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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Stadt hängt man ihnen zudem noch einen zweiten Wagen an. Während eines Tages durchläuft der Wagen 135 Kilometer. Unterhalb der Sitze eines vollständig mit den Bewegungsmaschinen ausgerüsteten Fahrzeuges befindet sich eine Accumulatorenbatterie, die aus 108 Zellen besteht. Sie wiegt mit allem Zubehör 2760 Kilogramm. Die Anlage in Paris ist deshalb besonders bemerkenswert, weil sich die Strecke bald senkt und bald hebt, also ungünstigen Bedingungen zu genügen hat.

Der Spürsinn der Elektriker hat übrigens versucht, aus dieser Schwierigkeit wiederum einen Vorteil zu gewinnen. Rollt der Wagen einen Berg hinunter, dann ist die Dynamomaschine unbeschäftigt. Sie empfängt durch die Drehung der Triebräder Bewegung, kann also Strom erzeugen und hierdurch wiederum die Accumulatoren laden. Doch das ist vorläufig noch Projekt! Am bedeutungsvollsten bei allen Neueinführungen dieser Art ist ihre wirtschaftliche Seite. Bei der Pariser Bahn ist das finanzielle Ergebnis ein sehr günstiges. Für den Kilometer betragen die Kosten im elektrischen Betriebe 4,24 Mark gegen 4,48 Mark beim Pferdebetrieb. Der Pferdebetrieb der Allgemeinen Omnibusgesellschaft in Paris beträgt sogar 4,8 Mark für den Kilometer. Die Folge ist, daß der Fahrpreis für die mit Accumulatoren betriebenen Fahrzeuge sich verhältnismäßig sehr niedrig stellt, und zwar 8,8 Pfennig für den Kilometer und die Person. Die Pferdebahn nimmt für die gleiche Strecke 12 Pfennig. Innerhalb der französischen Hauptstadt werden jährlich durch die Pferdebahn etwa 50 Millionen Kilometer befahren. Mit Accumulatorenbetrieb würden sich die Jahreseinnahmen somit um zwei Millionen Mark erhöhen.

Auch in Berlin ist man gegenwärtig mit Versuchen beschäftigt, um zu ermitteln, ob sich der Accumulatorenbetrieb für deutsche Verhältnisse eignet. Die Versuche sind gut ausgefallen; hoffentlich wird die Reichshauptstadt mit der Einführung von Accumulatorenbahnen den deutschen Städten mit gutem Beispiel vorangehen.

Durch den Accumulator ist das Fahrzeug von der den elektrischen Strom erzeugenden Station gelöst und es wird nunmehr auch möglich sein, einzelne Wagen, die etwa unseren Droschken, dem Omnibus, dem Kremser ähneln, den Antrieb durch Accumulatoren zu verleihen und sie damit unseren Wünschen entsprechend in ein mechanisch getriebenes Fahrzeug umzugestalten. In der That sind denn auch bereits in London und anderen Städten elektrisch betriebene Omnibusse in Betrieb.

Von ähnlicher Bedeutung wie die elektrischen Eisenbahnen sind die elektrisch betriebenen Boote. Diese Fahrzeuge, welche in größerer Menge auf der Weltausstellung in Chicago, aber auch schon auf der Elektrischen Ausstellung in Frankfurt a. M. vorgeführt wurden, haben gezeigt, daß sie reif sind, jede Konkurrenz auszuhalten. Die Einrichtung eines solchen Fahrzeuges weicht nicht viel von derjenigen der elektrisch bewegten Wagen ab. Auch hier haben wir eine Dynamomaschine, die als Motor wirkt und deren Anker direkt mit der Schiffsschraube in Verbindung steht. Eine entsprechend große Batterie von Accumulatoren liefert den Strom zur Bewegung des Motors. Genau betrachtet, sind die „Sammler“ für den Bootsbetrieb ganz besonders geeignet. Sie dienen zugleich als Ballast und können in jeder gewünschten Form Aufstellung finden. Ihre Last wirkt also nicht störend wie bei den elektrischen Bahnen. Eine andere vortreffliche technische Eigenschaft ist es ferner, daß die Achse des Ankers direkt mit der Schiffsschraube in Verbindung stehen kann. Dadurch wird die Bewegung sehr regelmäßig und fast geräuschlos. Und damit sind die Vorteile der elektrischen Betriebsart den anderen Methoden gegenüber noch. keineswegs erschöpft: das elektrische Boot ist frei von Dampf, Ruß und Hitze, die Maschinenteile bedürfen keiner Schmiermittel und der üble Dunst von Petroleum oder Benzin beleidigt nicht die Geruchsorgane der Fahrgäste. Die von dem hervorragendsten Ingenieur auf diesem Felde, Reckenzaun, erbauten Boote zu Chicago bewegten sich mit einer. Geschwindigkeit von 10 bis 13 Kilometern in der Stunde. Sie können aber doppelt so große Geschwindigkeit erreichen. Sie haben eine Länge von 11 Metern, eine Breite von fast 2 Metern und einen Tiefgang von etwa 66 Centimetern. Unter den Sitzplätzen der Fahrgäste befinden sich 72 stromerzeugende Accumulatoren, die ein Gesamtgewicht von 1300 Kilogramm darstellen. Ein solches Boot kann 32 Personen und 2 Mann Bedienung aufnehmen. Neuestens hat man sich bemüht, die Geschwindigkeit der neuen Fahrzeuge durch genaueste Anpassung an das neue Betriebsmittel zu erhöhen. So besitzt die Accumulatoren-Gesellschaft zu Hagen ein kleines elektrisches Probeboot, das wie ein Pfeil dahinschnellt und allen übrigen mit Dampf betriebenen Schiffen den Rang abläuft.

