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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

wenn er den Gerichtsherrn trösten müßte, in heiterem Ton: „Mut, mein lieber General, wir sind Soldaten, wir wissen, was es heißt, in den Tod zu gehen. Sie erlauben mir doch, daß ich selbst kommandiere?“ Nunziante gab seine Zustimmung. Bald darauf kam der Lieutenant Froio mit einem Schriftstück in der Hand; es war das inzwischen niedergeschriebene Urteil. „Lesen Sie!“ sagte Murat und hörte gleichmütig zu. Dann fragte er den General, wann die Erschießung stattfinden solle. Trotz des oben mitgeteilten zur Eile antreibenden königlichen Befehles überließ es Nunziante dem Verurteilten, den Zeitpunkt der Hinrichtung selbst zu bestimmen. Murat setzte sie auf vier Uhr nachmittags fest, und die Offiziere verabschiedeten sich.

„Sehe ich Sie nicht mehr?“ rief Murat dem General nach.

„Ich habe Befehl, bei Ihrem Tode zugegen zu sein, aber ich werde die Kraft dazu nicht haben.“

„Gut, ersparen Sie sich das, aber ich möchte Ihnen doch noch einmal Lebewohl sagen.“

„Sie werden mich auf Ihrem Wege finden. Hier vor der Thür warten zwei Geistliche auf Sie. Wollen Sie sie empfangen?“

„Ja, lassen Sie sie eintreten!“ – –

Als es vier Uhr schlug, trat Murat aus seinem Zimmer. Vor der Thür erwarteten ihn der General Nunziante und ein Offizier. Nunziante warf sich dem Könige weinend in die Arme und verließ dann eiligst das Schloß. Murat durchschritt den Hausgang der Pförtnerwohnung, in der er seine letzten Lebenstage zugebracht hatte, und gelangte dann auf den großen, einem Saale gleichenden Flur des Schlosses, hier sah er die zum Vollzug der Hinrichtung bestimmten zwölf Soldaten aufgestellt. Er trat auf die erste Stufe eines Treppenaufgangs und rief, indem er seinen Rock über der Brust öffnete, mit lauter Stimme. „Feuer!“ Von acht Kugeln getroffen, sank er lautlos nieder. Man ließ dann die vor dem Thore wartende Volksmenge ein, damit sie sich von dem Tode Murats überzeuge.

In Pizzo erhielt sich das vielleicht nicht unbegründete Gerücht, daß die Leiche Joachims ohne Kopf begraben worden sei und daß der Geheimpolizist Luigi, der sich auf dem Landungszuge im Gefolge Murats befunden hatte, aus Neapel den Befehl erhalten habe, im Einverständnis mit dem Schloßkommandanten den Kopf abzutrennen und nach der Hauptstadt zu bringen. Es hieß, man habe sich auf diese Weise am besten gegen die Möglichkeit zu sichern gemeint, daß irgend ein Abenteurer, der sich für den König Joachim ausgeben könnte, Anhänger finde, denn dessen Unechtheit wäre durch den in Neapel verwahrten Kopf von vornherein verbürgt gewesen.



BLÄTTER UND BLÜTEN.


