gaste lud. R. v. Enderes. 

Parfümierte Früchte. Die Farbenpracht der Blumen ist unerschöpflich, und doch ist der Mensch vor kurzem auf den Gedanken gekommen, Blumen zu färben, indem er die abgeschnittenen Stengel in Lösungen von Anilinfarben stellte! Die Pariser Blumenmädchen, die zum ersten Male „grüne Nelken“ auf den Markt brachten, sollen kein schlechtes Geschäft gemacht haben. In ähnlicher Weise vergreifen sich die Menschen auch an Früchten, die sie zwar nicht färben, dafür aber um so fleißiger parfümieren. Wenn die Früchte den müden und durstigen Wanderer so köstlich erfrischen, so ist dies zum großen Teil dem Aroma zuzuschreiben, das sich bei vollendeter Reife in ihnen entwickelt. Der Züchter ist darum bestrebt, nicht nur süße, saftige und große, sondern auch duftende Früchte zu erzeugen. Es gelingt ihm indessen nicht immer, bei einer Frucht alle diese Eigenschaften zu erzielen. Eine aromalose Frucht wird aber von dem Kenner als schal zurückgewiesen.

Bei der großen Masse der civilisierten Menschheit ist allerdings der Geruch zu einem abgestumpften Sinne geworden, nur eine „auserwählte“ Schar von Obstliebhabern schwärmt auch für das Aroma, und aus Rücksicht auf diese sind verschiedene Wege zum Parfümieren der Früchte erdacht worden. Die von altersher bekannten sind sehr einfach. Hat man frische Hollunderblüten rasch getrocknet und in luftdicht verschlossenen Büchsen aufbewahrt, so kann man frühe Aepfel damit parfümieren, indem man sie für einige Tage mit den Hollunderblüten in einem gut verschlossenen Gefäße einsperrt. In England ist dieses Parfüm sehr beliebt. Auf diese Weise lassen sich verschiedene Düfte den Früchten beibringen. Obstkenner sollen jedoch diese Schliche nicht unschwer zu entdecken vermögen; ihr Gaumen und ihre Nase sind sehr gewiegte Chemiker.

Eine Frucht, die zu großem Verdruß der Gärtner in der Entwicklung des Duftes sich äußerst unzuverlässig erweist, ist die Melone. Man hat darum besondere Mittel ersonnen, um sie zur Aromaentfaltung zu zwingen. Die einen steckten die reifen Melonen in warme Oefen, die anderen brachten sie in kalte Räume und die Extreme der Temperatur sollen in der That die Melone bei der Nachreife zur Aromaentwicklung gebracht haben. In Amerika ist man dagegen auf einen anderen Einfall gekommen. Dort parfümiert man Melonen in ähnlicher Weise, wie man in Frankreich Blumen mit Anilinfarben geschminkt hat. Die reife Melone wird mit einem guten Stück der Ranke abgeschnitten und das Ende der Ranke in ein Trinkglas hineingesteckt, welches zum Teil mit Portwein oder Sherry gefüllt ist. In drei Tagen saugt die Frucht den Wein auf und besitzt alsdann ein deutliches Portwein- oder Sherrybukett.

Nach Proben, die wir selbst angestellt haben, ist das Verfahren durchaus nicht so einfach, d. h., es gelingt nicht immer. Am meisten eignen sich dazu noch Früchte, die einer Nachreife bedürfen. Jedenfalls dürften für Obstliebhaber weitere Versuche dieser Art nicht uninteressant sein. Die Wohlgerüche sind ja heute nicht teuer, die Düfte der Vanille, des Waldmeisters und des Heliotrop, ja selbst die Quintessenz des Fliederduftes werden in der Retorte des Chemikers künstlich hergestellt; das neue Citral ersetzt den Duft des Citronenöls, auch die Fruchtäther macht man nach. Da ließe sich schon den aromalosen Früchten aufhelfen. Jedenfalls kann man durch ein geschicktes Parfümieren des Obstes diesen oder jenen Freund vorübergehend in Staunen über die „neue“ Obstvarietät versetzen. *      

Vergebliche Mühe. (Zu dem Bilde S. 549.) Das Lästern muß doch ein recht vergnügliches Geschäft sein, nach dem Eifer zu schließen, den der boshafte Alte und sein dreister Herr Sohn dabei an den Tag legen. Schade nur, daß es zuweilen seinen Zweck verfehlt: das hübsche Wirtstöchterlein lacht so vergnügt vor sich hin, als hätten die beiden bösen Zungen eitel Loblieder auf einen gewissen Abwesenden gesungen. Jetzt wendet sie den Kopf seitwärts, der aufgehenden Thür zu, und im nächsten Augenblick werden die beiden Lästermäuler voll Schrecken verstummen, denn der bewußte, soeben Eintretende hat kräftige Fäuste und versteht sie zu gebrauchen! Es wird also nichts übrig bleiben als eiliger Rückzug; die geistige Ueberlegenheit muß, wie so oft, der rohen Gewalt weichen, aber in dem besonderen hier dargestellten Fall dürfte die Sympathie des Beschauers ausnahmsweise einmal ganz auf seiten der letzteren sein! Bn.     

In der Ferienkolonie. (Zu dem Bilde S. 553.) Wie herrlich spielt es sich doch hier in dem bäuerlichen Grasgarten voll Sonnenschein und Höhenluft, statt in den heißen Hinterhöfen der Stadt! Das fühlen die kleinen Kolonisten alle Tage neu und genießen recht aus Herzensgrund alles, was die goldenen Ferientage bringen: Spaziergang, Bad und nach der abendlichen Heimkehr die ungeheuren Schüsseln voll Milch und Eierspeisen, zu deren Bereitung die Bäuerin ihre größten Pfannen nehmen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_563.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)