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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

und konnte die Herrschaft nicht begleiten, wegen eines Hindernisses in Gestalt von sechs jungen blinden Hündchen, krummbeinig, schwarz mit gelben Handschuhen. „Alinde!“ rief er leise, um sich zu vergewissern.

„Aber Papa,“ lachte Ida, „das ist ja Stropp, der Hund von Doktor Sassens, sie haben gerade drüben an dem Ecktischchen Platz genommen,“ und zugleich nickte sie freundlich nach den Genannten hinüber.

„So, so,“ machte der Geheimrat nachdenklich, „also Stropp heißt dieses Tier. Merkwürdig. Damals hieß er doch Alinde …“



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Zur Geschichte der Brillen.

Von Prof. Dr. Hermann Cohn.

Es ist für jeden denkenden Menschen von hohem Interesse, die Geschichte von Erfindungen, welche der Menschheit Nutzen gebracht, so weit als möglich zurückzuverfolgen. Thun wir das also auch einmal mit den Brillen.

Brillen sind bekanntlich Gläser von linsenförmiger Gestalt.

Es giebt hauptsächlich zwei Arten von Linsen: konvexe oder gewölbte, deren Oberfläche gewölbt ist, und konkave oder hohle Gläser, deren Oberfläche vertieft ist.

Die konvex geschliffenen Gläser verdienen den Namen „Linse“ mit Recht, weil sie die Form einer vergrößerten Linsenfrucht haben.

Man nennt sie auch Brenngläser, weil die Sonnenstrahlen hinter ihnen in einem Punkte vereinigt werden, in dem Brennpunkt, in welchem leicht brennbare Körper, Schießbaumwolle, ein Schwefelhölzchen etc., Feuer fangen. Sie heißen auch Sammellinsen, weil sie die Lichtstrahlen in einem Punkte sammeln.

Die alten Schriften schweigen noch vollkommen über geschliffene Linsen; dennoch gab es solche, und zwar aus Bergkrystall; man hat sie in Ninive und Pompeji bei Ausgrabungen gefunden; es waren Konvexlinsen, die wie alle Brenngläser vergrößerten und offenbar zur Vergrößerung als Lupen benutzt wurden. Aber von Brillen lesen wir nichts, weder im Alten Testament, noch bei den griechischen und römischen Autoren. Nur ein einziger Schriftsteller des Altertums erwähnt eine Brille; das ist Plinius, der erzählt, daß der Kaiser Nero die Gladiatorenkämpfe durch einen Smaragd betrachtet habe.

Die Frage, wie diese Brille des Nero beschaffen war, ist nicht etwa eine Spielerei, sondern von ihr hängt die Entscheidung der Frage ab, ob es überhaupt im Altertum schon Hohlbrillen gab. Man nahm früher an, daß Nero kurzsichtig war, weil Plinius kurz vorher angiebt, daß man die Smaragde hohl schleifen könne. Aber die ganze Stelle ist recht dunkel und hat eine Flut von Schriften seitens der Archäologen, Physiologen, Physiker, Mediziner und Historiker über die Brille des Nero hervorgerufen. Die Untersuchungen von Professor Hörner (Neujahrsblatt zum Besten des Waisenhauses in Zürich für 1885) haben nun aber gezeigt, daß Nero aus drei Gründen gar nicht kurzsichtig gewesen sein kann.

1. sind die Augen der stark Kurzsichtigen meist etwas hervortretend; die vorhandenen 8 Statuen und Büsten des Kaiser Nero beweisen aber im Gegenteil, daß seine Augen sehr tiefliegend waren, der obere Augenhöhlenrand stark hervorragte;

2. blinzeln Kurzsichtige nur dann, wenn sie in die Ferne sehen, niemals wenn sie in die Nähe sehen; die Schriftsteller berichten aber im Gegenteil, daß Nero blinzelte, wenn er nahe Gegenstände betrachtete;

3. sehen Kurzsichtige im Dunkeln immer schlechter als im Hellen, sie sind durchaus nicht lichtscheu; es wird aber im Gegenteil mitgeteilt, daß Nero im Dunkeln besser sah als im Hellen, daß er also lichtscheu war.

Horner folgert daraus, daß Nero nicht kurzsichtig, sondern wahrscheinlich schwachsichtig gewesen sei; er hatte ja auch einen mit Narben bedeckten kranken Körper und hat vermutlich infolge eines Augenleidens seine Lichtscheu zurückbehalten; er hat daher wohl auch den Smaragd nur als Konservationsbrille wegen seiner wohlthätigen grünen Farbe bei den Gladiatorenkämpfen im Theater benutzt.

Dies hat auch schon Lessing vor 100 Jahren richtig vermutet; wer sich dafür interessiert, der findet eine sehr scharfsinnige Erörterung über Neros Brille in dem 45. antiquarischen Briefe in Lessings Werken.

