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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

aber stellte der alte Herr so kitzliche Fragen und war so unwirsch, daß dem Studenten angst und bange wurde. „O weh,“ dachte er, „heute komme ich auf den Hund!“

Der Herr Geheimrat schien den Gedanken seines Examinanden zu erraten. „Wenn ich nur wüßte, was wir mit dem Hund anfangen sollen!“ brummte er mitten zwischen eine ziemlich verworrene Auseinandersetzung des Studenten.

„Ja, wenn Sie mir das wenigstens sagen könnten!“

Der Student erkundigte sich respektvoll nach der Sachlage. Er glaubte, Alinde sei vielleicht erkrankt, und war fest entschlossen, auf alle Fälle Schwefelblüte vorzuschlagen, das einzige Mittel aus der Hundeheilkunde, welches er kannte.

Der Geheimrat setzte ihm auseinander, um was es sich handle, und rief seiner Tochter, daß sie den fremden Hund heraufbringe. Die Tochter kam, die falsche Alinde lockend, die ihr willig aber vorsichtig folgte, und warf dem Studenten einen Blick ermutigender Zärtlichkeit zu.

„O,“ sagte der Beglückte, „den Hund glaube ich zu kennen. Ich habe ihn mehrmals mit einer Dame in den Promenaden gesehen, es ist, glaube ich, die junge Frau des Doktor Saffen vom Altertumsmuseum. Wenn ich mich einmal in die Wohnung des Herrn Doktors verfügen dürfte – er wohnt draußen hinterm Botanischen Garten –“

„Ach ja, thun Sie das, mein lieber junger Freund,“ sagte der Herr Geheimrat, „thun Sie es gleich, wir können unsere Angelegenheit ja später erledigen, es war ja soweit alles ganz gut – nehmen Sie den Hund gleich mit, nehmen Sie eine Droschke, ich habe ihn auch so hergebracht.“

„Wenn er aber nicht dorthin gehört, so bringen Sie ihn wieder, nicht wahr?“ bat Ida.

„Ich werde auf jeden Fall sogleich Nachricht bringen,“ erwiderte ihr Verehrer mit verständnisvollem Blick.

„Das wäre also die dritte Wagenfahrt heute,“ dachte Stropp der Hund, als er mit seinem neuen Geleitsherrn in der Droschke saß, „nun bin ich gespannt, wohin es diesmal geht.“ Allmählich aber erkannte er befreundete Gefilde und fing an, hoffnungsfroh zu wedeln. Wie ward ihm erst, als der Wagen um den Botanischen Garten bog und im Abendschimmer die heimatliche Stätte vor seinen Augen lag! Mit einem gewaltigen Satze sprang er vor dem Hause seines Herrn über den Wagenschlag, und als Herr und Frau Doktor die Thüre öffneten, gab es einen Auftritt gerührten Wiedersehens, welcher dem Studenten sogleich die Richtigkeit seiner Vermutung bewies.

Während dieser nun aber Bericht erstattete, hatte Stropp der Hund im Hause einen neuen Besuch entdeckt, ein Mitglied seines Stammes, krummbeinig, schlappohrig und schwarz mit gelben Handschuhen wie er. Grimmig knurrend fuhr er auf den Fremdling los, sein Zorn aber legte sich und machte zärtlicheren Regungen Platz, als er merkte, daß er es mit einer Dame zu thun habe.

„Ja, denken Sie sich, wie komisch,“ sagte die Frau Doktor zu dem Studenten, „das Tierchen hat uns der Milchjunge vor ein paar Stunden gebracht. Er hat es draußen auf einem Bauhof gefunden, und weil er meinte, es sei unser Hund, hat er es hierher gelockt.“

„Ich möchte wetten,“ sagte der Student, „daß es des Herrn Geheimrat Hund ist.“

„Wenn das ist, so könnten Sie ihn vielleicht gleich mitnehmen,“ bemerkte Doktor Sassen.

Der Student überlegte, er schien dabei auf einen sehr angenehmen Einfall zu kommen. „Ach,“ meinte er lächelnd, „wenn Sie gestatten, so bitte ich doch lieber den Herrn Geheimrat das Tier erst hier agnoscieren zu lassen. Es ist ja in so guten Händen. Auch weiß ich ja nicht, wie der Hund des Herrn Geheimrat heißt,“ schwindelte er ein bißchen. „Ich glaube Juno. – He, Juno, Juno, hierher!“ rief er dem Teckel zu. Der klappte nur verächtlich mit den langen Hängeohren und setzte seine Unterhaltung mit Stropp fort. „Sehen Sie, am Ende ist er es doch nicht.“

Als der Student wieder vor dem Hause des Geheimrats vorfuhr, erwartete ihn Fräulein Ida vor der Thür. Sie. bat ihn, im Namen ihrer Mama, doch in seinen Bekanntenkreisen über die Hundegeschichte zu schweigen, Papas wegen. Das versprach er natürlich. Im Hereintreten wechselten sie noch leise ein paar Worte – die Droschke hielt noch draußen. Dann gingen sie hinauf. Dem Geheimrat fiel ein Stein vom Herzen, als er hörte, daß der fremde Hund wieder bei den Seinen sei, und er belobte seinen klugen Schüler sehr. „Es ist auch dort ein Hund zugelaufen, ganz wie der andere,“ berichtete der Student, „vielleicht ist es der Ihrige.“

„Ach, Papa,“ bat Ida, „dann möchte ich doch am liebsten gleich ’mal hin und nachsehen. Denk’ ’mal, wenn es unsere Alinde wäre!“

„Wenn ich das gnädige Fräulein hingeleiten dürfte, der Wagen hält noch?“ fragte der höfliche junge Mann, und richtig saßen sie fünf Mannen später in der Droschke und fuhren hinaus nach der Vorstadt. Alinde feierte mit ihrer jungen Herrin ein stürmisches Wiedersehen, nahm aber auch von Stropp zärtlich Abschied, welcher betrübt die Ohren senkte. Dann gingen die Drei durch die laue Juninacht zu Fuß heim, alle sehr zufrieden und zukunftsfreudig.

Ein paar Monate nach diesem ereignisvollen Tage saßen der Herr Geheimrat mit Frau Gemahlin und Tochter im volkreichen Stadtgarten auf der Restaurationsterrasse um eine Pfirsichbowle, und der Student saß auch bei ihnen. Er hatte aber mittlerweile sein Rigorosum bestanden, hieß Doktor und bereitete sich jetzt auf die akademische Laufbahn vor. Im Haufe des Geheimrats war er seit jenem Tage ein häufiger und bei den Damen sehr willkommener Gast geworden. Auch der alte Herr hatte den bescheidenen, netten und gescheiten jungen Mann recht lieb gewonnen, und bereits begannt man in befreundeten Familien zu überlegen, ob man wohl noch in diesem oder im nächsten Jahre dem jungen Doktor und Ida zur öffentlichen Verlobung zu gratulieren habe.

Während die Familie nun so behaglich um die Bowle herum saß, bemerkte der Herr Geheimrat neben seinem Stuhle einen Hund, den er durchaus für seine Alinde halten mußte. Das wunderte ihn, denn seines Wissens lag Alinde zur Zeit daheim

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_366.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)