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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


In der Ramsau.
Nach einem Gemälde von J. G. Steffan.

gebrochen; dem einzig noch stehenden Bäumlein zu Füßen lagen die beiden Leichen. Mutter Mahtilt, noch umklammert von den Armen des entseelten Knechtes. Sigenot wankte und griff, um sich zu stützen, nach seinem gebrochenen Baum. Seine irrenden Blicke suchten das Kreuz, dann streckte er die Hände nach dem Knecht: „Der ist treu gewesen … und ich kann’s ihm nimmer lohnen!“

Heilwig mußte ihm helfen, die starren Arme Wichos zu lösen, der die Mutter seines Herrn nicht lassen wollte. Während die Magd mit stammelnden Worten erzählte, was sie erlebt und erfahren, hielt Sigenot die Leiche der Mutter in den Armen und hing mit verlorenem Blick an den bleichen Zügen, die dem Antlitz einer Schlummernden glichen. Nur einmal hob er die Augen – aus dem zerschlagenen Schilf des Ufers hatte eine jammernde Stimme sein Ohr getroffen.

„Der Kaganhart, der arme Hascher,“ schluchzte die Magd, „er muß die Hilmtrud suchen … das Wasser hat sie davongetragen mit dem Haus.“

„Not über allem, was lebt!“ Sigenot drückte das stille Haupt der Mutter an die Brust und streichelte ihr feuchtes Haar. „Mütterlein, Dir ist wohl! Komm … ich will Dich zum Vater bringen!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_481.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2021)