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Schwerer Dienst. (Zu dem Bilde S. 861.) Rauhe Winternacht und tiefer Schnee, endloser Wald dazu, da ist in der That der Beruf des Landbriefträgers ein schwerer Dienst! Aber unbekümmert um die Unbilden der Jahreszeit und des Weges schreitet der wetterfeste Mann dahin, höchstens daß er einmal eine Minute stehen bleibt, wenn die hellen Fenster eines Bahnwärterhäuschens durch die Nacht ihm entgegenleuchten und der Anblick seine Gedanken vorausschweifen läßt zu der behaglichen Stube, in der Weib und Kind ihn erwarten. Ist doch auch gerade diese Zeit „zwischen den Jahren“ dazu angethan, ihm die ideale Seite seines Berufs zum Bewußtsein zu bringen. Waren es doch Christgeschenke und Weihnachtsgrüße, die in den letzten Tagen seine gern getragene Bürde bildeten und mit denen er Glück und Freude in entlegene Dörfer und Gehöfte brachte, wie er jetzt wieder dem treuen Gedenken beim Jahreswechsel zwischen getrennten Verwandten, Freunden und Brautpaaren als gewissenhafter Vermittler dient.

Anton Rubinstein †. Einen Ruhm hinterlassend, den er in, erster Linie seinem großen Talent, dann aber auch seinen edlen Herzenseigenschaften zu danken gehabt hat, ist einer der bedeutendsten Musiker der Gegenwart, Anton Rubinstein, in der Nacht auf den 20. November in seiner Villa in Peterhof jählings am Herzschlag verschieden. Aus kleinen Anfängen war derselbe in die glänzende Laufbahn eines der gefeiertsten Tonkünstler eingelenkt, auf welcher er in der letzten Zeit eine großartige Wohlthätigkeit entwickelt hat, indem er den meist sehr bedeutenden Ertrag seiner Konzerte gemeinnützigen Anstalten, den Armen und Notleidenden, überwies. Aber auch die Mehrzahl der musikalischen Bildungsanstalten Europas ist von ihm auf diesem Wege vielfach gefördert worden und eines seiner letzten Konzerte, das er in Deutschland gab, hat zum Besten des Beethovenhauses in Bonn stattgefunden. Am 30. November 1830 zu Wechwotynetz bei Jassy geboren, verbrachte er seine Kindheit in Moskau, wo seine Mutter, eine vortreffliche Klavierspielerin, die aus Deutschland stammte, Lehrerin an einem kaiserlichen Erziehungsinstitut war. Seine Begabung entwickelte sich unter ihrer Leitung schon frühe sehr glänzend; er gehörte zu den „Wunderkindern“, deren gesundes Wachstum durch diesen Vorzug nicht beeinträchtigt wurde.

[Ant. Rubinstein.]

Nach einer Aufnahme von W. Höffert, Hofphotograph in Berlin.

So trat er bereits mit zehn Jahren, begleitet von seinem Lehrer Villoing, nicht nur in Rußland, sondern auch in Paris in öffentlichen Konzerten auf, und als ihn damals in letzterer Stadt Franz Liszt gehört hatte, prophezeite sich dieser in dem genialen Knaben, dessen Antlitz ihn an das Beethovens erinnerte, seinen Nachfolger. Unter Liszts mächtigem Schutz und seinem Beispiel folgend, sehen wir Rubinstein danach seinen Konzertreisen immer weitere Ausdehnung geben, bis ihn sein schöpferischer Trieb zur Komposition veranlaßte, in Berlin festen Fuß zu lassen, um hier durch ernste Studien sich auch für diese Richtung seines Talents auszubilden. 1848 ließ er sich in St. Petersburg nieder, das ihm dann mit der Villenstadt Peterhof bis zum Tode die eigentliche Heimat blieb, so lang sich auch einzelne seiner Konzertreisen ausdehnten und so gern er auch in einzelnen deutschen Städten, wie Stuttgart und Dresden, längeren Aufenthalt nahm. Was in Rußland seitdem zur Fördernng des musikalischen Kunstlebens geschah, war in der Hauptsache auf seine Anregung zurückzuführen; so auch die Gründung der Russischen Musikgesellschaft, der er seit 1859, und der des St. Petersburger Konservatoriums, dem er seit 1862 als Direktor eine Reihe von Jahren vorgestanden hat.

Rubinstein gehörte zu den Klavierspielern, bei denen die absolute Beherrschung alles Technischen mit geistvoller Auffassung und leidenschaftlichem Temperament Hand in Hand ging. Seine zahlreichen eigenen Kompositionen sind von verschiedenem Wert; von seinen Opern haben sich die „Makkabäer“, von seinen Oratorien „Das verlorene Paradies“ am meisten eingebürgert. Die Klavierlitteratur hat er durch glänzende originelle Werke bereichert. Unter seinen Liedern finden sich viele von großem Reiz und warmer Empfindungsfülle. Das Ideal seines schöpferischen Strebens war in der späteren Zeit seines Lebens eine Wiedergeburt des Oratoriums aus dem Geiste der Oper. Solcher geistlicher Opern hat er mehrere – „Moses“, „Christus“ etc. – geschaffen. Die Verwirklichung dieses Ideals durch die Mittel der Bühne hat er aber nicht mehr erlebt.

