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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Erinnerung ließ sie im Stich, es kann so rasch, es war so unvermutet und so überwältigend schön.

Cornelius Röder wußte nur, daß das junge Weib in seinen Armen leise schluchzte und daß, als er sie bat und immer wieder bat. „Weine nicht, Liebling, weine nicht!“, sie endlich mit ihrer weichen zitternden Stimme sagte: „Laß’ mich doch! Es sind Freudenthränen!“

Wann es über sie gekommen sei? Sie wußte es nicht zu sagen, bald jedenfalls, sehr bald. Und ob sie ihn so lieben könne wie er sie? Mehr, viel mehr! Und ob sie ihm glaube, daß er alles, alles thun werde, um sie glücklich zu machen, daß er ihr jeden Wunsch erfüllen wolle? Sie habe nur einen einzigen Wunsch – immer, immer in „Buen Retiro“ und immer bei ihm zu sein.

Nach all’ den lärmvollen unruhigen Tagen – welch schönes, stilles Verlobungsfest! Nur der Mond, der silberblaß über den nachtschwarzen Baumwipfeln stand, sah ihnen zu, wie sie einander küßten, und hörte die leisen zärtlichen Worte, die eines dem andern sagte.

Von den Fremden sollte es vorläufig niemand erfahren, es wäre ihnen beiden wie eine Entweihung erschienen. In zwei Tagen sollte Gabriele abreisen, einstweilen zu ihrem Vormund in Brüssel – die andern würden mit ihr die Villa verlassen – und erst von Brüssel aus sollte die Welt ihr Glück hören. Bald, bald wollte Cornelius seiner Braut dorthin folgen, und eine kleine stille Hochzeit sollte es geben.

Arm in Arm gingen sie endlich an jenem Abend nach der Villa zurück, aber es dauerte sehr lange, bis sie dahin kamen. Unterwegs kam ihnen Mamsellchen entgegen, von Besorgnis um ihren Doktor getrieben, und sie erfuhr das große Geheimnis und gebärdete sich wie unsinnig vor Freude. Lachen und Weinen in einem Atem, und Handküsse und Umarmungen, Beteuerungen, keiner lebenden Seele ein Wort zu verraten, Beschwörungen, die „junge Frau“ solle ihren Cornelius glücklich machen, denn solch’ einen Mann fände sie auf der ganzen Erde nicht mehr und so gut wie Mamsellchen kenne ihn doch keines, Fragen, ob die „Gesellschaft“ nun endlich abziehen werde, und großes Frohlocken, als die Antwort bejahend lautete. Und zuletzt zog die treue Seele sich in ihr Zimmerchen zurück, um sich da gründlich auszuweinen, und das Brautpaar blieb draußen vor der Villa zurück.

Da stand das Haus, schön und still im Mondenschein, von weißem feierlichen Licht übergossen. Die dunkle Umrahmung von Bäumen und Gebüsch hielt es wie mit grünen Armen umfangen, seine hellen Fenster blitzten gleich freundlichen Augen, und das Wetterfähnchen hoch oben auf dem Aussichtsturm glänzte wie Silber. Ueber dem Portal die Inschrift aber leuchtete wie eine Verheißung reinen stillen Glücks zu den Liebenden nieder.

„Buen Retiro!“

Die Zither und ihre Herstellung.

Mit Abbildungen von M. Ledeli.

Im deutschen Hochgebirg, in den Dörfern und Almhütten der deutschen und österreichischen Alpen ist von alters her ein Saiteninstrument heimisch, dessen Klang in uns Städtern wie mit Zaubermacht die Poesie des ursprünglichen frischen Lebens da droben heraufbeschwört. Unsere Vorliebe für die Alpenwelt ist auch der Zither zu gute gekommen; mit den Liedern unserer Gebirgsbauern ist auch sie überall in deutschen Landen zu großer Volkstümlichkeit gelangt; in jeder größeren deutschen Stadt giebt es Zithervereine, in denen das Spiel auf diesem Instrument mit Begeisterung gepflegt wird; wie es klingt, wie es aussieht, ist jedermann bekannt.

