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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Nr. 34.   1894.
      Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

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Die Brüder.

Roman von Klaus Zehren.
(7. Fortsetzung.)

Hermann begann zu erzählen, von der Kindheit, wie er die Seinen so lieb gehabt, die Eltern, den Bruder, die Lore. Allmählich ward er beredt, es war, als ob ein lange zurückgedämmter Strom nun freien Lauf bekäme. Edda horchte, das Haupt in die Hand gestützt, auf die schlichten Bekenntnisse dieses Mannes. Einigemal fühlte sie sich versucht, zu rufen. „Das war falsch; da hast Du nicht richtig gedacht!“ aber sie brachte es nicht übers Herz. Er hatte doch alles so ehrlich, so warm empfunden.

„Und nun so dazustehen, mir sagen zu müssen, daß alle meine Bemühungen umsonst waren, daß Bruno und Lore unglücklich geworden sind, daß unsere Familie vielleicht dem äußeren Ruin entgegen geht! Diese widrige Sache mit dem Prinzen, in der ich durch mein Eingreifen alles verdorben habe! Das ist hart. Fast ein Jahrzehnt gekämpft und gerungen und wer weiß – nun fällt doch alles zusammen.“ Er schwieg erschöpft.

„Armer Mann!“ sagte sie einfach. „Sie hätten wahrlich Besseres verdient! Ich danke Ihnen von Herzen für Ihr Vertrauen. Aber sie dürfen nicht kleinmütig werden! Es paßt nicht zu Ihnen.“

Nur mühsam bezwang sie die eigene Erregung. Jetzt fühlte sie deutlich, wie sie zu ihm gehörte, wie ihr Herz mit dem seinen schlug, jetzt, nachdem er ihr ein Stück seines eigensten Selbst gezeigt und gegeben hatte. Sie hätte zu ihm treten und die Arme um seinen Hals schlingen mögen, damit er wisse, daß er nicht ungeliebt, allein in der Welt stehe.

„Sie sind stark, Fräulein Edda. Es ist alles so fest und ruhig an Ihnen, daß ich in Ihrer Nähe meine, ich könnte – – doch nein! Ich gehe heute anders fort, als ich gekommen bin, und das danke ich Ihnen. Ich weiß, daß das, was ich gesprochen, bei Ihnen so fest verwahrt ist, als hütete ich selbst diese Bekenntnisse. Darf ich öfter wiederkommen? Ich empfinde selbst, daß ich Menschen brauche, die mir nicht nur äußerlich nahe stehen“

Der Klang seiner Stimme war ernst, tief zu Herzen gehend, und Edda fühlte diesen Ton wie ein Zittern durch ihr Inneres dringen. „Wie gern!“ erwiderte sie und senkte den Blick.

Eine Weile saßen sie sich stumm gegenüber, dann sagte Hermann: „Ihr Vater scheint doch erst spät zu kommen. Gute Nacht, Fräulein Edda!“

Langsam ging er hinaus, nachdem er ihr die Hand gereicht hatte; sie öffnete ihm die Hausthür. „Gute Nacht,“ klang’s noch einmal, während seine Schritte sich entfernten.

In die Stube zurückgekehrt, warf sich Edda, seltsam erregt, in einen Lehnstuhl. Wie gut sie ihn verstehen konnte, wenn auch vieles in ihm

Neugier.
Nach einem Gemälde von Tito Conti.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_565.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)