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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Theekähne auf dem Brahmaputra.

Einen Uebergang von dem grünen zu dem schwarzen Thee Chinas bildet z. B. der Oulong; diese Theesorte ist mit so vielen gelblich-grünen Blättern durchsetzt, daß ihre Farbe nicht mehr schwarz genannt werden kann; die Chinesen nennen sie darum „Oulong“, d. h. „grüner Drache“. Die wirklichen schwarzen Theesorten Chinas werden unter dem Namen der „Boheas“ zusammengefaßt; das Wort ist eine Verstümmelung des chinesischen „Bow-ui“, eines Gebirges, in welchem der schwarze Thee vornehmlich erzeugt wird. Obenan unter den schwarzen Theesorten steht der „Kaper“, ein Thee, der wegen seiner Aehnlichkeit mit den Früchten des Kapernstrauches so genannt wurde. Die Chinesen nennen ihn „schwarzen Perlenthee“, weil die Blätter so rund und fest gerollt sind, daß sie wie Perlen aussehen. Eine andere Sorte heißt „Pekko“; der Name ist aus dem chinesischen „Pak-ho“, d. h. „weiße Daunen“, entstanden. Die Spitzen der Blätter dieser Sorte sind nämlich mit weißen Härchen besetzt, welche den Daunen etwas ähnlich sehen. Die dritte Sorte nennt man „Souchong“, was „kleine oder seltene Sorte“ bedeutet, weil zu ihr nur kleine Blätter der zweiten Ernte verwendet werden. Die vierte Sorte heißl „Pouchong“, d. i. „gefaltete Sorte“, ihre Blätter sind spitz, rauh und platt. Als fünfte Sorte lernen wir endlich „Kongu“ kennen, die „mühevolle Sorte“, weil auf ihre Zubereitung mehr Kraft und Zeit verwandt wird als auf irgend eine andere des schwarzen Thees. Jede dieser Hauptsorten zerfällt noch in eine Reihe Untersorten, und wer Theekenner sein will, muß einen feinen Geschmack haben, ebenso wie bei uns der Weinkenner. Das Amt des jungen Chinesen, der auf unserem Bildchen S. 659 eine Theeprobe kostet, ist äußerst verantwortungsvoll. Der Käufer in Europa bekommt übrigens nur in den seltensten Ausnahmefällen eine dieser Sorten in reinem Zustande. Jede von ihnen zeichnet sich durch einen besonderen Geschmack aus: die eine ist herb, die andere mild, die eine hat viel, die andere wenig Aroma. Man sucht nun diese verschiedenen Vorzüge dem Theetrinker dadurch sozusagen in einer Tasse zu bieten, daß man die verschiedenen Sorten mischt und die Mischung dem Geschmacke des betreffenden Landes anpaßt. Diese Mischungen werden von den Zwischenhändlern, zumeist von den Einfuhrhäusern, besorgt und sie sind wieder eine Kunst, welche die europäischen Theehandlungen ausüben. Eine gute Mischung, die ein Kaufmann nach vielen Proben gefunden hat und die dem Geschmacke seiner Kunden zusagt, wird als das tiefste Geschäftsgeheimnis nicht einmal den Angestellten des Hauses verraten. Daran denken die wenigsten, die ihren Theebedarf viertelpfundweise kaufen und auf die Marken „Souchong“ oder „Pekko“ schwören.

Ostindisches Trockenhaus.

Man hat aber noch eine andere Unterscheidung des chinesischen Thees, was seine Güte anbelangt, eingeführt. Von dem auf überseeischem Wege eingeführten „Schiffsthee“ unterschied man als den bei weitem besseren den „Karawanenthee“, der auf dem Rücken der Kamele quer über Asien nach Rußland gebracht wird. Unser Bild S. 657 zeigt uns den Theelagerplatz eines russischen Kaufmanns in der Mongolei, wo die Theeballen in großen Haufen, mit Häuten bedeckt, für den Landtransport aufgestapelt sind. Soweit es sich um den echten Thee handelt, hat jener Unterschied bis heute Geltung; denn die Feuchtigkeit, die auf der See herrscht, beeinträchtigt den Thee während der Ueberfahrt, und dann ist die Beförderung auf dem Karawanenwege so teuer, daß man sie nur für die besten Sorten des chinesischen Thees in Anspruch nimmt.

Zweihundert Jahre lang besaß China das Monopol des Theehandels. Die Theetrinker Europas hingen sozusagen von seiner Gnade ab, und der bezopfte Mongole wußte diesen Umstand sich zu nutze zu machen, er steigerte die Preise und fälschte die Ware. Die Verfälschungen konnten in China um so leichter ausgeführt werden, als in diesem Lande die Theekultur nicht im großen von einzelnen Pflanzern, sondern von Tausenden kleiner

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 658. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_658.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)