Außer dieser einzigen Notiz giebt es in der Litteratur der alten Völker nicht das Mindeste über Brillen. Vielleicht machen die Chinesen eine Ausnahme; man findet in den Sammlungen uralte chinesische Brillen aus hellem Rauchtopas, die sie wahrscheinlich bei ihren feinen Schriftzeichen schon viele Jahrtausende benutzten. Jetzt sollen alle chinesischen Aerzte ausnahmslos Brillen tragen, und zwar sehr große, gewissermaßen als Erkennungszeichen ihres Standes, ähnlich wie früher jeder Arzt bei uns einen Stock mit großem goldenen Knopfe trug.

Wir müssen nun leider einen großen, ganz unvermittelten Sprung von Plinius bis zum Ende des 13. Jahrhunderts machen. Vor kurzem entdeckte man in Florenz in der Kirche Santa Maria Maggiore eine Inschrift, welche auf deutsch lautet: „Hier liegt Salvino von Armati, der Erfinder der Brillen, Gott vergebe ihm seine Sünden.“ Er starb 1317. Ob er wirklich der Erfinder war, ist nicht ganz sicher festgestellt; denn andere Forscher schreiben die Erfindung dem Mönche Alexander von Spina in Pisa zu, welcher 1312 starb. In einer Predigt äußerte Frater Giordano da Rivalto in Piacenza im Jahre 1305, daß es noch nicht 20 Jahre her sei, daß die Brillen erfunden worden wären. Man muß also ungefähr 1290 als die Zeit der Erfindung bezeichnen; ganz sicher aber wurden die Brillen in Italien erfunden.

Diese allerersten Brillen wurden occhiali da naso, Nasenbrillen, Nasenklemmer, genannt und wurden anfangs sehr merkwürdig vor den Augen getragen. Die Mütze wurde tief bis an die Augenbrauen herabgezogen und nun die Brille mit Häkchen an die Mütze befestigt, damit sie nicht herabfallen sollte. Savonarola hat noch im Jahre 1470 dieses Arrangement als besonders nützlich empfohlen.

Was erfanden denn nun eigentlich jene alten Italiener Armati oder Spina? Sie erfanden verschiedene Nummern von Konvexbrillen für alte Leute und machten sie wahrscheinlich aus Glas, während man sich vorher zur Vergrößerung nur der Berylle bediente. Die Berylle sind Edelsteine und von dem Worte Beryll soll auch das Wort Brille kommen. Hans Sachs spricht auch noch immer von der Paryll. In Frankreich kam im 14. Jahrhundert der Name Bericle oder Besicle für ein einzelnes Leseglas auf; es war dies ein großes Brennglas, in Metall eingefaßt und mit einer Handhabe versehen.

Diese Besicles spielten als Inventarstücke in den Testamenten vornehmer Personen eine bedeutende Rolle. So erwähnt das Testament Karls V. zwei Bericles, „deux bericles, dont l’un a le manche de bois“, und noch im 15. Jahrhundert bezeichnete man in Frankreich die einzelnen Lesegläser als Bericles, im Gegensatz zu den Brillen für beide Augen, welche Lunettes (Möndchen) hießen.

Obgleich also die Brillen schon am Ende des 13. Jahrhunderts erfunden waren, konnten sie sich doch nicht Bahn brechen, da die Fabrikation des Glases in Venedig geheim gehalten und das Geheimnis durch strenge Strafen gesichert war. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts werden plötzlich die Brillen alltäglich, sie werden beschrieben, abgebildet, sogar verspottet; es waren meist Nasenklemmer oder Lorgnetten mit zwei Handgriffen. Die Ursache dieser schnellen Ausbreitung der Brillen um jene Zeit war die Erfindung der Buchdruckerkunst. Durch sie trat an viel mehr Menschen als früher die Notwendigkeit heran, feine Zeichen genau zu sehen, und alle, wes Standes sie auch waren, bemerkten, daß sie zwischen dem 40. und 45. Jahre abends Mühe hatten, bei ungenügender Beleuchtung die Schrift in der Nähe wahrzunehmen. Horner bemerkt sehr richtig: „Wären die Brillen damals noch nicht erfunden gewesen, durch das entstehende Bedürfnis hätten sie um diese Zeit erfunden werden müssen.“ Die Menschen brauchen eben im Alter Brillen zum Lesen, da sie weitsichtig werden. Zur Erklärung diene folgendes:

In der Jugend haben wir bei gesunden Augen das wunderbare Vermögen, nicht bloß in die Ferne, sondern auch in der Nähe gut zu sehen. In unserem Auge befindet sich hinter der Regenbogenhaut eine ganz durchsichtige, wachsweiche Masse von linsenförmiger Gestalt, die man die Krystalllinse nennt, und welche ihre Krümmung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_367.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2022)