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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

zu konsequenter geistiger Arbeit, Freude an theoretischem Denken und eine gewisse Anlage und Uebung zu kritisierender Ueberlegung und zur Selbstkritik; Beobachtungsgabe pflegt man den Frauen ja nicht abzustreiten.

Noch eins ist für die Aerztin erforderlich: der Beruf giebt reiche Befriedigung für solche, die von persönlichem Behagen abstrahieren können; sonst darf sie nicht allzuviel vom Leben verlangen, und manches, woran das Herz des jungen Mädchens hängt, muß aufgegeben werden.

Ich glaube nun doch, daß es eine ganze Anzahl von Frauen giebt, welche nach ihrer physischen und psychischen Konstitution für den ärztlichen Beruf geeignet sind; sollte es ja vorkommen, daß einige in Selbsttäuschung das Studium ergreifen, so wird wahrscheinlich der Schaden für die Allgemeinheit nicht groß sein. Wenn nicht während der Vorbereitungszeit, so doch während des Studiums dürfte der Irrtum ihnen selbst und andern klar werden.“ (Ethische Kultur. 2. Jahrgang Nr. 18.)

Für den Anfang, d. h. bis der Beruf der Aerztin allgemeine Anerkennung gefunden haben wird, müssen die dafür notwendigen geistigen und sittlichen Erfordernisse doppelt betont werden. Von den Pionierinnen auf diesem Gebiet wird mehr Intelligenz, mehr Aufopferungsfähigkeit, mehr Ausdauer und Widerstandsfähigkeit verlangt werden als von den späteren Vertreterinnen des Berufs. Es bedarf also einer sehr ernsten Selbstprüfung, ehe sich ein junges Mädchen dafür entscheidet. Aus diesem Grunde zumeist haben die Berliner und Leipziger Kurse sich dafür entschieden, keine Kinder aufzunehmen, da weder diese noch ihre Eltern wissen können, ob sie sich für den Beruf eignen. Erwähnt sei schließlich noch, daß es für ganz Unbemittelte nicht ratsam erscheint, den ärztlichem Beruf zu ergreifen. Wenn auch bereits einige wenige Stipendien für weibliche Studierende bestehen (der Allgemeine Deutsche Frauenverein hat sie zu vergeben), so können diese doch höchstens einen Zuschuß zum Leben gewähren. Die Studienzeit aber wird, die Vorbereitungszeit inbegriffen, neun bis zehn Jahre umfassen; ob sich danach gleich eine gesicherte Existenz findet, ist mindestens zweifelhaft.

Endlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß nur solche Frauen Medizin studieren sollten, die Energie und Selbständigkeit genug besitzen, um sich nachher einen Wirkungskreis zu schaffen, der sich immer nur langsam finden wird. Es muß keine glauben, daß man nur auf sie gewartet habe. Die junge, eben von der Universität kommende Aerztin wird sich ebenso allmählich das Vertrauen weiterer Kreise erst erringen müssen wie der junge Arzt.

Wenn alle diese Warnungen ausgesprochen werden mußten, um ungeeignete Kräfte von einem Beruf zurückzuschrecken, der seiner Wichtigkeit wegen unter den Frauenberufen mit in erster Linie steht, so darf anderseits wohl zum Schluß ausgesprochen werden, wie wünschenswert es ist, daß willensstarke, selbständige Frauen von hervorragenden Fähigkeiten sich dem ärztlichen Beruf widmen, der, wenn er auch viel Entsagung und Selbstverleugnung erfordert, doch auch wieder der echten Frau eine tiefe Befriedigung gewährt. Helene Lange.     



Blätter und Blüten.


Reiselitteratur. Pünktlich wie die Primeln im Lenz, so melden sich im beginnenden Sommer die Reiseführer, die sich der wanderlustigen Menschheit als Berater und Wegweiser auf ihren Sommerpfaden anbieten. Längst ist die Fülle derartiger Werke zu einem breiten Strome angeschwollen, und mehr und mehr haben sie auch Gegenden in ihr Bereich gezogen, die sonst seitab vom großen Touristenverkehr lagen. Im folgenden zählen wir einige neuere Erscheinungen aus bewährtem Verlage auf, wobei wir natürlich auf Vollständigkeit verzichten müssen.

