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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Königin mitsamt dem Hofgesind und dem „Frauenzimmer“, d. i. dem weiblichen Hofstaat, warteten auf einen Abgesandten des Kaisers, der alle Schulden bezahlen und die Königin nebst Gefolge auslösen sollte. Als dieser jedoch immer nicht eintraf, schrieben die Herren vom Hofstaate die dringendsten Briefe an den Kaiser: „Wie schwer aber ihnen ist hie zu bleiben, nachdem sie ganz kein Geld haben und man ihnen auch nichts auf Borg mehr geben will, mag Ew. Majestät wohl ermessen: wir aber, so viel unser hie sein, sehen und greifen das.“ Herzog Albrecht von Sachsen wollte einen Teil der Schulden bezahlen, damit wenigstens „das Frauenzimmer“ ausgelöst würde, „das die Schuldner (Gläubiger) seiner Gnaden abgeschlagen haben, dieweil sein Gnad für alle Schulden, so Ew. Majestät, unser gnädigste Frau Königin und das Frauenzimmer hie schuldig sein, nit gutsprechen hat wollen. Deshalben das Frauenzimmer hie bleiben hat müssen.“ Wolf Herr zu Polheim und Marquart von Breisach schreiben, daß sie „solch Noth, Elend und Armuth in Ew. Majestät Frauenzimmer und am Hofgesind nit länger mögen ansehen“ und sie wegreiten wollten, wenn der Kaiser nicht eilends Geld sende. Nebenbei erwähnen sie, daß des Kaisers Hofmeister, der nach Antwerpen geritten sei, um die Gläubiger zu bitten, noch eine kleine Zeit Geduld zu haben, von diesen in der Herberge durch Stadtknechte festgehalten werde, damit sie Zahlung erhalten. Unter diesen Finanznöten hatte Kaiser Maximilian bis an sein seliges Ende zu leiden und es genierte ihn gar nicht, die 100 Gulden Leibgeding, die er 1515 Albrecht Dürer aus der Nürnberger Stadtsteuer gewährt hatte, auch noch dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen zu verpfänden. Zum Glück für Dürer lebte der Kurfürst in geordneten Verhältnissen und hatte auch so viel Kunstsinn, Dürer nicht zu kurz kommen zu lassen.

Afrikanische Laubfütterung. Als vor zwei Jahren wegen der anhaltenden Dürre in Deutschland Futtermangel herrschte, wurde von verschiedenen Seiten den Landwirten der Rat gegeben, Laub von Bäumen zu verfüttern. Wir haben über diese Vorschläge auch in der „Gartenlaube“ (1893, Nr. 29) berichtet. Heute möchten wir noch als Nachtrag mitteilen, daß es in der That ein Land giebt, in welchem die Viehzucht auf Laubfutter begründet ist. Es ist dies die Insel Ukara im deutschen Teil des großen afrikanischen Sees Victoria-Njansa. Dr. Oskar Baumann, der als erster Europäer diese Insel besuchte, schreibt über deren Einwohner in seinem gehaltvollen Werke „Durch Massailand zur Nilquelle“: „Sie betreiben eine sehr eigentümliche Kultur, welche durch ihre insulare Lage veranlaßt wird. Sie bauen nämlich eine Art Laubbäume als Futterpflanzen für das Vieh: dieselben stehen in förmlichen Alleen. Das Laub wird abgeerntet und in kegelförmigen Schobern getrocknet. Dadurch sind sie in der Lage, große Rinderherden von kleinem Zubuvieh zu halten, obwohl die Insel keine Weideplätze bietet.“ – Da wird man wieder an den alten Spruch Ben Akibas erinnert. Was in Europa heute als Neuerung empfohlen wird, ist im Herzen von Afrika durch die „Wilden“ längst praktisch verwertet worden. *      

