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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

den am Nordufer der Kanalmündung anlegenden Dampfer verlassend, zunächst unsere Schritte. Der wohlgefügte neu angelegte Quai, der zu dem für Handelsschiffe bestimmten Vorhafen gehört, erstreckt sich in direkt östlicher Richtung bis zu einer bastionartig aufgeschütteten Bodenerhebung, hinter welcher die Uferlinie fast rechtwinklig nach Norden in der Richtung auf Friedrichsort abbiegt. Hart in dem Winkel, am Kanal- und Föhrdeufer zugleich, ist der neue Leuchtturm (s. S. 395) auf der Bastion erbaut, die Einfahrt in die Wasserstraße markierend. Sein Fundament reicht tief durch die Erdaufschüttung hindurch bis auf den ehemaligen Meeresgrund; denn wo heute der Leuchtturm steht, da spülte noch vor vier Jahren der von Südost getriebene Wellenschlag über Muscheln und Seetang an das damals bedeutend weiter zurückliegende Gestade.

  Kanalpartie bei Knoop.

Der Turm wird von seiner Sohle bis zur Spitze der ihm noch fehlenden Lampe reichlich fünfzig Fuß hoch sein und somit die nur drei knappe Kilometer lange Ansegelungslinie vom Friedrichsorter Leuchtturm bis zur Kanalmündung leicht beherrschen. Im übrigen dient er, wie bereits angedeutet, neben seiner nautischen Bestimmung auch monumentalen Zwecken und ist demgemäß ornamental ausgestattet. Steigt man von der erst später freizugebenden, am östlichen Fuß der Bastion in die Kieler Föhrde hinein gebauten neuen Dampferbrücke aus die breite Freitreppe zum Plateau empor, dann sieht man auf gleicher Höhe mit der den breiteren achteckigen Unterbau nach oben hin abschließenden Galerie die Bugfigur eines Wikingerdrachen aus dem Gemäuer heraustreten, der, grimmig gen Norden züngelnd, die breiten Pranken weit auseinander krallt; zwei Delphine, zum Schiffsbug emporschnellend, werden die unter dem letzteren anzubringende Gedenktafel halten. Das ganze Werk, aus Bronze hergestellt, wiegt vierzehn Centner und ist in der Kunstgießerei von Spinn u. Sohn in Berlin angefertigt.

Auf der diesem Schmuckwerk entgegengesetzten südlichen Seite des Hauptgebäudes ist diesem ein kleiner runder Treppenturm angeklebt, in welchem der Aufstieg bis zur Galerie erfolgt. Dadurch wurde es ermöglicht, den ganzen Unterbau für die einfach, aber würdig ausgestattete Gedächtnishalle zu verwenden. Ueber dem von Osten in das Gewölbe führenden Portal ist das Bogenfeld außenseits durch ein Bronzerelief von der Hand des Berliner Bildhauers E. Herter ausgefüllt: zwei charakteristisch entworfene Meerestöchter, die Ostsee und die Nordsee darstellend, welche einander die Hände reichen und somit die Vereinigung beider Meeresteile zu symbolischer Versinnlichung bringen. Von demselben Künstler stammen die drei dem Portal gegenüber im Innern angebrachten Medaillons der am Kanalbau beteiligt gewesenen ersten deutschen Kaiser aus dem Hohenzollernhause, unter deren jedem eine rechteckige Nische noch der Einfügung einer bronzenen Votivtafel harrt und von denen zwei am Tage der Eröffnung enthüllt werden sollen. Nördlich vom Leuchtturm, zwischen diesem und der auf demselben Plateau erbauten freundlich ausgestatteten, mit Veranden rings umgebenen Wartehalle, hat man den Boden für den Schlußstein ausgeschachtet, der ursprünglich in den mosaikartig ausgelegten Estrich der Gedächtnishalle eingefügt werden sollte, nun aber auf persönlichen Wunsch des Kaisers an dieser Stelle in den Boden versenkt werden wird: frei sichtbarlich für die Tausende, welche am 21. Juni in unmittelbarer Nähe des Kaisers auf dem Plateau oder von den westlich und nördlich am Abhang desselben im Ban begriffenen Riesentribünen aus dem feierlichen Akt zuschauen werden. Dieser Bau sowie die Herstellung von nicht weniger als acht, nur für die Ausschiffung der Festgäste bestimmten provisorischen Landungsbrücken hat in den letzten Wochen nahezu tausend Arbeiter in geschäftigster, ein überaus bunt bewegtes Bild darbietender Betriebsamkeit erhalten. Nordwärts pflanzt sich das am Bootshafen wimmelnde Arbeitsleben auf die Baustätte des Lotsenhauses fort, in welchem, ebenso wie in Brunsbüttel, vorläufig zwanzig bereits angestellte und gegenwärtig auf den Panzerschiffen des Manövergeschwaders zwecks Orientierung über deren Manövrierfähigkeit installierte Kanallotsen Station nehmen.

Schwimmbagger bei Sehestedt.

Nahe am Bauplatz sieht man, in drei Blöcke zerlegt, den verwitterten, flechtenbewachsenen Obelisken im Sande liegen, der einst an der Mündung des alten Eiderkanals zum Gedächtnis König Christians errichtet wurde und nunmehr voraussichtlich zu neuen Ehren kommen und auf dem Plateau Aufstellung finden wird, unweit der Drei-Kaiser-Gedächtnishalle an der Einfahrt des neuen Nordostseekanals.

Das südliche Ufer des Vorhafens erstreckt sich – von den Schleusen aus gerechnet – nur ungefähr halb so weit ostwärts zur Föhrde wie das nördliche, um dann plötzlich in spitzem Winkel nach Südsüdwest abzubiegen und hier den 280 Meter

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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil’s Nachfolger, 1895, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_397.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)