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Blätter und Blüten.


Chinesische Infanterie aus der südlichen Mandschurei. Von der einheitlichen Durchbildung der japanischen Armee ist die chinesische weit entfernt. In China bilden die Streitkräfte jeder Provinz je einen selbständigen Heeres[k]örper, so daß deren im ganzen 23 bestehen, je unter dem Befehl des betreffenden Gouverneurs. Den Gouverneuren stehen jedoch die Kommandeure der Mandschu-Truppen, die sogenannten „Bannergenerale“ selbständig gegenüber. Die „Mandschu“ oder die Soldaten „der acht Fahnen“ bilden den alten vielfach begünstigten Kriegerstand des Reiches in der Stärke von etwa 288000 Mann; hiervon kommen jedoch für einen Feldkrieg nur 90000 nach europäischem Muster, unter Mitwirkung europäischer, besonders auch deutscher Offiziere ausgebildete Mannschaften in Betracht. Alles in allem mag die chinesische Heeresmacht etwa auf 1 Million Soldaten sich belaufen, wovon jedoch nur etwa 387000 für einen Feldkrieg verwendbar erscheinen. Unsere Abbildung zeigt eine Abteilung chinesischer Infanterie aus der südlichen Mandschurei, und zwar von solchen Truppen, die zu den „gutausgebildeten“ gehören sollen. Eine Uniform im eigentlichen Sinne besitzen sie nicht, höchstens tragen sie gleichgefärbte Oberkleider. Nur für die Offiziere ist in neuerer Zeit eine Uniform vorgeschrieben worden, die, wie die der japanischen Offiziere, Aehnlichkeit mit der französischen hat. Die Bewaffnung ist keineswegs einheitlich, die verschiedensten Gewehrsysteme finden sich in den Händen dieser Krieger beieinander. Daß es unter diesen Umständen auch mit dem Munitionsersatz im Gefecht seinen gewaltigen Haken hat, läßt sich leicht begreifen. Alles in allem betrachtet, wird die chinesische Armee, trotz ihrer zahlenmäßigen Uebermacht, im freien Felde der japanischen gegenüber stets einen äußerst schweren Stand haben.

Chinesische Infanterie aus der südlichen Mandschurei.
Nach einer Photographie gezeichnet von A. Wald.

Die neue Kunstakademie in Dresden. (Zu dem Bilde S. 613.) Längere Zeit war Dresden als Kunstschulstadt den wetteifernden Schwestern München, Berlin, Düsseldorf, Karlsruhe gegenüber dadurch etwas im Nachteil gewesen, daß die Räume der alten Kunstakademie ihrem Zwecke nicht mehr genügten und außerdem an einem würdigen Ausstellungsgebäude Mangel war. Nunmehr ist diesen Uebelständen abgeholfen. In der jetzt vollendeten neuen Kunstakademie samt dem mit ihr in organischer Verbindung stehenden Ausstellungspalast hat die Kunstpflege in Dresden ein reiches und prächtiges Heim gewonnen, die Stadt zugleich einen architektonischen Schmuck ersten Ranges.

Der neue Renaissance-Prachtbau auf der Brühlschen Terrasse ist eine Schöpfung des Baurats Konstantin Lipsius, des langjährigen Lehrers der Architektur an der Dresdener Akademie. Leider hat der Meister die Eröffnung des fertigen Werkes selbst nicht mehr erleben dürfen, am 11. April dieses Jahres ist er gestorben. Unsere Abbildung zeigt zunächst den der Elbe entlang gehenden Bau der Kunstakademie, mit einem etwas vorspringenden gekuppelten Mittelteil und zwei Seitenpavillons. Ein ebenfalls von einer Kuppel gekrönter niedrigerer Zwischenbau, in dem die Architektur ihr Heim aufgeschlagen hat, führt hinüber zum Kunstausstellungsgebäude, dessen Haupteingang, durch eine mächtige Säulenhalle gekennzeichnet, von unserem zweiten Bilde wiedergegeben wird. Neben verschiedenen kleineren Kabinetten enthält dieser Teil zwei große Ausstellungssäle, den einen im unmittelbaren Anschluß an die Halle des Haupteingangs, den zweiten unter der großen Kuppel, die mit ihrer tubablasenden, in Kupfer getriebenen Gestalt der „Fama“ die gesamte Anlage beherrschend überragt. Die noch größere Kuppel, welche auf dem Bilde rechts von dieser sichtbar ist, gehört nicht zu unserem Bauwerk, sondern zu der dahinter liegenden „Frauenkirche“. Was dem Beschauer sofort ins Auge fällt, ist der reiche plastische Schmuck, mit dem diese Kunstpaläste bedacht worden sind. Besonders freigebig ist jene oben genannte Säulenhalle vor dem Haupteingang zu den Ausstellungsräumen mit figürlichem Schmucke ausgezeichnet worden, und hier fiel Meister Johannes Schilling der Löwenanteil der Arbeit zu. Den Giebel überragt Pallas Athene mit Schild und Speer, ihr zu Füßen der Menschenbildner Prometheus und die sich entschleiernde Psyche; wie in diesen Figuren, so werden auch in denen des Giebelfeldes die mannigfachen Formen und Aeußerungen des künstlerischen Triebs im Menschen versinnbildlicht. Rechts und links von dem mit einem Apollokopf gekrönten Giebel stehen, zu Paaren geordnet, die von Hölbe geschaffenen Gestalten der Hauptkunststädte Deutschlands: München, Düsseldorf, Berlin und Dresden, während unten in der Halle ein Peter Cornelius von Kietz und ein Christian Rauch von Hultzsch Aufstellung gefunden haben.