Beginnen wir bei dem Nächstliegenden, dem schönen Thüringerland! Da bietet sich uns aus der Serie von „Meyers Reisebüchern“ (Leipzig, Bibliographisches Institut) Anding von Radefelds „Thüringen“, ein Büchlein, das unter Mitwirkung des „Thüringerwald-Vereins“ bearbeitet wurde und nun bereits in zwölfter Auflage vorliegt. Ihm schließt sich aus derselben Serie an „Dresden und die Sächsische Schweiz“, in dritter Auflage erschienen, zugleich Vereinsbuch des „Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz“, dessen Vorstand, Professor Dr. Oskar Lehmann in Dresden, die Bearbeitung übernommen hat. Weiterhin folgt der Wegweiser durch das Riesengebirge und die Grafschaft Glatz von D. Letzner, 9. Auflage; auch dieser hatte der Mitwirkung eines örtlichen Verbandes, des „Riesengebirgs-Vereins“, sich zu erfreuen, und so ist durch das Zusammenarbeiten vieler möglichste Gewähr für Vollständigkeit und Zuverlässigkeit geboten. Vorteilhaft zeichnen sich alle diese Meyerschen Reisebücher durch ihre schönen sauberen und guten Karten aus. – Zur Nachbarschaft des Thüringer Waldes gehört auch die „Hainleite“, an deren Fuß die fürstliche Residenzstadt Sondershausen liegt, und der Kyffhäuser, der alte Barbarossaberg, auf dem jetzt das große Kaiser Wilhelm-Denkmal der deutschen Kriegervereine errichtet wird. Diese Gegend findet man zweckmäßig geschildert in dem „Führer für Sondershausen, die Hainleite und Kyffhäuser-Rothenburg“, herausgegeben von Th. Jödicke und Alfred König (Sondershausen, Eupelsche Hofbuchdruckerei). Als eine Erinnerung von der Reise werden manchem die nach Aquarellen von C. O. Bartels illustrierten Heftchen „Die Sächsisch-Böhmische Schweiz“ und „Thüringerland“ (Berlin, H. J. Meidinger) willkommen sein. Auch eine „Rheinfahrt“ ist in derselben Art der Ausstattung erschienen. – Nun vom Deutschen Mittelgebirge in die Hochalpen! Hier sind von Neuigkeiten zu verzeichnen „Die Steiermark“ von Dr. Gsell Fels in der Serie von Bruckmanns illustrierten Reiseführern, mit vielen, vielleicht etwas zu vielen Abbildungen geschmückt; ferner Hans Blanks „Illustrierter Führer durch die Salzburger und Berchtesgadener Kalkalpen und ihre Thalgebiete“ (Wien, Hartleben). Die im vorigen Jahre eröffnete Schafbergbahn hat das 3. Heftchen der Sammlung „Oesterreichische Bergbahnen“ (Salzburg, Hermann Kerber) ins Leben gerufen. Auf knappem Raume, doch in gefälliger Darstellung erfährt man hier das Wissenswerte über die Bahn und ihre Umgebung. – Aus den Alpen entspringen so viele Gewässer, die eilenden Laufes der „schönen blauen Donau“ zuströmen. Folgen wir dem Inn hinab nach Passau und machen wir eine Fahrt auf der Donau, ganz hinab, bis sie ihre Fluten ins Schwarze Meer ergießt! Der Riegel des Eisernen Thores ist ja jetzt aufgeschlossen, behaglich und sicher gleitet der Dampfer aus der ungarischen hinein in die rumänische Tiefebene. Auf der ganzen Fahrt lassen wir uns Städte und Dörfer, Burgen und Schlösser, Berg und Thal erklären von dem bewährten Kenner des Donaustroms A. von Schweiger-Lerchenfeld. In zwei Bändchen (VIII und IX) der Sammlung „Unterwegs“ (Wien, Hartleben) hat er die „Donaufahrt“ ausführlich beschrieben. Das eine reicht bis Pest, das andere bis Sulina, schweift aber auch noch nach Konstantinopel hinab. Derselbe Verlag giebt auch einen illustrierten „Führer auf der Donau von Regensburg bis Sulina“ von Alex. Hecksch, mit 50 Abbildungen und 5 Stromkarten versehen, heraus. Dieser Führer, welcher den Reisenden über Wien und Pest gut orientiert, liegt uns, bearbeitet von Jos. Kahn, in 3. Auflage vor. Von den bewährten Reisehandbüchern der Schweiz ist Tschudi’s „Turist“ (Zürich, Art. Institut) soeben in 33. Auflage, die gleichfalls neubearbeitet ist, erschienen.

