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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Zunächst wird der Hirsch mit dem Leithunde, welcher am Leitseil der Fährte folgt, aus der Dickung „lanciert“, dann auf der Stelle, wo er über die Bahn fällt, die Meute zur Fährte gelegt, die mit hellem Geläute den Hirsch jagt und so sicher seine Fährte hält, daß sie selbst dann, wenn der „Anjagdhirsch“ zwischen ein Rudel anderer Hirsche kommt, seine Fährte zwischen denen der anderen kennt und ihr folgt, wenn er sich wieder vom Rudel abschlägt. Kommt die Jagd bei einem „Relais“ vorbei, so werden schnell frische Pferde bestiegen und frische Hunde zur Fährte gelegt, und weiter geht es im sausenden Galopp durch Dick und Dünn – kein Feld hält die Jagd auf, kein Fluß, kein See – bis endlich sich der Hirsch den Hunden stellt, „Halali“ ist und ihm der vornehmste Jäger den Fang giebt oder ihn mit der Büchse durch den Kopf schießt. Dann wird curée gemacht, d. h. der Hirsch „zerwirkt“, „zerlegt“, das in kleine Stücke zerschnittene „Wildpret“ auf die Decke des Hirsches gelegt und schließlich den Hunden zum Fressen überlassen.

In der Franzosenzeit, wo Deutschland verarmte, ist diese kostspielige Jagdart aus unserem Vaterlande verschwunden, in neuerer Zeit aber wieder eingeführt, wenn auch in etwas veränderter Form. Die heutigen Parforcejagden unterscheiden sich von den früheren hauptsächlich dadurch, daß Hirsch oder Sau nicht „bestätigt“, sondern an einer für die Jagd günstigen Stelle ausgesetzt wird. Auch sind die Hunde heute rascher oder das „Kastenwild“ langsamer als damals, denn während früher der Hirsch im Frühjahr 3½, im Herbst aber 4 Stunden „ausdauerte“, wird er heute meistens in einer Stunde oder noch früher „Halali“. Die bekanntesten Meuten sind heute die Königliche in Potsdam, die der Hannoverschen Offizierreitschule und die des Offizierskorps in Paderborn, dessen Jagdfeld die „Senne“ ist. Karl Brandt.     

Fenstervorhänge für Arbeitszimmer. Wir wählen mit Vorliebe sonnig gelegene Wohnungen, aber auch die wohlthätige Sonne hat ihre Schattenseiten; fallen ihre Strahlen auf den Arbeitstisch, so blendet uns das grelle Licht und wir müssen dasselbe durch Vorhänge dämpfen. Die Beschaffenheit des Stoffes, aus dem die Vorhänge bestehen, ist aber dabei durchaus nicht gleichgültig. Läßt derselbe zu wenig Licht durch, so wird es auf dem Arbeitsplatze zu dunkel und das Auge leidet unter ungenügender Beleuchtung. Woraus sollen wir nun Fenstervorhänge für unsre Arbeitszimmer anfertigen, um den Anforderungen der Hygieine zu genügen? Diese Frage wurde neuerdings durch Untersuchungen von Professor Herm. Cohn und Dr. B. Jungmann beantwortet, welche eine Reihe von Vorhängen für Schulzwecke einer genauen Prüfung unterwarfen. Es zeigte sich dabei, daß weißer, feinfädiger Schirting, écru- oder crêmefarbiger Köper und weißer Dowlas von allen untersuchten Stoffen das meiste Licht durchlassen. Der Preis dieser Stoffe ist gering, beträgt etwa 80 bis 90 Pfennige für einen Meter. Prof. Cohn empfahl auf dem hygieinischen Kongresse zu Budapest, aus diesen Stoffen Fenstervorhänge für Schulen anfertigen zu lassen. Diesen hygieinischen Wink sollte man auch bei Ausstattung des Arbeitszimmers im Hause sowie in Geschäftsräumen beachten. *      

Der spröde Freund.
Nach einem Gemälde von C. Reichert.

Ein günstiger Augenblick. (Zu dem Bilde S. 17.) Sie haben es lange von sich gewußt, daß sie einander gut sind von Herzensgrund. Aber der Gesellschaft strenger Zwang, der auch auf einem Waldspaziergang seine Herrscherrechte geltend macht, hielt sie im Banne und setzte ihre gegenseitige Sehnsucht auf die schmale Kost verstohlener Liebesblicke und jener zarten Aufmerksamkeiten, die vor Zeugen zur Not noch als harmlos durchgehen. Da bringt ihnen der Heimweg Erlösung, den sie doch beide als den Anfang vom Ende des schönen Tages soweit wie möglich hinausgewünscht hatten. Man kennt sie ja, die heimlichen Listen zweier Liebesleute. Da wird mit dem und jenem geplaudert, harmlos scheinbar und so recht angelegentlich, und doch behält eins das andere scharf im Auge – und mit einmal, ehe man sich dessen versieht, sind die beiden am Ende des Zuges, ein kleines Mädchen als letzte Ehrendame. Da, eine Biegung des Wegs. Arglos pilgert die Kleine weiter, hinter den Zweigen des Busches aber sinken die Liebenden sich in die Arme, in langem innigen Kusse ihrer Herzen offenes Geheimnis zu besiegeln. Durch das Waldthal wandern ahnungslos die guten Verwandten und Freunde, wohl etwas müde im Geist von den genossenen Freuden des „angenehmen Nachmittags“. Oder sollte ihre auffällige Unaufmerksamkeit doch nicht ganz ohne tiefere Absicht gewesen sein?