Im Hafen von Bergen. (Zu dem Bilde S. 616 und 617.) In wunderbarer und vielgefeierter Schönheit liegt Bergen, Norwegens zweite Handelsstadt und einst ein hochberühmter Sitz der Hansa, am Abhang des Fløifjeld und zieht sich hinüber über eine buchtenreiche Halbinsel, deren südöstliches Ende durch das schmale Band der Nygaardsbrücke mit dem jenseitigen Festland verbunden wird. Von der Höhe des Fløifjeld aus, die unser Zeichner zum Standpunkt gewählt hat, genießt man einen ungehinderten Blick insbesondere auf die Halbinsel und auf das gegenüberliegende Ufer mit seinen Dörfern, Schlössern und Villen. Rechts im Vordergrunde schiebt sich der geräumige Hafen zwischen die Häuser der Stadt, jenseit der dichtbebauten Halbinsel Nordnaes dehnen sich die Fluten des Puddefjord, der nach links hin allmählich in die Enge der Solheimsvik übergeht und durch den Store Strom unter der erwähnten Nygaardsbrücke hindurch mit dem seichten Store Lungegaardsvand in Verbindung steht. Dank einem außerordentlich milden, wenn auch sehr feuchten Klima – der Regenschirm gehört zu den stehenden Attributen des Bergeners – gedeihen hier hoch im Norden fast alle deutschen Laubbäume und ein reicher Blumenflor, obwohl die Spitzen der benachbarten Berge mit Schnee bedeckt sind.

Als unser Zeichner sein Bild aufnahm, hatte Bergen gerade den Besuch der I. Division des deutschen Manövergeschwaders, die sich vom 19. bis 24. Mai d. J. dort aufhielt. Auf den glatten Fluten des Puddefjords liegen die Panzerschiffe „Baden“, „Bayern“, „Sachsen“ und „Württemberg“ nebst dem Aviso „Pfeil“. Beide Divisionen hatten damals dreieinhalb Wochen lang Manöver in der Nordsee, von denen sie am letzten Tage des Mai nach Kiel zurückkehrten.

Heimfahrt vom Manöver. (Zu dem Bilde S. 625.) Die letzte „Schlacht“ ist geschlagen, die letzte Kritik vorüber, die Manöver sind zu Ende. In den meisten Fällen geht es sofort, spätestens am andern Morgen, an die „Einschiffung“ der Truppen auf der Eisenbahn, damit sie so rasch als möglich ihre Garnisonen erreichen. Nur die berittenen Waffen oder solche Infanterie-Truppenteile, deren Standorte in nicht allzugroßer Entfernung liegen, pflegen von dem modernen Verkehrsmittel keinen Gebrauch zu machen. Nun ist solch ein militärischer Eisenbahntransport, der die Soldaten oft auf viele Stunden in die Enge der Wagen einkeilt, an sich ein mäßiges Vergnügen. Auf der Heimfahrt vom Manöver aber vermögen auch die herbsten Unbequemlichkeiten die fröhliche Stimmung nicht zu dämpfen. Eine Zeit ungewöhnlicher Strapazen ist nun glücklich überstanden, die Entlassung der „Reservemänner“ steht unmittelbar vor der Thür, das ist zuviel Zündstoff für das natürliche Heiterkeitsbedürfnis unserer jungen Vaterlandsverteidiger, als daß Ermattung oder Langeweile die Herrschaft behaupten könnten.


Inhalt: Um fremde Schuld. Roman von W. Heimburg (1. Fortsetzung). S. 613. – Die neue Kunstakademie in Dresden und das Portal des neuen Kunstausstellungsgebäudes. Bild. S. 613. – Im Hafen von Bergen. Bild. S. 616 und 617. – Das Wallenstein-Festspiel in Altdorf. Von Hans Bösch. S. 618. Mit Abbildungen S. 618 und 619. – Von der Weltausstellung in Antwerpen. Von P. Neubaur. S. 620. Mit Abbildungen S. 620, 621 und 622. – Wandlungen. Novelle von Gerhard Walter (Schluß). S. 623. – Heimfahrt vom Manöver. Bild. S. 625. – Blätter und Blüten: Chinesische Infanterie aus der südlichen Mandschurei. Mit Abbildung. S. 628. – Die neue Kunstakademie in Dresden. S. 628. (Zu dem Bilde S. 613.) – Im Hafen von Bergen. S. 628. (Zu dem Bilde S. 616 und 617.) – Heimfahrt vom Manöver. S. 628. (Zu dem Bilde S. 625.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_628.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)