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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Nr. 15.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
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Haus Beetzen.

Roman von W. Heimburg.

     (1. Fortsetzung)

Ditscha schläft nicht diese Nacht.

Hans von Perthien reitet gedankenvoll auf der finsteren Chaussee; Herr von Kronen hat ihm einen Knecht mitgegeben bis über den Bruch hinaus, damit er, der hier Weg und Steg nicht kennt, wenigstens erst die Chaussee erreicht, ohne sich zu verirren. Glücklich auf der Landstraße angelangt, sieht er von fern Lichter schimmern und erfährt, daß dort Bützow liegt, und daß er an der Kreisstadt ziemlich dicht vorbeireiten muß, um nach Uechte zu gelangen; er beschließt – die Nacht ist nun einmal angebrochen – einen Schoppen im Gasthof „Zur Stadt Hamburg“ zu trinken, denn nach den paar Gläsern Rheinwein und dem Kuchen ist ihm etwas weichlich zu mute.

Er giebt dem Knecht eine Cigarre, reitet der Stadt zu und, nachdem er sich in den dunklen Straßen erkundigt hat, direkt vor den Gasthof, in welchem die Honoratioren verkehren. Er muß irgend etwas Näheres über die von Kronens erfahren; Ditschas lieblich trauriges Gesicht hat ihm gefallen, aber natürlich, wenn nicht auch Klingendes dahinter steckt, wird er sich hüten! Reich heiraten muß er, sonst kann er das Gut nicht halten, sein Alter reißt immer ein Loch auf, um das andere damit zu verstopfen. Schnöde Zeit für einen angehenden Landwirt, Privatschulden obenein und allerhand kostspielige Passionen dazu; diese verdammten Schulden in Halle, sie verbittern ihm das Leben nicht schlecht.

In der räuchrigen niedrigen Gaststube mit den Petroleumlampen unter der Balkendecke sitzt eine ganze Anzahl Herren, zumeist „Bierphilister“, sagt er sich. Nebenan wird Billard gespielt. Die hochblonde Kellnerin mit sommersprossigem Gesicht und blendend weißer Schürze, die Bier an seinen einsamen Tisch bringt, erzählt ihm, daß die Herren dort drüben vom Gericht und ein paar Volontäre aus Uechte seien.

„Reeden und Timpe“ – denkt er – „das wäre möglich“, und richtig, als er eintritt, erblickt er sie als Zuschauer am Billard.

„Perthien – so spät noch?“ fragen sie.

„Von Beetzen,“ antwortet er. Er läßt sich vorstellen und wiederholt nochmal: „Von Beetzen!“

„Abgeblitzt, natürlich?“ fragt ein Referendar. „Sehr bedauert – Karte abgegeben?“

„I! Gott bewahre!“ erwidert er gedehnt.

„Eingedrungen in die Beetzener Hallen?“ rufen Zwei zugleich verwundert.

„Allerdings!“

„Da müßen Sie ein Zauberwort besitzen, um diese Schwelle zu überschreiten.“

„Wie haben Sie es denn angefangen, den alten Höhlenbären zu zähmen?“

„Wie geht es der schönen Sophie?“ – So fragt man durcheinander.


Torquato Tasso im Jahre seines Todes.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_241.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2023)