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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

so gut wie keine Rede sein. Die wenig umfangreichen Verwaltungsgeschäfte der Kolonie versah das Admiralitätskommissariat für das Jadegebiet, eine eigens für die Zeit des Hafenbaus geschaffene Behörde. Bezüglich der kirchlichen und Schulangelegenheiten waren die ersten Ansiedler auf die Nachbardörfer angewiesen. Postwesen und Justizpflege wurden von dem nahen Kiebitzstädtchen Jever aus besorgt.

Erst am 1. April 1873 erhielt Wilhelmshaven nach Einverleibung der an die Stadt grenzenden oldenburgischen Vorstädte „Elsaß“ und „Lothringen“ städtische Verfassung. Ein im wesentlichen der hannoverschen Städteordnung folgendes Verfassungsstatut dient als Richtschnur für die städtische Verwaltung, die aus dem Bürgermeister und vier Ratsherren besteht, denen sich wiederum zwölf Bürgervorsteher zugesellen. Die Stadt wurde dem Amt(Kreis) Wittmund bezw. dem Regierungsbezirk Aurich zugeteilt.

Trockendock.

Heute hat die jüngste Stadt Deutschlands gar viele ihrer älteren Nachbarinnen um ein Bedeutendes überflügelt. Wer jetzt Wilhelmshaven betritt, glaubt sich in eine Großstadt versetzt. Durch die breiten, sauberen, geradlinigen Straßen, denen im Sommer saftiggrüne Alleen kühlenden Schatten spenden, flutet fast unablässig ein ansehnlicher Menschenstrom, der sich bald in die reich ausgestatteten Läden der Roonstraße, bald in die hübschen, in schmucke Gärten gebetteten Landhäuser der Adalbertstraße, bald auch in die drei oldenburgischen Arbeitervororte Bant, Heppens und Neuende ergießt. Mit diesen darf Wilhelmshaven, das heute über 20000 Seelen zählt, seine Einwohnerzahl auf beinahe 50000 beziffern. Das Herz der Stadt bildet die nach Osten mit dem Jadebusen in Verbindung stehende Werft, mit ihren großartigen Schwimm- und Trockendocks und ihren zahllosen Werkstätten. Im Westen breitet sich vor der Werft der schönste Schmuckplatz aus, der Friedrich Wilhelmsplatz, umsäumt von einem Kranze stattlicher Bauten: dem Amtsgericht, dem Landratsamt, dem Gasthof zur Burg Hohenzollern, dem Gymnasium, der Elisabethkirche, der Ratsapotheke, dem Postgebäude und daran anstoßend weiter zurück dem erst vor Jahresfrist bezogenen, stilvollen Rathaus. Nach Norden öffnet sich der Platz zur vornehmsten Straße, der Adalbertstraße, mit dem Denkmal des Prinzen Adalbert am Eingang und dem Stationschefgebäude (Kommandantur) im Hintergrund. Jenseit des letzteren dehnt sich der weite, gleichfalls vom Staat für seine Offiziere und Beamten geschaffene, jetzt aber allgemein zugängliche Park nebst Wasserturm. Der letztere liefert das Wasser für die staatliche Leitung, deren Mitbenutzung den Bürgern im Frieden gegen ein geringes Entgelt gestattet wird. Zwischen Park und Hafen ziehen der Werft entlang zwei Straßenzüge, die lediglich aus staatlichen Arbeiter- oder Beamtenhäusern bestehen. Vier bis zwölf Familien wohnen hier vereint in freundlichen, sauberen, alle Bequemlichkeiten gewährenden billigen Räumen. In der Verlängerung der beiden Straßen nach dem Hafen zu ragen die Kasernen für die Matrosendivision, und vor ihr die sogenannte „Tausend-Mann-Kaserne“, in welcher die Matrosenartillerie und das Seebataillon untergebracht sind, aus dem Häusermeer empor. Jenseit der Werft, zwischen dieser und der Jade, ist der Stadtteil Wilhelmshaven nach den Plänen der Admiralität erbaut.

Blick auf die Werft.

Hier finden sich hervorragende Prachtbauten, die jeder Großstadt zur Zierde gereichen würden. In den Nebenstraßen begegnet man wieder staatlichen Bauten. Trotz der regen Bauthätigkeit der letzten Jahre übertreffen diese noch immer an Zahl die Privatbauten. Nach Westen wird die Stadt durch die früher oldenburgischen Viertel „Elsaß“ und „Lothringen“ abgegrenzt, die beide unmittelbar und ohne äußerlich erkennbare Grenze in das zum größten Teil aus staatlichen Arbeiter-Einfamilienhäusern bestehende oldenburgische Dorf Bant mit 9000 Seelen übergehen. Auch nach Norden berührt die oldenburgische Landesgrenze das Weichbild Wilhelmshavens. Dieses zählt heute zu den gesündesten und saubersten Städten im Deutschen Reich, und man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_397.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2023)