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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Der Waldbruder mit dem Esel.
Der argen Welt thut niemand recht.

Vor Jaren wont in einem Wald
Ein Waldbruder von Jaren alt
Der sich der Wurtzeln neeren thet
Derselb ein jungen Sohne het
Inn dem Alter bey zweintzig Jarn
Der war einfeltig vnerfarn
Der fragt den Alten: Sag doch mir
Sind in dem Wald gewachsen wir
Wann er nie Menschen het gesehen
Der Alt thet zu dem Jungen jehen:
Mein Sohn, da du noch warest klein
Hab ich mich geflöhet hie rein
Auß der arglistig bösen Welt
Daß sie uns nit schmech, spot vnd schelt
weil jr gar niemand recht kann than
Sie schlag jm doch ein plechlein an
Still schwieg der Son doch tag vnd nacht
Des Vatters Red stäts nachgedacht
Was doch die Welt nur möcht gesein
Zuletzt da wolt er je darein
Legt an den Vatter grosse bitt
Der es doch lang zeit wider rieth
Zuletzt er vberredet ward
Vnd macht sich mit jm auff die fart
Vnd fürten jren Esel mit
Ledig jr keiner darauff ritt
     In Wald bekam jn ein Kriegßman
Der sprach: wie last jr ledig gan
Den faulen Esel hie allein
Jr dunckt mich fast nicht witzig sein
Das ewer keiner auf jm reitt
Als sie nun von jm kamen weit
Der Vatter sprach: Mein Son sich zu
Wie uns die Welt empfangen thu
Der Son sprach: Laß mich darauf reitn
     Das gschah, da kam zu jn von weitn
Ein altes Weib neben die Aecker
Die sprach: Seht zu dem Jungen lecker
Der reitt, und der alt schwache Man
Muß hindten nach zu fussen gan
Son, sprach der Alt, glaubst du nun mir
Was von der Welt ich saget dir
Er sprach: laß uns versuchen baß
Der Jung bald von dem Esel saß
Vnd saß der Alt bald auff für ihn
Reit also fuß für fuß dahin.

     

In dem begegnet jhn ein Pawer
Der redt sie an mit worten sawer:
Seht an den alten groben Lappen
Lest den Jungen im kot her sappen
Dem nöter wär zu reitn dann jm
Der Alte sprach: Mein Son vernim
Das man der Welt nit recht mag thun
Der Son sprach: Vatter laß mich nun
Auffsitzen, daß wir reiten bed
Schaw ob die Welt darzu auch red
     Aufsaß er vnd ritten dahin
Da kam ein Bettelman zu jhn
Thet an einr wegscheid auff sie harrn
Vnd sprach: secht an die grossen Narrn
Wölln den Esel gar ertrücken
Der Vatter sprach: Jn allen stücken
Thut uns die die Welt mit Hönwort schmitzen
Der Son sprach: Laß uns beid absitzen
So wölln wir den Esel tragen
Was nur die Welk darzu will sagen
     Absaßen sie, den Esel trugen
Vnd mit jm übers Veld hin zugen
Daß von jn beiden ran der Schweiß
Ein Edelman kam zu der Reiß
Thet sie all beid mit worten straffen
Wann her, wann her, jr Schlauraffen
Das jr das hinter kert herfür
Der Vatter sprach: Mein Son hie spür
Das an der Welt ist gar verlorn
Da sprach der Son in grossem zorn
Den Esel wöllen wir erschlagen
Denn hat die Welt nit mehr zu klagen
     Den Esel schlugen sie zu hauffen
Da kam ein Jäger zugelauffen
Der schrie: O jr großen Phantasten
Des Esels gneußet jr am baßten
Lebend, tod ist er euch kein nütz
Zuhand der Junge ward vrdrütz
Der Welt, die jn mit spot und straff
So gar an allen orten traf
Sprach: Hat die Welt auff einen Tag
Vber vns bald so vil der klag
Solt wir dann all Tag darinn bleiben
Was wunders wurd sie mit uns treiben
Vnd keret mit dem Alten dar
Inn Wald, darauß er kommen war.

H. S. S. 


Fliegendes Blatt mit einem Schwankgedicht von Hans Sachs.
Verkleinerte Nachbildung.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 737. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_737.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)