Einfluß des Wassers auf die Zähne. Will man der Zahnverderbnis, die in der jüngsten Zeit die weitesten Schichten des Volkes ergriffen hat, Einhalt gebieten, so muß man vor allem über deren Ursachen im klaren sein. Wie sorgfältige Untersuchungen ergeben haben, sind diese Ursachen sehr verschiedenartig. Zunächst kommt unsere Ernährungsweise in Betracht. Pflanzliche Nahrung, deren Ueberreste im Munde Säuren bilden, erweist sich als die Hauptfeindin der Zähne, und sie wird um so verderblicher, je weicher und zuckerreicher sie ist. Mit der Verdrängung des groben schwarzen Brotes durch das weiche Weißgebäck und durch Kuchengenuß gewinnt die Zahnfäulnis an Ausdehnung. Für die Ausbildung und Erhaltung eines guten Gebisses ist aber auch die Zusammensetzung der Nahrung, vor allem ihr Kalkgehalt, maßgebend. In überzeugender Weise hat dies jüngst Dr. Karl Röse in der „Zeitschrift für Schulgesundheitspflege“ nachgewiesen. Er untersuchte eine große Anzahl von Kindern in den Volksschulen Badens und Thüringens und fand, daß die Bewohner von Orten, welche über kalkreiches hartes Wasser verfügen, bedeutend bessere Zähne haben als die Bewohner von Gegenden, in welchen nur kalkarmes weiches Wasser vorkommt. In kalkarmen Orten giebt es doppelt so viel schlechte Zähne wie in kalkhaltigen; in den ersteren waren nach Röses Ermittelung 35% aller Zähne erkrankt, in den letzterem dagegen nur 16%. In den kalkarmen Landorten besaßen nur 1 bis 2% Kinder ein tadelloses Gebiß, während in kalkreichen dies noch bei 17 bis 21% der Schulkinder der Fall war.

Die Ursache dieser Erscheinung kann nur darin liegen, daß in Gegenden mit weichem Wasser der Boden überhaupt arm an Kalk ist. Infolgedessen sind auch die auf ihm gewachsenen Pflanzen verhältnismäßig kalkarm, und auch durch das Trinkwasser wird nur wenig Kalk dem Körper zugeführt. Daraus folgt aber, daß bei der geringen Kalkaufnahme des Körpers die Zähne schon in der Jugend weniger gut verkalkt sind und den schädlichen Einflüssen rascher erliegen. Den endgültigen Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme bietet die in Thüringen von Dr. Röse durchgeführte Bestimmung der Zahnfarbe. Es überwiegen nämlich in den kalkhaltigen Orten bei weitem die gut gebauten glänzend gelben, in den kalkarmen Orten dagegen die schlechteren weißgelben und blaugrauen Zähne.

Aus diesen Ermittlungen sind für die Bewohner kalkarmer Gegenden einige hygieinische Lebensregeln abzuleiten. Es empfiehlt sich, daß dieselben viel von denjenigen Nahrungsmitteln genießen, welche bekannterweise einen großen Kalkgehalt besitzen. Das sind aber unter den pflanzlichen Nahrungsmitteln die grünen Gemüse, Kohl, Kraut, Salat, Möhren, Zwiebeln etc., ferner alle Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen, unter den tierischen Nahrungsmitteln, sind dagegen Milch und Eier besonders reich an Kalk. Dadurch wird jedoch nicht nur die Erhaltung der Zähne, sondern auch der Knochenbau gefördert. Man trifft ja gerade in kalkarmen Gegenden mit weichem Wasser vorwiegend eine Bevölkerung mit zartem Knochenbau, krummen Beinen und sonstigen Verkrüppelungen. Hygieinisch ist darum, für solche Gegenden eine reichliche Kalkdüngung der Gärten und Gemüseäcker sehr zu empfehlen; ja, es wird geraten, daß kalkarme Orte wenigstens das Brotmehl aus kalkreichen Gegenden beziehen sollten. *     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_427.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)