Daß sich ein Fahrzeug mit solchen Eigenschaften vortrefflich für Kriegszwecke eignet, ist wohl nicht nötig, des weiteren auseinanderzusetzen. In der That hat man denn auch bereits vielfach Versuche gemacht, Torpedobooten, die sich möglichst geräuschlos und schnell bewegen sollen, auf elektrischem Wege, d. h. durch Accumulatoren, ihren Antrieb zu verleihen. Es wurden dabei Konstruktionen ausgeführt, die das höchste Interesse verdienen. Eigentümliche Kriegsfahrzeuge sind beispielsweise die in verschiedenen Typen entworfenen Unterseeboote, welche sich je nach Belieben oberhalb oder unterhalb des Wasserspiegels bewegen können. Am bekanntesten von ihnen ist der in England erbaute „Nautilus“ und das ganz elektrisch eingerichtete französische Kriegsboot „Gymnote“. Der Mangel aller dieser Fahrzeuge liegt bisher darin, daß ihre Geschwindigkeit nur eine relativ geringe ist. Es werden fortdauernd von den Marineverwaltungen aller Staaten Experimente mit Unterseebooten angestellt, deren Ergebnisse jedoch aus guten Gründen nicht veröffentlicht werden. Neben den ganz versenkbaren Kriegsbooten hat man halb versenkbare konstruiert, die gleichfalls durch Accumulatoren ihren Antrieb erhalten und sich vortrefflich zu Torpedoschleuderern eignen.

Auch in anderen Zweigen der Kriegstechnik bedient man sich jetzt mit Vorliebe der Accumulatoren. Man gab ihnen aus diesem Grunde eine möglichst handliche und bequeme Form, so daß sie der Fußsoldat im Tornister und der Kavallerist auf dem Pferde bequem mit sich führen kann. So hat man eine kriegstüchtige Batterie für den Telegraphen und zur Beschickung von Signallichtern und Scheinwerfern, wie sie jetzt allüberall bei den Manövern zur Verwendung gelangen.

Wir möchten noch einer Anwendung des „Sammlers“ gedenken, die allerdings einem etwas phantastischen Gebiete zugehört. Die Erfinder, die sich mit der Konstruktion lenkbarer Luftschiffe beschäftigen, pflegen bei ihren Plänen als zukünftige Betriebskraft sich auf den Accumulator zu berufen. Er könnte allerdings in Verbindung mit einem leichten Motor zur Lösung des vielumworbenen Problems viel beitragen. Leider ist an eine Erfüllung dieses Wunsches vorläufig nicht zu denken.

Nachdem wir nunmehr in großen Zügen die verschiedenen Anwendungsformen des Accumulators betrachtet haben, ist es Zeit, zum Schluß noch seine Technik selbst uns in Kürze zu veranschaulichen. Gewiß ist die Beschäftigung mit einer so wertvollen und für die Zukunft so bedeutungsvollen Vorrichtung den Lesern der „Gartenlaube“ interessant genug, um auch die Dürre einer technischen Schilderung mit in Kauf zu nehmen.

In seiner einfachsten Konstruktion besteht ein Accumulator aus zwei Bleiplatten, die sich in einer Lösung von verdünnter Schwefelsäure befinden. Man verbindet die beiden Platten mit den Polen einer Dynamomaschine oder einer galvanischen Batterie und schickt den Strom durch die Vorrichtung. Der elektrische Strom zerreißt die Bestandteile der Flüssigkeit und zwingt sie sodann wiederum, sich mit dem Blei innig zu verbinden. Ist die Ladung des Sammlers vollendet, dann erscheint die eine Platte mit einer blauschwarzen Masse überzogen, die der Chemiker als Bleiüberoxyd bezeichnet. Die andere Platte hat sich mit einer schwammartigen Masse bedeckt, die Bleischwamm genannt wird. So einfach verläuft jedoch der Vorgang nicht, wie wir ihn hier schildern, sondern Planté mußte, um die Ladung zu erzielen, sich einer ganzen Reihe eigentümlicher Kunstgriffe bedienen. Hatte der Strom einige Wochen hindurch den zukünftigen Accumulator in einer bestimmten Richtung durchflossen, dann schaltete der Erfinder den Strom aus und ließ die Vorrichtung ruhen. Nach dieser Pause wurde der Strom von neuem durch die Kombination gesendet, aber in der entgegengesetzten Richtung wie vordem. In dieser Weise muß mehrere Jahre hindurch in dauerndem Richtungswechsel und entsprechenden Pausen der Apparat beschickt werden. Ist das geschehen, hat der Apparat das oben geschilderte Aussehen erhalten, dann ist er zum Gebrauche fertig und giebt nunmehr einen sehr gleichmäßigen Strom, der nur noch nach einer Richtung fließt. Der Vorgang bei der Ladung von Accumulatoren besteht

somit darin, daß auf den Bleiplatten chemische Veränderungen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_092.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)