Vom „Deutschen und österreichischen Alpenverein“. Wir haben in Nr. 32 dieses Jahrgangs kurz von dem Feste berichtet, das in den ersten Augusttagen dieses Jahres der Deutsche und österreichische Alpenverein zu München als seiner Gcburtsstadt feierte zum fröhlichen Abschluß der ersten 25 Jahre seines Bestehens. Der Alpenverein kann mit freudiger Genugthuung auf dieses Vierteljahrhundert zurückschauen, in dem er mächtig wuchs nicht nur an Mitgliederzahl, sondern auch an allen erdenklichen Leistungen für die Erschließung der Bergwelt. In dem neusten Jahrbuche des Vereins, das zugleich die Festschrift ist zum 25jährigen Jubiläum, erzählt Johannes Emmer die Geschichte des Vereins, und was dieser Nützliches gewirkt hat, das tritt in einigen Ziffern schlagend zu Tage. Der Alpenverein hat bis Ende 1893 aufgewendet für Hüttenbauten 881624 Mark, für Wegbauten 486788 Mark, insgesamt also die Summe von 1368412 Mark. In diesen Zahlen spricht sich eine Kulturleistung aus, die nur derjenige voll zu würdigen versteht, der einmal die Wohlthat jener Wege und Schutzhütten für Touristen und Führer, ja für die Bevölkerung ganzer Thäler selbst beobachtet und erfahren hat. Bei der großen Ausdehnung des Gebirgsgebietes, das erschlossen werden mußte, war die übernommene Aufgabe nicht zu lösen ohne die treuliche Mitarbeit der einzelnen Sektionen des Vereins, die je einer bestimmten Berggruppe, einem bestimmten Thal ihre Fürsorge widmeten. – Von zwei solcher Sektionen, die in den letzten Monaten ebenfalls ihr 25. Gründungsfest begingen, von Frankfurt a/M. und Stuttgart, liegen uns hübsch ausgestattete Festschriften vor, in welchen durch anziehende Bilder die Hüttenbauten dieser Sektionen vorgeführt werden. Die Frankfurter Sektion, am 3. September 1869 gegründet und nun von 11 Mitgliedern am Anfang auf über 500 angewachsen, widmet ihre Arbeit der Gruppe der Oetzthaler Berge; vor allem die Gepatschhütte und die Weißkugelhütte sind ihr Werk. Die Sektion „Schwaben“ mit dem Sitz in Stuttgart, die seit dem 28. Oktober 1869 besteht und es von ursprünglich 19 Mitgliedern auf über 600 brachte, hat sich das Jamthal in der Silvrettagruppe zur Fürsorge ausgewählt und dort die Jamthalhütte errichtet. Wie aus den Festschriften dieser Sektionen, so weht einem auch aus dem festlich geschmückten Jahrbuch des ganzen Alpenvereins ein frischer Geist entgegen, der hoffen läßt, daß der Deutsche und österreichische Alpenverein die Kulturaufgaben, die er sich freiwillig gestellt hat, auch in Zukunft thatkräftig fördern wird.




Inhalt: Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (15. Fortsetzung). S. 857. – Das nach Ostasien entsendete deutsche Kreuzergeschwader. Bild. S. 857. – Schwerer Dienst. Bild. S. 861. – Weihnachtsmärchenspiele. Von Alexander Tille. S. 864. Mit Illustrationen S. 864, 865, 866, 868 und 869. – Die Kaiserin Katharina II. von Rußland vor ihrer Thronbesteigung. Von Eduard Schulte. S. 867. Mit Bildnis S. 872. – Der Böse. Von Hermine Villinger (Schluß). S. 873. Mit Illustrationen S. 873, 874 und 875. – Blätter nud Blüten: Ein Werk der Selbsthilfe. S. 875. – Das nach Ostasien entsendete deutsche Kreuzergeschwader. S. 875. (Zu dem Bilde S. 857.) – Eine neue Geschichte des deutschen Volkes. S. 875. – Schwerer Dienst. S. 876. (Zu dem Bilde S. 861.) – Anton Rubinstein †. Mit Bildnis. S. 876. – Vom „Deutschen und österreichischen Alpenverein. S. 876.



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Nicht zu übersehen! Mit der nächsten Nummer schließt das vierte Quartal der „Gartenlaube“ 1894; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 75 Pf. bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.

Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendnng von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung:

Ernst Keil's Nachfolger in Leipzig. 

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 876. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_876.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)