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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

milder zu gestalten schien. Behring ersah hieraus, daß er den richtigen Weg beschritten habe, er gönnte sich keine Ruhe und Erholung und suchte seine Methode zu vervollkommnen, durch zweckmäßige Behandlung der Tiere, wie Schafe, Pferde etc., ein Serum von noch größerer Heilkraft zu gewinnen. Endlich wurde auch dieses Ziel erreicht und die Herstellung des Heilserums in größeren Mengen konnte beginnen.

Zu Anfang dieses Jahres wurde in einigen Berliner Krankenhänsern der erste Versuch im großen ausgeführt. Das Urteil der Fachleute lautete wiederum ermutigend. Es gelang allerdings nicht, alle diphtheriekranken Kinder durch das neue Heilmittel vor dem Tode zu retten, aber der günstige Einfluß der Serum-Einspritzungen war unverkennbar; die Aerzte faßten mehrfach ihr Urteil dahin zusammen, daß die Sterblichkeit an Diphtherie, die sonst 30 bis 60 % beträgt, auf das geringe Maß von nur 5 % herabgedrückt werden könnte, wenn man mit der Serumbehandlung schon am ersten und spätestens am zweiten Tage der Erkrankung beginnen würde. Zu gleicher Zeit wurde die Behringsche Heilmethode auch in Paris durch Professor Roux eingeführt und der erste Versuch lieferte gleichfalls Ergebnisse, die zu weiterem Vorgehen ermutigten. Während bis dahin das Serum nur zu klinischen Versuchszwecken hergestellt wurde, entschloß sich nun Professor Behring, durch ein großes chemisches Institut, das ihm schon vorher die materiellen Mittel zur Fortführung seiner Versuche gewährt hatte, das neue Heilmittel der Allgemeinheit zugänglich zu machen, und seit dem 1. August dieses Jahres wurde es dem Verkauf übergeben.

Professor Behring.

Nach einer Photographie von C. Höpfner Nachf.
Fritz Möller in Halle a. d. S.

So standen die Dinge, als Ende September die Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Wien tagte; das Diphtherieheilserum bildete auf ihr den Gegenstand lebhafter Erörterungen und der Ruf des neuen Heilmittels wurde durch die Tagespresse in die weitesten Kreise getragen. Das Verlangen, dasselbe allen Leidenden zugänglich zu machen, wurde allgemein. Leider aber stand der Verwirklichung dieses Wunsches der teuere Preis des Serums entgegen. An verschiedenen Orten Deutschlands wurden darum, sei es von wohlthätigen Personen, sei es von Stadtgemeinden, besondere Geldmittel zur Verfügung gestellt, durch welche Krankenhäuser oder Armenärzte in die Lage versetzt sind, das Mittel bei ihren Diphtheriekranken anzuwenden. Das Heilserum wird in nächster Zeit in großem Maßstabe verwendet werden können und dann wird es auch den Aerzten möglich sein, über dessen Wert ein abschließendes Urteil zu fällen. Vieles berechtigt zu der Hoffnung, daß dieses Endurteil günstig lauten werde. Ein unermeßlicher Gewinn würde es sein, wenn es uns gelingen sollte, die hohe Sterblichkeit der Diphtheriekranken auf ein geringeres Maß herabzudrücken; denn vielen Tausenden würde dadurch alljährlich das Leben gerettet werden.

An das Heilserum knüpfen sich jedoch noch andere Hoffnungen. Nicht nur zum Heilen bereits Erkrankter soll es verwendet werden, es verleiht auch Gesunden Schutz gegen Ansteckung und es wird daher auch zur Schutzimpfung gegen Diphtherie empfohlen. Diese erfolgt dadurch, daß man dem zu schützenden Kinde eine gewisse Menge des Serums von bestimmter Stärke unter die Haut einspritzt. Wie lange diese Einspritzung vor der Ansteckung schützt, ist noch nicht genau ermittelt, man nimmt aber an, daß die auf diese Art erworbene Immunität einige Monate anhält. Es würde also zu Zeiten von Epidemien möglich sein, gesunde Kinder in Häusern mit Diphtheriekranken oder in Schulen vor der Gefahr der Diphtherieansteckung zu bewahren.