So wird auch vielen willkommen sein, einmal im Zusammenhang etwas von der Geschichte und der Herstellungsweise der Zither zu erfahren.

Was ihr Alter betrifft, so geht es dem bäuerlichen Instrument wie den Bauern selbst mit ihren Stammbäumen. Auch der Bauer hat eine Ahnenreihe, die ununterbrochen in die Vergangenheit zurückreicht, aber es fehlen ihm die geschichtlichen Aufzeichnungen, auf die sich der Adel für seine Vorfahren berufen kann. Unter den Musikinstrumenten, deren Anfänge bis zu den ersten Regungen menschlicher Kultur hinaufreichen, haben Harfen und Flöten den verbürgtesten Stammbaum. Die Zither – obgleich eine Verwandte der „königlichen“ Harfe – gestattet eine strenge Zurückverfolgung ihrer Ahnen nur auf ein paar Menschenalter, obwohl anzunehmen ist, daß sich die Entstehung ihrer heutigen Form langsam und stufenweise vorbereitet hat. Zweifellos ist nur das Eine, daß der Name „Zither“ weit älter ist als das Instrument, welches heutzutage denselben führt.

Wir folgen dem hervorragenden Kenner auf dem Gebiete der Geschichte der Musikinstrumente, dem Kustos der Instrumentensammlung der königlichen Hochschule für Musik in Berlin Oskar Fleischer, um kurz darzulegen, was die Forschung uns über das Verhältnis der Zither zu ihrem Namen zu sagen hat.

Unter Cithara verstand das Mittelalter ein Musikinstrument mit wagerecht liegendem Resonanzboden und darüber gespannten Saiten, die von oben her angeschlagen wurden. Der Name war dem Griechischen entlehnt und wurde im Laufe der Zeiten mehreren verschiedenartigen Saiteninstrumenten in mannigfacher Umgestaltung beigelegt. Im Griechischen gab es zwei Formen: kitharis und kithára. Erstere ward zu cithara und im Deutschen zu Zither, letztere im Französischen zu Guitarre. Wie zwei Sprachformen, so liegen auch zwei Instrumentenformen den Zitherarten zu Grunde. Die eine geht zurück auf ein geradliniges, die andre auf ein Instrument mit fast kreisförmigem Schallkörper. Die geradlinige Form liegt deutlich vor im Scheitholt, einem schon im 16. Jahrhundert sehr volkstümlichen Begleitinstrumente, aus welchem sich die bayerische, heute in Deutschland fast allein gebrauchte Zither mit ihren mannigfachen Abarten entwickelt hat. Die andre, die runde Form, die altdeutsche Zither, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch die romanische Guitarre und diese durch die bayerische Zither verdrängt.

Als kennzeichnende Eigenschaften hebt Fleischer hervor den wagerecht liegenden Resonanzboden und die der Hauptsache nach geradlinige Form. Außer diesen Merkmalen sind für die heutige Zither noch bezeichnend: einmal die Trennung der Saiten in eine kleinere Gruppe von Melodie- und eine zahlreichere Gruppe von Begleitungssaiten und ferner die Einteilung des unter den Melodiesaiten liegenden Griffbrettes durch sogenannte „Bünde“. Unter „Bünden“ aber versteht man kleine, senkrecht zur Richtung der Saiten angebrachte Metallstege, welche, nach Halb- und Ganztonentfernungen angeordnet, beim Niederdrücken der Saite eine Verkürzung derselben, entsprechend einer bestimmten Tonhöhe, bewirken. Also nicht der Finger, wie bei der Violine und andren Streichinstrumenten, sondern dieser „Bund“ bestimmt den Punkt, an welchem die Saite fixiert und dadurch in Länge und Ton verändert wird.

Faßt man all das ins Auge, so ist leicht einzusehen, daß sämtliche vermeintliche Vorläufer der Zither mit diesem modernen Instrumente in äußerst loser Verbindung stehen. Mit etlichen guitarrenartigen Musikwerkzeugen hat die Zither nur die Begrenzung des Schallkastens durch zwei parallele Hauptflächen und

die Verwendung der „Bünde“, mit dem Hackbrett (das eine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_107.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)