Sollen Kinder radfahren? Es hat alles seine Schattenseiten. Man hat solche auch bei dem sonst so gesunden Radfahren entdeckt und spricht und schreibt bereits von „Radfahrerkrankheiten“. Wir wollen auf diese nicht eingehen, denn es sind, genau besehen, Leiden, die infolge jeder Leibesübung eintreten können, wenn man sie übertreibt. Man hat aber auch die Frage aufgeworfen, ob Kinder radfahren sollen. In dieser Hinsicht möchten wir uns der Meinung derjenigen Aerzte anschließen, die wie Dr. A. Winckler davor warnen, Kinder und solche junge Leute, deren Knochenwachstum noch nicht vollendet ist, radfahren zu lassen. Bei ihnen begünstigt diese Art Leibesübung Verkrümmungen der Wirbelsäule und läßt auch Herzleiden zustande kommen. Will man trotzdem ein Kind radfahren lassen, so sorge man wenigstens für eine äußerst leicht gebaute Maschine, deren Maße genau für seinen Körper passen, und dulde nicht, daß es krumm darauf sitze. Außerdem kann auch der Druck, den der Sattel des Stahlrades auf den Körper ausübt, ungünstige Folgen nach sich ziehen. Es hat alles seine Zeit, und so mag auch der Knabe tüchtig laufen, springen und klettern lernen, um dann, wenn sein Körper ausgebildet und gestärkt ist, Maschinen zur Fortbewegung zu benutzen. *      

Die Heimat der Birkenrindenen“. In den ostbayerischen Waldlandschaften hat man eine eigene Art, zu schnupfen. Dort verwahrt der ehrsame Bürger und Landmann seinen Tabak in einer flachen blauen Flasche. Hat er das Bedürfnis nach einer Prise, so schüttet er sich das erforderliche Quantum auf die äußere Fläche der linken Hand zwischen Daumen und Zeigefinger und führt es so zur Nase, ohne sich der Finger zu bedienen. Anderwärts aber ist man der Ansicht, daß man eine richtige Prise nur aus einer Dose nehmen könne. Frankreich, wo man bereits zur Zeit Ludwigs XIII. (gestorben 1643) schnupfte und wo das Schnupfen gewissermaßen zu einem Sport ausgebildet wurde, hatte schon frühe eine förmliche Dosenindustrie, und ein Zweig davon, die Herstellung der Rindendosen, ist mit der Erwerbung Lothringens an Deutschland gelangt. Diese ursprüngliche Fabrikation wird in dem Dorfe Spittel unweit Saargemünd gegenwärtig noch in etwa 7 Werkstätten betrieben, welche mit 20 Personen jährlich 36000 Dutzend Dosen im Werte von 20– bis 24000 Mark erzeugen. Obenan steht die „birkenrindene“ Dose, wovon etwa 7200 Dutzend, meist nach Frankreich, verschickt werden; eine billigere Sorte wird aus Buchenrinde gemacht. Beiden Sorten ist der Lederhenkel gemeinsam, der in der einfachsten Weise mittels eines Knotens am Deckel befestigt wird. Viele Schnupfer bedienen sich mit Vorliebe, wenn nicht gar ausschließlich solcher Dosen. Man findet dieselben auch bei der Landbevölkerung in Süddeutschland ungemein häufig; ihr schlichter Verschluß ist für rauhgearbeitete Bauernfinger weit praktischer als jener der feineren städtischen Dosen.

Abendgesang
Nach einer Zeichnung von Aug. Kraus.

Mittel gegen Sommersprossen. Es giebt wohl kaum einen anderen Schönheitsfehler, der so viele erfinderische Köpfe beschäftigt hat, wie die Sommersprossen. Die Zahl der Geheimmittel, die dagegen helfen sollen, ist erstaunlich groß, und nicht minder zahlreich sind die Hausmittel, die von alten erfahrenen Frauen auf die jüngeren vererbt werden. Viele von diesen Mitteln sind in der That wirksam, leider aber in ihrer Wirkung zweischneidig; werden sie ohne genügende Vorsicht angewandt, so verschlechtern sie die Hautfarbe oder bringen gar einen schlimmeren Schaden hervor. Wir wollen zur Warnung nur ein Beispiel mitteilen, das Dr. P. J. Eichhoff in seinem trefflichen Werke „Praktische Kosmetik für Aerzte und gebildete Laien“ anführt.

