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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Felskegel oder die über das grüne Laubwerk der Wälder emporragenden malerischen Felsgebilde dem Auge eine willkommene Abwechslung gewähren.

Nach schier vierstündiger Fahrt taucht zur Linken ein mächtiger, bis zum Gipfel bewaldeter, abgestumpfter Bergkegel auf; es ist der malerische Judenberg, das Wahrzeichen des Bergortes Zalatna. Helle Flecken, die hie und da an den fernen Berglehnen sichtbar werden und die Mundlöcher der Stollen anzeigen, die von Goldsuchern angelegt wurden, auch etliche halbnackte, sonnverbrannte Zigeuner, die an einer Krümmung des Ampoly beschäftigt sind, den Flußsand mit ihren Waschtrögen auf seinen Goldgehalt zu untersuchen, verraten, daß wir die Grenzen des Golddistriktes erreicht haben. Bald darauf fahren wir in Zalatna (rumänisch Slagna), einem hübschen, von Magyaren und Rumänen bewohnten Marktflecken ein, der wahrscheinlich auf der Stelle der ehemaligen Römerkolonie Ampela liegt. Hier in diesem stillen, rings von Bergeshöhen umschlossenen, vom Ampoly durchrauschten Orte dichtete im Jahre 1629 der von dem Landesfürsten Gabriel Bethlen als Professor nach Weißenburg berufene Stifter der Schlesischen Dichterschule, Martin Opitz, sein Lehrgedicht „Zlatna oder von der Ruhe des Gemütes“. Zahlreiche Häuserruinen, die in den Gassen auftauchen, erzählen uns noch immer von den blutigen Greuelscenen des achtundvierziger Bürgerkrieges, die sich hier in erschütternder Furchtbarkeit abspielten. Obwohl sich in der Umgebung Zalatnas eine ganze Menge von Goldbergwerken befindet, bemerken wir davon doch sehr wenig, und nur das ärarische Hüttenwerk mit seinem mächtigen Hochofen erinnert uns daran. Hier werden die gepulverten goldhaltigen Kiese, der „Schlich“ geröstet und von dem Schwefel befreit, sodann geschmolzen, worauf aus dem Schmelzergebnis, dem „Lech“ oder „Stein“, einem Gemenge von edlen und unedlen Metallen, das Gold und Silber geschieden wird. Der als Nebenerzeugnis gewonnene Schwefel wird in einer zum Hüttenwerk gehörigen Schwefelsäurefabrik zu Schwefelkohlenstoff verarbeitet, der von der Regierung zu billigem Preise an die Weingartenbesitzer behufs Bekämpfung der Reblaus abgegeben wird.

Siebenbürger Rumänen.

Doch unseres Bleibens in Zalatna ist nicht lange; wir eilen, noch am selben Tage nach Abrudbánya zu gelangen. Der Weg, der nun durch das Thal von Trimpoële, von da in zahlreichen Schlangenwindungen ansteigend über die Wasserscheide des Ampoly und Abrudbaches und schließlich dem Laufe des letzteren folgend, durch das Hirschthal (Valea Cserbului) führt, ist viel anziehender als die bisher zurückgelegte Strecke, und die wechselnden landschaftlichen Scenerien wie die Ausblicke über die Berge sind bisweilen geradezu großartig. Nach einer Fahrt von vier Stunden haben wir Abrudbánya und damit jenen Punkt des Erzgebirges erreicht, von dem aus dieses nach allen Richtungen am bequemsten durchstreift werden kann. Merkwürdiger als der Ort selber, dessen fünf Kirchen uns andeuten, daß hier Angehörige von fünf christlichen Glaubensbekenntnissen wohnen, meist Rumänen und Magyaren, ist das eigenartige Leben und Treiben, das uns in diesem „Sacramento Siebenbürgens“ und seiner Umgebung entgegentritt und uns den Beweis erbringt, daß wir uns thatsächlich im „Goldlande“ befinden. Wenn am Montag, dem Tage des Wochenmarktes, sich auf dem von drei Kirchen umschlossenen Marktplatze das rumänische Landvolk der Umgebung sammelt, wenn die sehnigen Männer aus den Bergen, die Motzen, deren manche noch die Haarsträhne in Zöpfe gewunden tragen, sowie die schönen Frauengestalten in der kleidsamen Tracht jener Gegend sich einfinden, sehen wir zahlreiche Leute zum Goldeinlösungsamte eilen. Denn mit dem Markttag fällt auch der zur Goldeinlösung festgesetzte Tag zusammen. Der Eintritt in das Amtsgebäude ist uns unverwehrt. Da erblicken wir neben dem reichen Bergwerksbesitzer gar manchen oft recht zerlumpten Kerl, der seinen Goldfund aus schmutzigem Tüchlein herausschält und triumphierend dem Beamten hinreicht; meist aber sind es Bauern, welche hier die Ausbeute ihrer Gruben verwerten. Das Gold wird probiert, gewogen und sein Wert sofort in klingender Münze vergütet.