Schließlich muß noch hervorgehoben werden, daß die Diphtherie nicht die einzige Krankheit ist, welche durch ein Heilserum behandelt werden kann. In ähnlicher Weise wird es vielleicht mit der Zeit gelingen, auch andere durch Bakterien erzeugte Krankheiten zu bekämpfen. Es liegt hier ein ganz neuer Weg vor, den die Forschung betreten hat, und diesen Fortschritt verdanken wir in erster Linie der rastlosen Arbeit des Mannes, dessen Bildnis nach der neuesten Aufnahme heute die „Gartenlaube“ bringt und der als Begrüuder der Heilserumtherapie gefeiert wird.

Emil Adolf Behring wurde im Jahre 1854 zu Hausdorf bei Deutsch-Eylau in Westpreußen geboren und besuchte das Gymnasium im nahen Hohenstein. Als Zögling der militärärztlichen Bildungsanstalten studierte er in Berlin und trat im Jahre 1878 als Militärarzt in das Sanitätskorps ein. Schon frühzeitig begann er in Posen und dem schlesischen Städtchen Winzig, wo er anfangs stationiert war, selbständige Untersuchungen über den Einfluß der Desinfektionsmittel auf die Wundbehandlung. Diese seine Arbeiten wurden durch die Versetzung in die Universitätsstadt Bonn wesentlich gefördert, und hier bereits wurde von ihm der Heilkraft des Blutes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Im Jahre 1888 wurde Behring als Stabsarzt an das Friedrich Wilhelms-Institut in Berlin abgeordnet und bald darauf begann seine Thätigkeit in dem hygieinischen Institut von Robert Koch, die 1890 zu der Begründung des neuen Heilverfahrens führte. Als das Institut für Infektionskrankheiten errichtet wurde, folgte Behring Robert Koch in diese neue Anstalt. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt Behring im Jahre 1893 den Professortitel und heute wirkt er als Professor der Hygieine an der Universität Halle. *      

Die Sarkophage Kaiser Wilhelms I. und der Kaiserin Augusta im Mausoleum zu Charlottenburg. (Zu dem Bilde S. 741.) Seit Jahrzehnten bildet das Mausoleum zu Charlottenburg das pietätvoll aufgesuchte Wanderziel vieler Tausende, die sich dorthin gezogen fühlen durch die wunderbaren Marmorbilder des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise, von Rauchs Meisterhand für diese Stätte geschaffen. Nachdem auch der letzte Sohn der Königin Luise, Kaiser Wilhelm I., gestorben war, wurde eine Erweiterung des 1810 nach Schinkels Plänen errichteten, 1843 vergrößerten Baues beschlossen und im Jahre 1890 vollendet. Der neu gewonnene Raum der Gruft nahm den Sarg des ersten Kaisers des neuen Reiches auf und bald auch den seiner Gemahlin, der Kaiserin Augusta. Professor Erdmann Encke in Berlin erhielt den Auftrag, den beiden Rauchschen Vorbildern entsprechend zwei Sarkophage zu fertigen, die als künstlerische Grabdenkmale für die Verewigten im Oberraum des Mausoleums Aufstellung finden sollten. Und nunmehr sind diese Sarkophage vollendet und eingeweiht. Der Kaiser ist dargestellt in der Uniform des 1. Garderegiments, entblößten Hauptes unter einem Hermelinmantel ruhend, mit beiden Händen das lorbeerumwundene Reichsschwert fassend. Die Kaiserin, mit dem Diadem und einem feinen Spitzenschleier geschmückt, hält in den gefalteten Händen ein Kruzifix. In ihrem Schoße liegen Blüten und Blätter der Passionsblume. Beide Gestalten lagern auf antiken Ruhebetten, deren Ecken von geflügelten Löwenköpfen gebildet werden; um die Friese der Hauptgesimse schlingt sich als ornamentales Band die Kette des Schwarzen Adlerordens, die Langseiten sind beim Kaiser mit den Sinnbildern des Kriegs und des Friedens, bei der Kaiserin mit denen des Glaubens und der Wohlthätigkeit verziert. Ein gelbes Oberlicht wirft seinen gedämpften Schein über die edlen Marmorgebilde.

Außer den beiden Sarkophagen hat das Charlottenburger Mausoleum noch einen neuen bildnerischen Schmuck, ebenfalls von Erdmann Enckes Hand, erhalten. In der Vorhalle steht jetzt ein gewappneter Erzengel, der mit seinem Flammenschwert Wache hält vor der Gruft der Toten. Kaiser Wilhelm II. hat ihn für diesen Platz bei dem Künstler bestellt. Schwert, Helm und Schild sind von vergoldeter Bronze, und von einem bläulichen Lichtschein übergossen, erhebt sich achtunggebietend die mächtige Gestalt.

