Seite:Die Gartenlaube (1895) 454.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Im Bann von Mekkas Thoren.

Von L. E. Browski.
Mit Abbildungen nach photographischen Aufnahmen.


Pilgerkarawanserai in Dschedda.

Der mörderische Ueberfall, den kürzlich in der Umgebung von Dschedda fanatische Beduinen an europäischen Konsulatsbeamten verübt haben, hat die Aufmerksamkeit von ganz Europa der dem gesamten Islam teuren Hafenstadt von Mekka zugewendet. Eine Schilderung derselben darf daher gerade jetzt auf besonderes Interesse rechnen.

Es war im Monat August, als ich zu Schiff in Dschedda vor einigen Jahren ankam. Ein Sturm hatte dem aus Persien kommenden Pilgerschiff übel mitgespielt, wir dankten Gott, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Aber der Eindruck, der uns auf der arabischen Küste des Roten Meeres empfing, war kein verlockender. Uebelriechende Schwefeldünste stiegen vom Strande auf und sengende Sonnenglut brütete über dem flachen Küstenstrich der Tehama-Wüste rings umher, kein Brunnen, kein Baum, kein Schatten, nur fahlgelber Sand. Auf kahler felsiger Höhe terrassenförmig aufsteigend, liegt die Stadt inmitten der flachen Oede. Eine Menge ausländischer Konsulatsflaggen flattert drüber hin. Auf der Reede liegt eine stattliche Flotte von Pilgerschiffen, wohl an die fünfzig Dampfer, vor Anker.

Bald erfahren wir, daß seit einer Woche die Cholera in Dschedda wütet. Da wälzen sich auch schon einige davon Befallene im heißen Sande auf dem wüsten, mit Geröll und Kehricht bedeckten Platz, der zwischen Strand und Stadtthor liegt. Niemand kümmert sich um sie. An jedem Morgen macht ein großer Karren, von zwei Maultieren gezogen, die Runde und sammelt die Leichen, die in den Straßen umherliegen. Wenn es mit einem noch nicht ganz zu Ende ist, läßt man ihn einfach liegen für den nächsten Tag. Die einheimische Bevölkerung geht ruhig daran vorüber ihren Geschäften nach. Keine Aufregung, nichts von einer Panik deswegen in der Stadt. Die Leute sind an all diese Schrecken gewöhnt. Jedes Jahr bringen ihnen die Pilgerscharen von den Gestaden des Euphrat und Ganges, die hier landen, außer dem Geld, das sie ausgeben, die mörderische Seuche. Wem das Ende seiner Tage von Allah noch nicht bestimmt ist, der verdient innerhalb der paar Wochen des Pilgerverkehrs an dieser Hauptstation ein schönes Stück Geld und lebt dann davon ruhig und zufrieden bis zum nächsten Jahr. Da es in Dschedda sonst wenig regelmäßigen Verdienst giebt und das Klima hier wohl ein glühend heißes, aber dabei doch gesundes ist, kann man füglich sagen, die guten Leute dort leben und sterben nur von den Pilgern, die jedes Jahr ums Kurban-Beiramfest – das übrigens infolge der Rechnung nach Mondjahren im Verlauf von 32 Jahren in alle Jahreszeiten fällt – zu Hunderttausenden bei ihnen ihren Einzug halten, um von hier aus die zwei Tagereisen lange Pilgerfahrt zum Grab des Propheten in Mekka anzutreten.

Wir brauchen ein Obdach. Hotels nach unseren Begriffen existieren nicht, aber es giebt einen großen „Hadji-Chan“, eine Pilgerkarawanserai, wo „schöne Zimmer“ zu haben sind, wie uns ein alter, weißbärtiger Araber sagt. Er will uns auch hinführen, weil er gerade nichts anderes zu thun hat. Wir treten durch den engen, hohen Stadtthorbogen und passieren einige

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_454.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)