Ein Frauenheim. Seit etwas mehr als Jahresfrist hat in der schönen, romantisch gelegenen Stadt Hirschberg in Schlesien ein Haus seine Pforten aufgethan, das in der Kette der gemeinnützigen und wohlthätigen Anstalten unseres Vaterlandes ein wichtiges Glied bildet und darum in den weitesten Kreisen freundliche Beachtung und thatkräftige Unterstützung verdient. Es ist das ein „Frauenheim“, gegründet von Fräulein Marie Brückner, dessen Bestimmung es ist, unbemittelten Witwen, unversorgten alleinstehenden arbeitsunfähigen Damen um geringes Entgelt eine trauliche Heimat zu bieten. Wer es erfahren hat, wie schwer es für vermögenslose Frauen und Mädchen gerade des Mittelstandes ist, ein auch nur annähernd ihrer gewohnten Lebenshaltung entsprechendes Unterkommen zu finden, wie unsäglich hart auf ihnen oft die Sorge um des Lebens Notdurft lastet, der wird das hochherzige Unternehmen der mutigen Schlesierin mit Freuden begrüßen und gern dazu mitwirken, es im Geiste seiner Bestimmung weiter auszubilden. Zu dieser Ausbildung gehört u. a. wesentlich auch die Gründung von halben oder ganzen Freistellen. Bis jetzt wird den Bewohnerinnen des Heims ein mäßiger Pensionspreis von 600 Mark im Jahre berechnet, wofür sie in der Regel ein besonderes (unmöbliertes) Zimmer, Anteil an dem für das Zusammenleben bestimmten Raume, gute Hausmannskost, Heizung, Bedienung etc. genießen. Die Begründerin hofft aber, daß es ihr mit der Zeit, wenn erst die auf dem Gebäude lastenden Hypothekenschulden oder deren Zinsen durch einmalige oder jährliche Beiträge freigebiger Menschenfreunde gedeckt sein würden, gelingen werde, neun bis zwölf Freistellen zu errichten. Außerdem hat sie die Einrichtung getroffen, daß sich Damen um den Betrag von 300 Mark ein für allemal einkaufen können, um für Lebenszeit dauernd Wohnung zu besitzen, wobei das Kapital nach dem Ableben der Pensionärin an die Anstalt verfällt. Ueber alles Nähere giebt Fräulein Marie Brückner zu Hirschberg in Schlesien Auskunft, wie sie auch zur Entgegennahme von milden Stiftungen, einmaligen oder jährlichen, gern bereit ist. Das Heim liegt, von Garten umgeben, an einer ruhigen friedlichen Straße und gewährt einen herrlichen Ausblick auf das nahe Gebirge. Möge ihm eine glückliche Zukunft und eine segensreiche Wirksamkeit beschieden sein!

Sein Bild. Es ist ein lauschiges Plätzchen, recht geschaffen zum Träumen und Sinnieren, das der Maler auf dem Bilde S. 433 dargestellt hat. Auch das hübsche Mädchen, das mit seiner Näharbeit sich hierher gemacht hat, empfindet offenbar den Zauber der Oertlichkeit. Eines schönen Augenblicks sinkt ihr das Kleid, an dem sie gestichelt hat, in den Schoß, die Hand greift in die geheimste Tasche, um Brief und Bild des Geliebten hervorzuziehen. Zum wievielten Male sie wohl so sitzen und schauen mag? Und wäre es auch das hundertste Mal, es wird nicht das letzte sein!

Wie findet man seinen Platz im Bahnwagen? Diese schon oft gestellte Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie man glaubt. Wer viel in direkten schnellfahrenden Zügen verkehrt, weiß, wie schwierig es ist, unterwegs nach Einnahme einer Herzstärkung in der Bahnhofswirtschaft einer Zwischenstation unter den vielen einander aufs Haar gleichenden Wagen des Zuges den richtigen herauszufinden. Manchem ist es schon begegnet, daß er im Packwagen Platz nehmen mußte, weil er sich schlechterdings nicht zurechtfinden konnte. Bekannt ist die Geschichte von dem Reisenden, der unter Benutzung eines beliebten Hilfsmittels der Gedächtniskunst die Nummer seines Wagens dadurch festzuhalten suchte, daß er sich ein darauf bezügliches weltgeschichtliches Ereignis merkte. Er vergaß die Nummer und wollte diese nun mit Hilfe der Geschichtszahl feststellen, kam aber dadurch in die viel schlimmere Lage, für geisteskrank gehalten zu werden, weil er mit allen Zeichen der Erregung aus dem Stationsvorstande herauszubringen versuchte, wann Gottfried von Bouillon Jerusalem erobert habe.

