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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Eisengehalt der Nahrungmittel nicht aus, um dem Körper die nötigen blutbildenden Stoffe zuzuführen. Da kann man die Nahrung durch Zusatz von Ferratin eisenreicher gestalten, und zwar nicht durch Zugabe von Eisensalzen, die nur schwer oder gar nicht dem Blute einverleibt werden, sondern durch ein Mittel, das der natürlichen Eisennahrung des Menschen durchaus gleich ist. Nach der Ansicht verschiedener Aerzte ist die Hoffnung durchaus berechtigt, daß durch das Ferratin in Zukunft die Bleichsucht nicht nur bekämpft, sondern auch im Keime unterdrückt wird, wenn man anscheinend gesunden jungen Leuten, sobald sich die ersten Erscheinungen einer wenig befriedigenden Ernährung und Blutbildung bemerkbar machen, dieses neue Mittel verabreicht. Das Ferratin hat keinen unaugenehmen Geschmack und kann entweder als Pulver oder in Chokoladeplätzchen eingenommen werden.

Wir müssen jedoch hervorheben, daß das Ferratin sich im Augenblick einer allgemeinen Anerkennung in ärztlichen Kreisen noch nicht erfreut. So hat Professor Kobert auf Grund von Versuchen die Meinung ausgesprochen, daß dieses neue Präparat mit dem natürlichen in der Leber vorhandenen Eisen nicht identisch sei und daß es durch die Magenverdauung zersetzt werde. Welche der beiden Ausichten die richtige ist, wird erst die Zukunft lehren. Darum sollte auch das Ferratin wie jedes andere Eisenpräparat nur auf ärztliche Anordnung genommen werden. Es giebt ja eine ganze Reihe von Krankheiten und Schwächezuständen, in welchen das Einnehmen von Eisenpräparaten nicht nützt, sondern schadet.

Man kann jedoch auch mit vollem Recht die Frage aufwerfen, ob es nicht angezeigt erscheine, dem Mangel an Eisen im Blute durch reichliche Zufuhr solcher Nahrungsmittel abzuhelfen, die besonders reich an Eisenverbindungen sind. Eine derartige Kur gegen die Bleichsucht wird, wie wir beiläufig erwähnen möchten, von den Tataren ausgeführt. Diese Nomaden lassen Bleichsüchtige Früchte der Wassernuß (Trapa natans) verzehren, die nach verschiedenen Untersuchungen besonders reich an Eisenverbindungen sind. Die Wassernuß ist bei uns im Aussterben begriffen; einst diente sie wohl den Urbewohnern Mitteleuropas als Nahrungsmittel, heute aber kommt sie als solches nicht mehr in Betracht.

Was nun unsere gewöhnlichen Nahrungsmittel anbelangt, so ist deren Gehalt an Eisen äußerst verschieden. So enthalten z. B. von pflanzlichen Nahrungsmitteln 100 Gramm Reis etwa 2 Milligramm Eisen; 100 Gramm Weizen 45 bis 55 Milligramm, Kartoffeln 64, Erbsen 66, weiße Bohnen 83, Linsen 95 Milligramm. Von Früchten zeichnen sich die Aepfel durch einen hohen Eisengehalt aus; denn in 100 Gramm getrockneter, wasserfreier Aepfel sind etwa 13 Milligramm Eisen vorhanden, in einer gleichen Menge Spinat sogar 32 bis 39 Milligramm. In einem Liter Weißwein sind 14 Milligramm, in gleicher Menge Rotwein 23 bis 24 und in einem Liter Aepfelwein sogar 206 Milligramm Eisen enthalten.

Vo Nahrungsmitteln, die aus dem Tierreich stammen, sind als besonders eisenhaltig Milch, Eier, Leber und Blut zu erwähnen. Was die Milch anbelangt, so enthalten 1000 Gramm, also etwa 1 Liter Kuhmilch nur 3 Milligramm Eisen, während 1 Liter Pferdemilch 15 Milligramm Eisen bietet. In den Eiern ist, wie oben gesagt, das Eisen im Dotter enthalten.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der gesunde Mensch seinen Bedarf an Eisen aus diesen Nahrungsmitteln bezieht; nur ist es leider bis jetzt noch nicht erwiesen, welches dieser Gerichte die zuträglichsten Eisenverbindungen enthält. Wohl aber dürfte es sich empfehlen, beim Eisenmangel im Blute auch den Speisezettel der Kranken eisenreich zu gestalten. Spinat und Eier, Leberspeiseun, Blutsuppen und Blutwürste würden somit geeignete Gerichte für Bleichsüchtige und Blutarme abgeben.

Wie erfreulich übrigens die neuesten Errungenschaften der Medizin in der Herstellung von Eisenpräparaten sind, wie wertvoll die Enthüllungen über den Eisengehalt der Nahrungsmittel erscheinen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß Arzneien allein nicht ausreichen, um die Bleichsucht und verwandte Leiden zu bekämpfen. Stets werden wir gegen diese auch die allgemeinen Heilkräfte zur Geltung bringen müssen.

