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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Burg Tittmoning.       Blick von Nunreuth in das Salzachthal mit Tittmoning.       Stadtthor.
Ansichten von Tittmoning.

Salzburger Gebiet bis hart an das Ostgestade des Chiemsees und an die Ufer der Alz heran und erst im Norden griff das bayerische Herzogtum weit über die Salzach herüber. Darum machen sich in den noch reichlich im Gau vorhandenen, aus Altväterzeit stammenden künstlerischen Werken, insbesondere in Bau und Zier der Kirchen, die Einwirkungen von Salzburg als Mittelpunkt des geistlichen und weltlichen Regimentes geltend, in den Bauwerken romanischen Stiles sind sogar von daher übermittelte lombardische Einflüsse bemerkbar und die dort zu hoher Blüte gediehene spätere Gotik hat in gar manchem Gotteshause das eine oder andere reizvolle Gebilde hinterlassen. Von Salzburg aus wurden auch zwei charakteristische italienische Bauformen in die Städte an der Salzach überliefert, wie drüben am nahen Inn von Innsbruck her: die Bogengänge („Lauben“) im Erdgeschosse der alten Häuser und die breiten Fassaden an ihren Giebelfronten, deren Fläche in einem hohen geradlinig abgeschnittenen Maueraufsatze das Schindeldach derart überragt, daß man Gebäude mit flachem welschen Dache vor sich zu haben glaubt.

Die Salzach führte in römischen Zeiten einen Doppelnamen keltischer Wurzel: Ivaro oder Igonta, auch Isonta. Ihr deutscher Name, die „Ach“ (d. i. das Gewässer), welche das „Salz“ auf ihrem Rücken trägt, kennzeichnet sie als die Lebensader des Gaues, in welchem das aus den Lagern des Dürenberges bei Hallein und aus den Quellen von Reichenhall gewonnene Salz den wichtigsten wirtschaftlichen Faktor bildet; zweifellos, reicht die Benutzung der Wasserstraße für den Salztransport weit in das graue Altertum zurück, denn die Kelten haben bereits jene Werke ausgebeutet. Im Mittelalter bestand eine genau bis in die kleinsten Einzelheiten geregelte Organisation des Schifferwesens mit dem Sitz zu Laufen, die in ihren Hauptzügen bis zum Uebergang Laufens an Oesterreich (1806) bestehen blieb.

Die Wandelung, welche zu moderner Zeit in den Verkehrswegen sich vollzog, insbesondere die Anlage von Eisenbahnen, hat die einst so blühende Schiffahrt auf der Salzach fast völlig vernichtet, nachdem schon die Neuordnung der politischen Verhältnisse im Anfange des Jahrhunderts den Salzachstädten die schwersten Schäden zugefügt hatte. Das 1810 bayerisch gewordene Salzburger Gebiet auf dem rechten Salzachufer mußte 1816 an Oesterreich abgetreten werden und seitdem teilen die regsamen Städte Laufen und Tittmoning das Los ihrer Schwesterstadt Burghausen: Grenzorte zu sein, ein Geschick, das Burghausen allerdings schon 1779 durch den Teschener Frieden erfuhr. So stehen die politischen Grenzmarken an den Ufern der Salzach und die Zollschranken unterbinden die Lebensader des Gaues, eine Fügung, über welche die genannten Städte bitter klagen, denn die Einbuße der Hälfte ihres Hinterlandes haben sie bis zum heutigen Tage noch nicht überwunden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_193.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)