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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

1700 Gulden Konventionsmünze, eine für die damalige Zeit unerhörte Summe, flossen dem jungen Tonkünstler zu, und diese glänzende Einnahme wurde zum größten Teile zur Bezahlung der edelmütigen Lehrer verwendet, welche bis zu diesem Tage hatten vertröstet werden müssen. Nun war es mit dem Unterrichte aus. Mozart fühlte sich stark genug, selbst Klavierunterricht zu erteilen, und als dreizehnjähriger Klavierlehrer begann er, sich auf eigene Füße zu stellen.

Die Begeisterung des Wiener Publikums, sowie sein väterlicher Freund und nachheriger Stiefvater, der dänische Etatsrat van Nissen, waren ihm bei der Erlangung von Stunden in der ersten Zeit sehr behilflich. Der letztere, der später des großen Mozart Witwe, Constanze, als Gattin heimführte, sorgte für den jugendlichen Künstler und seine weitere wissenschaftliche Ausbildung, so daß er in kurzer Zeit drei fremde Sprachen lernte, frazösisch, englisch, italienisch, namentlich letzteres geläufig. Nissen hegte für den Knaben des toten Meisters schon damals eine wahrhaft väterliche Zuneigung, und als Wolfgang in seinem siebzehnten Lebensjahre einem Rufe des Grafen Bavorovsky nach Lemberg folgte, um dort die Stelle eines Klavierlehrers für des Grafen Tochter Henriette zu übernehmen, sah Nissen ihn ungern ziehen. Sechs Jahre lang blieb der junge Lehrer im Hause des Grafen und in dem des k. k. Kämmerers von Janiszewski in Lemberg, dann erfaßte ihn der Wandertrieb, der den meisten Virtuosen eigentümlich ist, und entführte ihn nach Rußland.

Bis zu diesem Jahre (1811) berechtigte das ernste Streben des Jünglings zu den schönsten Hoffnungen. Er hatte die Lust zum eigenen Schaffen noch nicht verloren und glaubte selbst noch an eine glänzende, ehrenvolle Zukunft. Nun aber brachen Enttäuschungen und Bitternisse mannigfacher Art über ihn herein, vergeblich war all sein Suchen nach einer gesicherten Lebensstellung, bis zu seinem Lebensende sollte er dieses Glück nur als lockende Fata morgana in der Ferne schauen.

Schon über der Kunstreise nach Rußland waltete ein Unstern, als Mozart kaum dort war, wurde eine Hoftrauer angesagt und infolgedessen waren alle öffentlichen Unterhaltungen vier Monate hindurch verboten. Was blieb dem jungen Tonkünstler übrig, als wieder abzuziehen! Er kehrte denn auch über Warschau, Königsberg, Danzig, Berlin, Prag, Leipzig, Dresden und Süddeutschland nach Lemberg zurück, nachdem er in Shitomir und Kiew zwei glänzende Konzerte gegeben hatte. Seine Konzertreise durch Deutschland – er kam bis nach Stuttgart – glich allerdings einem Triumphzuge. So wurde er in Dresden bei Hofe eingeladen und insbesondere vom Könige Friedrich August I. mit vielen Ehren und wertvollen Geschenken ausgezeichnet. König Wilhelm I. von Württemberg bot ihm eine Konzertmeisterstelle mit 1500 Gulden Jahresgehalt an, welche Mozart indessen ausschlug. Diese Absage, bei welcher die Liebe zu seinem Vaterlande stark ins Gewicht gefallen war, hat er in späteren Jahren sehr bedauert, denn das Glück bot ihm nie wieder die Hand; es sollte ihm nicht mehr gelingen, eine seinen Kenntnissen entsprechende Anstellung zu erhalten. Die Mitwelt verlangte von dem Sohne des großen Meisters mehr, viel mehr, als er bisher geleistet hatte, und als er im Jahre 1820 wieder nach Wien zurückkehrte, trat ihm sogar die Sorge ums tägliche Brot nahe. Was half es ihm, daß Andreas Streicher, damals der gesuchteste Klavierlehrer Wiens, seinen gemütvollen, zarten Vortrag nicht genug rühmen konnte! Einmal umarmte ihn auch Hummel, sein einstiger Lehrer, vor dem ganzen Konzertpublikum und rief aus: „Ich bin stolz darauf, Dich meinen Schüler nennen zu dürfen!“ Und doch hatte Mozart mit Nahrungssorgen zu kämpfen!

Das Grab Wolfgang Amadeus Mozart des Jüngeren
auf dem Karlsbader Friedhof.

Nach einer Photographie von Adalbert Barton jun. in Karlsbad.

Des Wartens und der nicht eingehaltenen Versprechungen endlich müde, ging Mozart im Jahre 1822 wieder nach Lemberg zurück. Dort lebte er bis 1838 im Kreise seiner zahlreichen Freunde, mit der Ausbildung talentvoller Schüler beschäftigt, unter denen namentlich Andreas Streichers Enkel, Ernst Pauer, seine herzliche Zuneigung genoß. Dieser Lieblingsschüler war es denn auch, der ihm zuletzt die müden Augen zudrückte.

Während der nächsten fünf Jahre seines Lebens – Mozart war 1838 wieder nach Wien übergesiedelt – bildete sein Haus einen Versammlungsort der ausgezeichnetsten Künstler und Litteraten Wiens, da er trotz seines leidenden Zustandes ungemein gesellig war und ein Besuch in seinem Hause auserlesene mnsikalische Genüsse bot.

Im Juni 1844 entschloß er sich zu einer Badereise nach Karlsbad, und als er dort nach der damals noch recht beschwerlichen Reise eintraf, machte er bereits den Eindruck eines schwer kranken Menschen. Seine Gesichtsfarbe war vollkommen gelb, was um so mehr auffiel, als er dunkelbraunes Kopf- und Barthaar hatte. Außerdem liebte er es, sich absonderlich zu kleiden.

Bald nach seiner Ankunft erkrankte er derartig, daß die Aerzte jede Hoffnung auf Wiederherstellung seiner Gesundheit aufgeben mußten, und am 29. Juli, Abends 9 Uhr, erlag er trotz aller liebevollen Pflege, die ihm Ernst Pauer und die Doktoren Rudolf Mannl und Gallus Hochberger angedeihen ließen, der heftigen Magenentzündung, die ihn befallen hatte.

An seinem offenen Grabe sang sein berühmter Zeitgenosse Franz Grillparzer wehmütig:

„Nun öffnen sich dem guten Sohne
Des großen Vaters Arme weit,
Er giebt, der Kindestreu zum Lohne,
Ein Teilchen Dir Unsterblichkeit.“

Zu Ehren Mozarts führte der Karlsbader Musikverein am Begräbnistage das Requiem seines großen Vaters auf. Nun, nach fünfzig Jahren, rüstet sich Karlsbad abermals, den Meister der Töne in seinem Sohne zu ehren. Möge die große Mozartgemeinde, die sich über den ganzen Erdball verteilt, im Geiste daran teilnehmen!

Theobald Joh. Hofmann.     




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