Ein französischer Techniker suchte dem oft gefühlten Uebelstande dadurch abzuhelfen, daß er die einzelnen Wagen in auffälliger Weise mit Tiergestalten bezeichnete, z. B. mit einem Hund, einem Fisch, einem Krebs. Neuerdings hat die österreichische Kaiser Ferdinands-Nordbahn in den einzelnen Wagen Zettelblöcke angebracht, deren Blätter auf der Vorderseite mit der Firma der Bahn und der Nummer des Wagens versehen sind und von dem reisenden Publikum leicht abgetrennt werden können. Durch diese Einrichtung wird es dem Reisenden beim Aussteigen unterwegs ermöglicht, den zuerst benutzten Wagen, der sein Handgepäck, seinen Hut etc. enthält, ohne weiteres wieder aufzufinden, wenn ihm dessen Nummer aus dem Gedächtnis entschlüpft sein sollte.

Speisereste im Sommer. In der warmen Jahreszeit verderben unsere Speisen besonders leicht, und es ist keine geringe Verantwortung für die Hausfrau, in der Leitung der Wirtschaft diesem Umstand gerecht zu werden. Vor allem ist die Schädigung der Gesundheit durch verdorbene Speisen in Betracht zu ziehen. Durch die Zersetzung der Nahrungsmittel bilden sich in denselben Gifte, welche sehr schwere Erkrankungen und unter Umständen selbst den Tod verursachen können.

Als leicht verderblich und im Sommer besonders gefährlich sind zunächst die Fischgerichte hervorzuheben. Ein frisch geschlachteter und sofort zubereiteter Fisch bildet eine gesunde Nahrung, aber nicht bloß das rohe, auch das gekochte oder gebratene Fischfleisch zersetzt sich rasch. An warmem Orte kann es schon in Stunden die schlimmsten Eigenschaften annehmen, und es sollte darum als Regel gelten, Fischreste, die vom Mittag übrig geblieben sind, noch am Abend desselben Tages zu verzehren. Noch leichter verderben Krebse. Gekochte und längere Zeit stehen gebliebene Krebse haben oft zu Erkrankungen Anlaß gegeben, so daß selbst Behörden sich veranlaßt sahen, warnend auf diesen Umstand hinzuweisen.

Durch besondere Neigung zu raschem Verderben zeichnen sich ferner die Büchsenkonserven aus, nachdem die Büchse geöffnet worden ist. Namentlich bei Sardinen in Oel sollte man vorsichtig sein und in einer einmal geöffneten Büchse während des Sommers nichts für den folgenden Tag aufheben. Dasselbe Verfahren ist auch beim Hummer zu beobachten.

Was die übrigen Speisen anbelangt, so sollte es die Hausfrau sich angelegen sein lassen, daß Reste von gekochtem und gebratenem Fleisch, von Milchspeisen u. dergl. möglichst kurz aufbewahrt werden. Je rascher man sie verbraucht, desto besser ist es. Verdorbene Speisen verursachen nicht immer so schwere Vergiftungen, daß allgemeines Aufsehen erregt wird, wohl aber führen sie häufig Störungen der Verdauungsthätigkeit herbei, die namentlich in der heißen Jahreszeit stets etwas Bedenkliches haben. Dies muß die Hausfrau als Vorstand der Küche zu verhüten suchen, und die Familie kann nur gewinnen, wenn die gesundheitlichen Grundsätze während des heißen Sommers möglichst streng gehandhabt werden.

Speisen und Speisereste, die verdächtig aussehen oder riechen, muß man unbedingt vernichten. Es herrscht vielfach die Unsitte, daß solche verdächtige Nahrungsmittel anderen Personen, Aufwartungen, weniger bemittelten Leuten aus der Bekanntschaft zur beliebigen Verwendung umsonst überlassen werden. Das ist eine sehr gefährliche Art von Wohlthätigkeit, und wir möchten die Hausfrauen darauf aufmerksam machen, daß eine solche Handlung unter Umständen eine gerichtliche Bestrafung der „wohlmeinenden“ Geberin nach sich ziehen kann. Alle diese Unannehmlichkeiten sind jedoch zu vermeiden, wenn die Hausfrau beim Einkaufen und Kochen im Sommer stets einen möglichst raschen Verbrauch der Speisen im Auge behält.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_447.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)