Mancher dieser Goldsucher erhält so bis zu hundert, nicht selten aber auch etliche hundert, ja tausend Mark ausgezahlt. Aber was nützt es ihn? Hat er nach wochen-, oft auch monatelanger harter Arbeit endlich „Glück gehabt“, so säumt er keinen Augenblick, sich nach den Tagen der Entbehrung in den zahlreichen Schenken so lange gütlich zu thun, bis der letzte Kreuzer wieder verjubelt ist. Darum schallt uns jetzt aus allen Wirtsstuben und Schenken rauschende Zigeunermusik entgegen, die heute den ganzen Tag und auch die folgenden Nächte schier nie verstummt, während eine bunte Gesellschaft bei dem mit Borszeker Sauerwasser gemischten Weine sitzt und eifrig über die Ergiebigkeit der Goldgruben, über deren Ausbeutung und über erworbene Schurfrechte spricht. Hier sieht man einen zerpochte Gesteinsproben vermittelst eines fächerförmigen Sichertroges auf ihren Gogldgehalt untersuchen, dort werden Käufe und Verkäufe geschlossen, durch Handschlag bekräftigt und zuletzt mit einer reichlichen Weinspende besiegelt. Unermüdlich fideln die braunen Söhne Indiens dazu, und wir bleiben im Zweifel, ob wir die Ausdauer der Geiger oder der Zuhörer mehr bewundern sollen.

Der nächste Morgen findet uns auf dem Wege nach Verespatak, der eine Strecke nordwärts am Abrudbache entlang, dann aber, von Gura Roschi weiter, ostwärts führt. Munteres Rauschen und Klappern schlägt fast ununterbrochen an unser Ohr; es sind dies die dem Landvolk gehörenden urwüchsigen Goldstampfen, deren wir auf unserer Wegestrecke schier ein halbes Tausend zählen können. Die Berge ringsum, insbesondere der langgestreckte Kirnik, enthalten in ihrem Gestein viel gediegenes Gold, das von den Anwohnern in sehr einfach betriebenem Bergbau zu Tage gefördert wird. Wer wohlhabend genug ist, schafft das goldhaltige Gestein auf Pferden zur Stampfe; der Aermere muß es sich selber dahin schleppen, und oft genug keuchen Männer und Frauen an uns vorüber, die das Gestein in Körben auf dem Rücken von der Grube zu ihrem Pochwerk tragen. Eine solche Goldstampfe besteht aus einem Holzschuppen, in dem der gezahnte Wellbaum eines durch Wasserkraft getriebenen Rades abwechselnd mehrere schwere Pochstempel hebt und fallen läßt; wuchtig schlagen diese auf das in einer Vertiefung befindliche Gestein nieder und zerstampfen es. Darüber rieselndes Wasser schwemmt die leichteren Teile des Steinmehles weg, während die schweren Goldkörnchen auf dem Grunde liegen bleiben; was davon vom Wasser mitgerissen wird, wird unten auf rauhen Wolldecken aufgefangen. Feine Goldstäubchen gelangen trotzdem in den Bach, dessen Sand hernach noch von Goldwäschern mittels des Sichertroges ausgebeutet wird. Die dem Staate gehörenden Pochwerke, so jenes bei Gura Roschi, sind dagegen sehr vollkommen eingerichtet, und durch ein zweckmäßiges Amalgamierungsverfahren mit Quecksilber wird dort jeder Verlust an kostbarem Goldstaub vermieden. Auch die dem Staate gehörigen Bergwerke werden in systematischer Weise betrieben und ihr Besuch ist ebenso anziehend wie lehrreich. Was dem Fremden dort am

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_507.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2023)