Die Bleichsucht ist den Aerzten seit uralten Zeiten bekannt. Sie scheint bei Blondinen häufiger zu sein als bei Brünetten, bei den Völkern des Nordens häufiger als bei denen des Südens, und Wunderlich, der berühmte Leipziger Arzt, meinte, man begegne ihr in Norddeutschland weit öfter als in Süddeutschland. Wird ihre Entstehung durch klimatische Einflüsse begünstigt? Professor Rosenbach in Breslau machte jüngst darauf aufmerksam, daß das Auftreten der Bleichsucht auch an Jahreszeiten gebunden zu sein scheine, indem namentlich im Hochsommer besonders viele Mädchen und junge Frauen bleichsüchtig werden. Er hat aber zugleich darauf hingewiesen daß eine große Zahl der Bleichsüchtigen auch ohne Darreichung von Eisenpräparaten, lediglich durch gesundes Leben geheilt wird.

In der That dürfen wir niemals vergessen, daß der Mangel an Eisen in der Nahrung nicht die einzige Ursache der Bleichsucht bildet. Durch ungeeignete Lebensweise etc. wird vielmehr oft der Körper der Kraft beraubt, das Eisen in der Nahrung zu verarbeiten und in genügendem Maße neues Blut zu bilden. Alsdann gilt es, die Lebensweise zweckmäßig zu verändern, den Kranken den Genuß frischer Luft zu ermöglichen, die Ernährung zu heben und den schwachen Körper zu schonen. Diese Heilmittel sind nicht minder wichtig als das Eisen.




Hans Sachs.
Ein Gedenkblatt von Hans Boesch.

Das Hans-Sachs-Denkmal in Nürnberg.

Die Stadt Nürnberg hat für den 5. November dieses Jahres zur Feier des vierhundertjährigen Geburtstages von Hans Sachs ein Fest vorbereitet, bei dem sich die ganze Bürgerschaft vereinen wird im Ausdruck der Freude, daß neben dem größten deutschen Maler der Reformationszeit, Albrecht Dürer, auch der größte deutsche Dichter dieser gewaltigen Epoche deutschen Geisteslebens ein Sohn und Bürger ihrer ruhmreichen Vaterstadt gewesen ist. Und auf allen deutschen Bühnen von künstlerischer Bedeutung wird an diesem Tage durch die festliche Aufführung Hans Sachs’scher Schwänke daran erinnert werden, daß derselbe Hans Sachs der erste hervorragende deutsche Dramatiker von nationalem Charakter war.

Freilich sind diese kleinen, in der Form eckigen und spröden, im sprachlichen Ausdruck veralteten, im ihrem frischen Geist und Humor jedoch noch urlebendigen Scherzspiele auf der heutigen Bühne und im modernen Bildungsleben nur Fremdlinge. Einst, wie die erzählenden Gedichte und die poetischen Flugschriften, mit denen Hans Sachs im Geiste der Reformation wirkte, für die breite Masse des Volkes geschrieben und auch ihrer Verbreitung und Beliebtheit nach von der umfassendsten Volkstümlichkeit, sind sie heute meist nur noch der Gegenstand gelehrter Liebhaberei und historischen Interesses. Und doch ist das Bild des kernhaften Nürnberger Volksdichters, der Werktags mit Pechdraht, Hammer und Pfriem dem ehrsamen Schusterhandwerk oblag, um sich den Sonntag durch treue Pflege der Poesie zum Festtag werden zu lassen, auch heute jedem Deutschem gegenwärtig, der sich für die ideale Seite unserer Geschichte ein Interesse bewahrt hat. Nicht nur durch die Gestaltung, welche die neuere Kunst, vor allem die Schöpfer des Hans Sachs-Denkmals in Nürnberg, Kraußer und Lenz, und Richard Wagner in seiner Bühnenfigur seiner Erscheinung gegeben. Wer auch von Hans Sachs unmiltelbar nichts gelesen haben sollte, Goethes Gedicht „Hans Sachsens poetische Sendung“, das durch Form und Inhalt uns dessen kraftvolle Dichterart verauschaulicht, hat er gelesen. Und die schöne Thatsache, daß die hohe Blütezeit der deutschen Poesie, deren machtvollstes Werk Goethes „Faust“ ist, durch dieses Dichters jugendfrische Begeisterung für die naive Dichtung des Hans Sachs befruchtet wurde, ist für uns eine lebendige Beziehung zu diesem selbst. Das Vorbild für die schlichten Reimzeilen, die im „Faust“ für das Innigste und Erhabenste zum schmiegsamen Gewand wurden, entnahm Goethe unmittelbar den Dramen des Meisters, zu dem er in seinem Gedicht die Muse im Kornährenkranz sagen ließ:

„Ich habe dich auserlesen
Vor vielen in dem Weltwirrwesen,
Daß du sollst haben klare Sinnen
Nichts Ungeschicklichs magst beginnen.
Wenn andre durch einander rennen,
Sollst du’s mit treuem Blick erkennen
Wenn andre bärmlich sich beklagen,
Sollst schwankweis deine Sach’ fürtragen;
Sollst halten über Ehr’ und Recht,
In allem Ding sehn schlicht und schlecht,
Frummkeit und Tugend bieder preisen,
Das Böse mit seinem Namen heißen,
Nichts verlindert und nichts verwitzelt,
Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt;
Sondern die Welt soll vor dir steh’n,
Wie Albrecht Dürer sie hat geseh’n,
Ihr festes Leben und Männlichkeit,
Ihre innere Kraft und Ständigkeit.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_732.jpg&oldid=- (Version vom 13.10.2022)