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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Wenn Hänschens Erziehung noch bis zum feinsten Schliff vollendet werden sollte, so wurde es Zeit, die Sache ernstlich in Angriff zu nehmen. Der Kursus der Kriegsschule stand nämlich stark im letzten Viertel und der Moment damit bevor, da sich Herr von Soten aus der immerhin noch bescheidenen Fähnrichsrange zum glänzendsten Schmetterling in Lieutenantsuniform verwandeln sollte.

In diese letzte, schmerzlich schöne Zeit, in der die Besuche des Fähnrichs so mit dem doppelten Hochgenuß des vor-vor-vor-vorletzten Males durch- und ausgekostet wurden, fiel auch Hänschens Geburtstag – der sechzehnte!

In Anbetracht der besonderen Verhältnisse und der wirklich vorzüglichen Leistungen des Fähnrichs „als Erzieher“ war darum im Rate der Eltern beschlossen worden, diesen großen Tag durch ein bescheidenes Tanzfest zu begehen, welches in schöner Mischung erwachsener und kindlicher Elemente schon einen leisen Uebergang zu künftigen Bällen darzustellen hatte und zugleich dem Fähnrich Gelegenheit geben sollte, in der Eigenschaft eines Vortänzers sein Licht leuchten zu lassen. Er nahm die Aufgabe, seinen Ballerfahrungen im Kadettenkorps entsprechend, mit ruhiger Würde entgegen und versprach, sie mit glänzender Sicherheit durchzuführen.

Dem Assessor hätte man ein so frivoles Amt nicht zuzumuten gewagt – um so mehr, als die tanzende Jugend, wie gesagt, mit wenigen Ausnahmen im Alter von sechzehn bis achtzehn Jahren stand und außerdem Terpsichore nicht zu den Gönnerinnen des Hausfreundes gehörte.

Der Fähnrich, dem sein erlangtes Uebergewicht über den gereifteren Rivalen nicht wenig schmeichelte, hatte sich sogar schon eine perfide Bemerkung über dessen mangelhafte Leistungen in dieser Hinsicht gestattet. Er erkundigte sich – natürlich in Abwesenheit der kritisierten Hauptperson! – wo der Assessor wohl Tanzstunde gehabt hätte, und fand, daß er sich das Lehrgeld wohl wiedergeben lassen könnte, machte sogar den unfreundlichen Vergleich. „Der Assessor tanzt wie eine lebendige Feuerzange“ und legte überhaupt mehr und mehr einen betrübenden Mangel an Ehrfurcht vor dem Hausfreund an den Tag.

Kurz, der Fähnrich sollte Tanzordner sein! Hänschen, bei der diesmal der Wunsch. „Nichts zum Anziehen!“ gebührendermaßen durch das glühende Verlangen nach einem neuen Kleide verdrängt worden war, sah denn ihren sechzehnten Geburtstagstisch mit einem weißen Gewande und einer rosa Schleife geschmückt und stand, um das neue Lebensjahr würdig zu beginnen, von früh an mit zwei Spiegeln umher, in denen sie sich von vorn, von der Seite und von hinten betrachtete, um den möglichen Effekt auf die Seelenruhe des Fähnrichs auszustudieren.

Zu ihrer Ehrenrettung wollen wir dabei nicht verschweigen, daß sie auch flink und zierlich bei den Vorbereitungen zum Feste half und – ein erneutes Zeichen mädchenhafter Würde - nicht bat, die Gläser der eingekochten Früchte „auskratzen“ zu dürfen, eine Bevorzugung, um die noch vor einem Vierteljahr blutige Kämpfe zwischen ihr und Karl entbrannt waren.

Der Geburtstag war so liebenswürdig gewesen, auf einen Sonntag zu fallen, daher nicht allein für Hänschen der Besuch der oft verwünschten Selecta fortfiel, sondern auch – was eigentlich in erster Linie hätte erwähnt werden müssen! – der Fähnrich seinen Urlaub bis elf Uhr ausdehnen durfte – eine immerhin noch solide Stunde, derenthalben der Beginn der Festlichkeit schon auf halb sieben angesetzt war.

(Schluß folgt.)


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An den Ufern der Salzach.

Von Hugo Arnold.
Mit Bildern von Richard Püttner.

Die smaragdgrüne Salzach, das wilde Kind der Berge, verläßt beim Austritt aus dem weiten Salzburger Becken die Zone des Hochgebirges und flutet dem ihr aus Westen entgegenströmenden Inn durch eine lachende Landschaft zu. Die anmutigen Höhenzüge und die rundlichen Kuppen derselben bilden die Hinterlassenschaft der riesigen Gletschermassen, die in unvordenklicher Zeit von den Kämmen der Tauern herab sich bis hart an den Inn, bis in die Burghausener Gegend erstreckten. Durch das liebliche Hügelgelände hat sich die Salzach ihren Weg gebahnt; von dem großartigen Salzburger Kessel ab verengt sich ihr Bett zu einem tiefen Hochlandsthale zwischen steilen Hängen von Laufen bis Friedorfing, dann weitet es sich um Tittmoning abermals zu einem offenen Becken, hinter dem die Uferhöhen sich wiederum zu einer engen, nicht einmal einem Fußpfade Raum gewährenden Schlucht bis Burghausen zusammenschließen.

Laufen.

Weitab liegt heute die Gegend vom großen Verkehre, denn die beiden von der bayerischen Hauptstadt nach Wien führenden Schienenstraßen nach Salzburg und nach Braunau streifen sie nur an ihren Rändern; erst in der letzten Zeit hat man eine Lokalbahn von der Salzburger Linie weg nach Tittmoning gebaut und in Bälde wird von Mühldorf ab eine Flügelbahn zu dem verödeten Burghausen führen. Darum suchten bisher nur wenige wanderlustige Touristen die hohen landschaftlichen Schönheiten und die geschichtlichen Denkstätten des idyllischen Landstrichs auf, den all’ die dem Alpenvorland eigenen Reize schmücken: der Atem des Hochgebirges, den der brausende Bergfluß mit seinen Wellen hinausträgt in die Ebene, die grünen Matten und reichen Fluren der Thalungen, die dunklen Wälder auf den Hügeln, die blinkenden stattlichen Gehöfte der „Einöden“ unter dem Laubdach ihrer Gärten und nach Süden hin die den Horizont säumende, in blauem Duft verschwimmende Kette der Alpen, überragt von den in blinkender Firnenpracht erstrahlenden Hochgipfeln und Häuptern, während fern im Norden der von den Höhen aus suchende Blick den malerischen Linien des Bayerischen und des Böhmerwaldes begegnet.

Und wenn du den Inn überschritten hast und am Chiemsee vorbei gegen Osten fährst, so ist es, als ob dir andere Lüfte ins Antlitz wehten. Hüben wie drüben sitzt zwar bajuvarisches Volk, wie ehedem dort keltische Stämme hausten, aber der Inn trennte zur Römerzeit die rätische Provinz vom norischen Reich und zahlreicher als anderswo haben im Chiem- und Salzburggau sich Reste romanischer Kultur durch die Stürme der Völkerwanderung gerettet. Schon von mittelalterlicher Zeit an reichte ferner das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_192.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)