Der „Gartenlaube-Walzer“ von Johann Strauß, welcher diese erste Nummer des neuen Jahrgangs der „Gartenlaube“ als Extra-Beilage begleitet, wird in seiner anmutvollen Melodienfrische nicht nur all den vielen Leserinnen und Lesern willkommen sein, welche nach Strauß’scher Musik gern Walzer tanzen. Denn auch wer selbst nicht Klavier spielt und am Tanz nur noch als Zuschauer teilnimmt, wird das heitere Musikstück als Geschenk für musikalische Freunde gern willkommen heißen, und ihm selbst wird das Wort „ein neuer Walzer von Strauß“ liebe Erinnerungen heraufbeschwören an holdes Jugendglück und goldne Träume, wo frohes Entzücken der Seele sein klingend Echo fand in Walzertönen von Johann Strauß. Wie groß die Gemeinde derer ist, die den genialen Wiener Musiker als den Schöpfer unserer schönsten Walzermelodien verehren, ist vor kurzem erst, im letzten Herbst, so recht zu Tage getreten, als derselbe das Jubiläum beging, dessen fröhliche Feststimmung in dem neuen Walzer nachklingt. Auf sein reiches Schaffen, das so unzählige Herzen froh gemacht hat, als Jubilar zurückschauend, mußte den Komponisten die frohe Vorstellung überkommen, welch’ innigen Zusammenhang seine Kunst mit den festlichsten Stunden unseres Familienlebens hat. Wie viel Verlobungen kamen nicht zustande unter dem Zauber seiner Melodien! Ist doch der Walzer von allen deutschen Gesellschaftstänzen derjenige, dessen Wesen am unmittelbarsten Poesie atmet, und der Tanz in unserem Gesellschaftsleben diejenige Macht, die am leichtesten die Herzen erschließt und die Träume von Liebesglück der Verwirklichung nähert.

Unsere Kunstbeilage. Sind sie nicht allerliebst, die zierlichen Backfischchen, wie sie sommerlich angezogen und leichtfüßig unter den Bäumen daherkommen? Sogar die gestrenge Vorsteherin kann den mütterlichen Stolz nicht ganz hinter der Autoritätsmiene verbergen, mit welcher sie eine Schlechtgelaunte unter ihrer kleinen Schar zu größerer Freundlichkeit ermahnt. Umsonst – der kleine beleidigte Trotzkopf schleicht düster hinter den schwatzenden andern drein, die natürlich wieder thun, als ob sie nicht auf der Welt wäre! Sie möchte auch am liebsten nicht mehr darauf sein, denn sie hat jetzt, seit Klärchen und Eugenie so intim miteinander thun, die Falschheit aller Freundschaft erkannt, und an dem Uebrigen ist ja überhaupt nichts gelegen! … Fern von solchen Gedanken schreiten die beiden „Großen“ an der Spitze des Zuges, mit bereits damenhafter Sicherheit das Kreuzfeuer männlicher Blicke passierend.

„Der Jahrgang wird gut,“ sagt schmunzelnd der Aeltere, „Tausend noch einmal, was giebt das für nette Mädels! Da habt Ihr Aussichten, Ihr Junggesellen!“ – Und der Jüngere macht ein keineswegs ablehnendes Gesicht zu dem Lobe. Offenbar wünscht der Maler des hübschen Bildes auch den Beschauer für die gleiche Ansicht zu gewinnen, und wir werden ihm wohl das Zeugnis nicht versagen, daß ihm dies vollständig geglückt ist! Bn.     


manicula 0Hierzu Kunstbeilage I: „Spaziergang des Pensionats.“ Von B. Hohlfeld; und die Extra-Beilage:
„Gartenlaube-Walzer.“ Für Klavier. Von Johann Strauß.

Inhalt: Buen Retiro. Von Marie Bernhard. S. 1. – Willkommen! Bild. S. 1. – Die letzten Goten. Bild. S. 4 und 5. – Die „Behauptungen“ der Damen. Von Cornelius Gurlitt. S. 8. Mit Abbildungen S. 8, 10 und 11. – Nydia. Bild. S. 9. – Um eine Kleinigkeit. Novelle von Jassy Torrund. S. 12. – Auf der Parforcejagd. Bild. S. 13. – Kopfschmerzen. Von Dr. H. Schaefer. S. 16. – Ein günstiger Augenblick. Bild. S. 17. – Blätter und Blüten: Die „letzten Goten“. S. 19. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) – Nydia. S. 19. (Zu dem Bilde S. 9.) – Auf der Parforcejagd. S. 19. (Zu dem Bilde S. 13.) – Fenstervorhänge für Arbeitszimmer. S. 20. – Ein günstiger Augenblick. S. 20. (Zu dem Bilde S. 17.) – Der „Gartenlaube-Walzer“ von Johann Stranß. S. 20. (Zur Extra-Beilage.) – Unsere Kunstbeilage. S. 20. – Der spröde Freund. Bild. S. 20.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_020.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)