Die Frauenkirche in München. (Zu dem Bilde S. 752 und 753.) Das Wahrzeichen Münchens, das mächtige Turmpaar der Frauenkirche, hat in diesen Tagen seinen vierhundertsten Geburtstag gefeiert, und noch heute ragt das mächtige Denkmal der spätgotischen Backsteinarchitektur, wie wir sie vielfach in den Hansastädten vertreten finden, fest und unerschüttert vom Sturm der Zeiten über Münchens Häusermeer empor. Der kunstsinnige Herzog Sigmund von Bayern legte 1468 den Grundstein auf der Stelle einer bereits früher bestehenden Marienkirche, bei deren Abbruch sich nach dem Bericht einer Chronik die ganze Bevölkerung „mit gieriger Müh’ und Arbeit“ beteiligte. Der neue Bau wurde unter der Leitung des Jörg Gankoffer von Haselbach bei Moosburg ausgeführt, dem die bedeutendsten Baumeister von Ulm, Regensburg, Nürnberg und Wien mit ihrem Rat zur Seite standen. Die Vollendung erforderte einen ungewöhnlichen Aufwand von Hingebung und Ausdauer. Denn München besaß damals erst etwa 18000 Einwohner, und nur mit Hilfe der frommen Spenden, die aus ganz Deutschland, insbesondere aus Franken und Bayern zuflossen, war es möglich, die ansehnlichen Kosten aufzubringen.

Den gewaltigen Größenverhältnissen der Kirche, die 101 Meter lang, 38,5 Meter breit und 58 Meter hoch ist, entsprechen auch die Maße der beiden Türme, die man früher wegen ihrer sonderbaren Bedachung mit Kugelhauben „Welsche Kappen“ nannte. Sie erheben sich zu einer Höhe von 99 Metern. Für ihren nicht eben schönen Abschluß nach oben darf der ursprüngliche Baumeister nicht verantwortlich gemacht werden. Die beiden Hauben sind ein Werk des 16. Jahrhunderts und wurden damals infolge Verzichts auf eine stilgerechte Vollendung der Türme aufgesetzt.

Robert Aßmus hat die weltbekannte Kirche aus Anlaß ihres 400jährigen Bestehens von einem besonders günstig gelegenen Standpunkt, von einer Dachluke der Michaelshofkirche aus, gezeichnet. Sein Bild zeigt uns rechts von den Domtürmen einen Teil des neuen Rathauses, das alte Rathaus mit seinem wunderschönen Turm, die Heilige Geist-Kirche, den „alten Peter“ (Turm der Peterskirche), in der Ferne die Kirche von Rammersdorf, im Vordergrunde die Dächer der Gebäude, welche den Hof des Landgerichts umschließen. Es dürfte kaum möglich sein, einen Platz zu finden, von dem aus sich die machtvolle Gestalt der beiden Riesen wirksamer und charakteristischer erfassen ließe.


Kleiner Briefkasten.

P. K. in Nürnberg. Ihre Annahme ist irrig.

A. G. in L. Wir bedauern, Ihnen über die betreffende Heilanstalt keine Auskunft geben zu können.


Inhalt: Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (8. Fortsetzung). S. 741. – Die Sarkophage Kaiser Wilhelms I. und der Kaiserin Augusta im Mausoleum zu Charlottenburg. Bild. S. 741. – Die politischen Attentate im neunzehnten Jahrhundert. Von Rudolf von Gottschall. S. 746. – Die fränkische Korbwaren-Industrie. Von A. Berger. S. 749. Mit Abbildungen S. 745, 749 und 750. – Zeit bringt Rosen. Novelle von Stefanie Keyser. S. 751. – Die Frauenkirche zu München. Bild. S. 752 und 753. – Blätter und Blüten: Das neue Heilverfahren gegen Diphtherie und sein Begründer. S. 755. Mit Bildnis des Professor Behring. S. 756. – Die Sarkophage Kaiser Wilhelms I. und der Kaiserin Augusta im Mausoleum zu Charlottenburg. S. 756. (Zu dem Bilde S. 741.) – Die Frauenkirche zu München. S. 756. (Zu dem Bilde S. 752 und 753.) – Kleiner Briefkasten. S. 756.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_756.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2023)