Seite:Die Gartenlaube (1895) 109.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Ebenholz), mit welchem später der Körper des Instruments um des schöneren Aussehens willen belegt wird, zum möglichst vollständigen Austrocknen gebracht. –

In der Tischlerei.

Sind aus den so vorbereiteten Tafeln der flache Boden und die sanft gewölbte Decke hergestellt worden, so werden sie durch die niedrigen aufrechtstehenden Holzleisten, die „Zargen“, miteinander verbunden, wodurch das „Corpus“ entsteht. Diese „Körper“ werden dann wieder bis zur Ausfertigung des Instrumentes dem natürlichen Lufttrockenprozesse unterworfen, worauf mit der Bohrmaschine die Löcher für die Stimmnägel eingebohrt werden. Um das Instrument zu vollenden, wird das Griffbrett auf der geraden Seite des Corpus glatt angeleimt, auf demselben die Einteilung nach Tönen und Halbtönen vorgenommen – die heikelste Arbeit beim Ganzen – die „Bünde“ werden eingesetzt, die Zither poliert, mit Stimmnägeln versehen und endlich mit Saiten bespannt. Es vergehen oft 10, 20 und mehr Jahre, ehe das als einfaches Spaltholz in die Fabrik eingelieferte Material zu kunstvollen Instrumenten verarbeitet das Haus des Meisters verläßt. Auch ist durch diese umständliche Prozedur erklärlich, warum die Firma Kiendl in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens nicht mehr als 25 000 Zithern geliefert hat. Die schon mehrfach erwähnten Bünde weisen noch eine Eigentümlichkeit auf, die einer näheren Darlegung wert erscheint. Da nämlich die Ganz- und Halbtöne bei den verschieden dicken Melodiesaiten nicht genau nebeneinanderliegen, es aber wünschenswert ist, daß die Bünde senkrecht zur Richtung der Saiten über die ganze Breite des Griffbrettes reichen, hat Kiendl die Bünde von den höheren gegen die tieferen Saiten zu geneigt konstruiert, so daß die dickeren Saiten tiefer herabgedrückt werden als die höheren.

Das Material, aus dem die Saiten hergestellt werden, ist teils Metall, Stahl, Messing, oder eine eigene Legierung („Komposition“), teils Darm, teils übersponnene Seide. Die Begleitungssaiten sind von der letzteren Art. Sie werden aus äußerst feinen Naturseidenfäden – je nach der Stärke aus wenigen oder vielen – zusammengelegt und dieser Seidenkern wird sodann mit Kupfer- oder Silberdraht übersponnen. Die Abbildung zur Rechten veranschaulicht diesen Vorgang. Welche Menge von solchem Draht sich auf einer Zither befindet, mag man daraus ersehen, daß die dünnste Saite der Konzertzither von etwa 60cm Länge zur Ueberspinnung eine Drahtlänge von ungefähr 15 Metern erfordert, wobei sich der Draht etwa 7000 mal um den Seidenkern windet.

Einbohren der Löcher für die Stimmnägel.

Die Zahl und Stimmung der Melodie- und Begleitungssaiten ist nicht gleich. Verschiedene Fabriken, verschiedene Zithermeister sind darüber verschiedenster Ansicht, und es hat gerade dieser mit der Harmonie in so naher Beziehung stehende Punkt manche Disharmonie in den betreffenden Kreisen hervorgerufen. Kiendl liefert Zithern mit „Wiener Stimmung“ (a d g e C) und solche mit „Münchener“ oder „Berliner Stimmung“ (a a d g C), erstere mit 31, letztere mit 33 Begleitungssaiten.

Ein Wort noch über die Leistungsfähigkeit der Zither, einen seit jeher vielumstrittenen Punkt. Während ihr die einen alles Mögliche, ja, noch lieber, alles Unmögliche zutrauen, wollen die andern ihr schier die Daseinsberechtigung absprechen. Keines von beiden dürfte richtig sein. Wer der Meinung ist, man könne Beethovensche Sonaten oder Symphonien ungestraft auf die Zither übertragen, überschätzt das Instrument. Die ganze Konstruktion widerstrebt der Wiedergabe komplizierter, polyphoner Tonwerke, der kurze Ton, die durch nichts zu verändernde Klangfarbe stellen sich den wichtigsten Anforderungen solcher Werke entgegen. Daß ein Zithermeister sogar den Versuch wagte, Wagners „Tristan und Isolde“ für die Zitherlitteratur zu gewinnen, zeigt nur, daß auch gut in die Sache Eingeweihte vor Verirrungen nicht sicher sind. Als Instrument der Gemütlichkeit aber, als Organ zur Wiedergabe einfacher Volksweisen, namentlich älplerischer Lieder, zur Begleitung einfachen Gesanges eignet sich die Zither ganz besonders, und darauf sollte immer hauptsächlich Rücksicht genommen werden. In jede Dachkammer, wo niemals ein Klavier Platz fände, ins waldferne Jägerhaus, in die Alpenhütte läßt sich leicht die Zither mitnehmen und mit ihr ein Quell der Behaglichkeit, der Freude. Mit der eigentlichen Heimat der Zither, dem Gebirge, hängt auch ihre beste Kraft zusammen. Das freundliche, anspruchslose Instrument sollte sich seiner Herkunft nie schämen. Künsteleien entstellen dasselbe und machen aus dem gesunden, einfachen Kind der Berge einen – Salontiroler. J. E.     

Das Umspinnen der Saiten.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_109.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2023)