Eines Tages kam zu ihm eine junge Dame in die Sprechstunde. Sie hatte sich, um einige Sommersprossen wegzubringen, ein Mittel gegen teures Geld gekauft und gewissenhaft nach Anweisung jede einzelne Sommersprosse mit der Tinktur betupft. Diese, eine zu starke Sublimatlösung, hatte allerdings die Sommersprossen weggeätzt, aber an Stelle einer jeden derselben nun große, runde Geschwüre gesetzt, welche heftige Schmerzen verursachten und nach der Heilung Narben zurückließen, so daß die junge Dame aussah, als hätte sie die Blattern gehabt. Wer ein Hautwasser oder eine Schönheitssalbe anwendet, deren Zusammensetzung ihm nicht bekannt ist, setzt sich ähnlichen Gefahren aus. Selbst wenn er ein „wirksames und unschädliches“ Geheimmittel kauft, ist er in der Regel geschädigt, denn er muß den hochklingenden Titel und die teuren Reklamekosten mitbezahlen. Es dürfte darum für manche unserer Leserinnen von Wert sein, Mittel kennenzulernen, die gegen Sommersprossen helfen und die man sich für billiges Geld selbst bereiten kann. Nur wollen wir bei unserer Mitteilung ehrlich sein und von vornherein erklären, daß es kein Mittel giebt, durch welches Sommersprossen ein für allemal vertrieben werden. Der Schönheitsfehler kann nur für eine bestimmte längere oder kürzere Frist beseitigt werden; wer Anlage und Neigung dazu hat, muß darauf vorbereitet sein, daß die gelben Flecken sich wieder einstellen.

Das mildeste und zugleich unschädlichste Mittel ist nun der Borax. Man nimmt 15 g Borax und löst ihn auf in 20 g Kölnischem Wasser und 130 g destilliertem Wasser. Mit diesem Waschwasser reibt man täglich verschiedenemal die mit Sommersprossen behafteten Stellen des Gesichts ein. Es wirkt allerdings langsam, kann aber ohne Schaden so lange fortgebraucht werden, bis der Erfolg eingetreten ist. Zeigen sich die Sommersprossen wieder, so beginnt man mit den Einreibungen von neuem.

Dem Borax kann man auch Pottasche (kohlensaures Kali) zusetzen; man erhält alsdann die sogenannte Lilionèse, für die es mehrere Vorschriften giebt. Wer sie bereiten will, braucht nur 15 g Borax und 5 g kohlensaures Kali in je 80 g Rosenwasser und Kölnischem Wasser aufzulösen. Dieses Mittel reibt man des Abends in die Haut ein und wischt es morgens trocken ab. Vielfach wird dieser Mischung noch präparierter Talk zugesetzt, etwa 5 g auf die oben angegebene Menge. Dieser wirkt als weißes Schminkmittel mit, indem er die Haut undurchsichtiger macht und die Sommersprossen verdeckt.

Zu anderen, kräftiger und rascher wirkenden Mitteln sollte man auf eigene Hand nicht greifen, sondern nur unter ärztlicher Leitung. Denn selbst bei Benutzung sogenannter Hausmittel, wie grüne Seife, Essigsäure und Schwefelblumen, kann man sich leicht Hautentzündungen zuziehen, die viel schlimmer sind als der Schönheitsfehler, den man beseitigen wollte.


Inhalt: Haus Beetzen. Roman von W. Heimburg (5. Fortsetzung). S. 309. – Die Suggestion im Dienste des Aberglaubens. Von C. Falkenhorst. S. 312. – Die Jungfraubahn. Von S. Simon. S. 316. Mit Abbildungen S. 316 und 317. – Hugo Vogels Geschichtsbilder im Berliner Rathaus. Von Georg Buß. S. 318. (Zu den Bildern S. 309, 313 und 321.) – Schwester Brigitte. Novelle von Otto von Leitgeb (3. Fortsetzung). S. 319. – Blätter und Blüten: Spargelgrün. S. 323. Die deutsche Volksdichterin Katharina Koch. S. 323. – Das schnellste Schiff der Welt. S. 323. – Ein hoher Schuldner. S. 323. – Afrikanische Laubfütterung. S. 324. – Sollen Kinder radfahren? S. 324. – Die Heimat der „Birkenrindenen“. S. 324. – Mittel gegen Sommersprossen. S. 324. – Abendgesang. Bild. S. 324.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_324.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2023)