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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Unter anderem muß also die Kleidung unbedingt porös sein, d. h. die Luft muß, wenn auch langsam, durchdringen, der menschliche Körper muß auch durch die künstliche Schutzhaut ausdünsten können. So sind aber die Macintoshmäntel nicht beschaffen. Sie sind zwar wasser-, aber auch vollkommen luftdicht, erschweren dadurch die Verdunstung und führen leicht eine innere Ueberhitzung des Körpers herbei. Durchnäßte Kleider sind aber nicht minder schädlich. Das Wasser verstopft die Poren des Stoffes und macht ihn für die Luft undurchlässig, außerdem entzieht die Feuchtigkeit dem Körper viel Wärme. Wie groß die Verluste des Körpers dabei sind, ergiebt sich aus der Berechnung Pettenkofers, wonach das Wasser von nur 50 g durchnäßter Wolle der Fußbekleidung so viel Wärme zu seiner Verdunstung erfordert, daß man damit 250 g Wasser von 0° bis zum Sieden erhitzen könnte.

Da nun so viele Menschen in Wind und Wetter arbeiten müssen und der Durchnässung ausgesetzt sind, ging man mit Feuereifer daran, wasserdichte und zugleich poröse Stoffe zu erfinden. Das hygieinische Handwerk hat noch immer einen goldenen Boden, wenn die Neuerung einschlägt; so wuchs auch schnell die Zahl der Erfinder und auch die der Fabrikanten. Man versuchte durch Tränken der Gewebe mit Fetten, Paraffin, Teer und Salzlösungen, namentlich mit essigsaurer Thonerde, die erwünschte Wasserdichtigkeit zu erzielen; aber eine vollständige richtige Lösung der schwierigen Aufgabe wurde bis heute nicht gefunden und der „große Preis“ ist noch immer zu gewinnen. Im Grunde genommen sind alle vorgeschlagenen Verfahren, die wir hier nicht sämtlich einzeln beschreiben können, kein schwieriges Kunststück und unter Umständen vermag jedermann seine Kleider porös wasserdicht zu machen, soweit dies eben nach dem Stande der heutigen Technik möglich ist.

Als Beispiel möchten wir nur das Hillersche Verfahren für leinene Gewebe mitteilen. Man beizt sie mit heißer zweiprozentiger Alaunlösung 15 Minuten, spült sie im Wasser ab, taucht sie dann eine Viertelstunde in eine heiße Lösung von 3 Teilen Natronseife und 100 Teilen Wasser, spült sie in reinem Wasser ab, trocknet und rollt sie. Einige Vorsicht ist jedoch bei hellen und empfindlichen Farben nötig, da, wenn der Alaun nicht völlig rein ist, die Farben leicht angegriffen werden. Ueberhaupt ist es viel zweckmäßiger, derartige wasserdichte Stoffe vom Fabrikanten zu beziehen, da dieser, mit allen Hilfsmitteln der Wissenschaft ausgerüstet, die Arbeit sicherer und besser besorgen kann, was vor allem für Tuche gilt.

Prüft man die nach besseren Verfahren gefertigten porös wasserdichten Stoffe auf ihre Brauchbarkeit, so gelangt man zu folgenden Ergebnissen: die Stoffe halten jeden Sprühregen sowie einen Landregen von zwei bis drei Stunden aus, ohne an der Innenseite naß zu werden. Gegen einen nicht zu wuchtigen Platzregen dürften sie etwa eine halbe Stunde lang Schutz gewähren. Eng anliegende und gespannte Stellen werden leichter durchnäßt als lose hängende Teile der Kleidung. Die Wasserdichtigkeit ist somit nicht vollkommen, aber doch wesentlich und vorteilhaft.

Was die Luftdurchlässigkeit solcher Stoffe anbelangt, so fehlen leider genauere Untersuchungen, aber man darf annehmen, daß sie um ein Geringes vermindert ist. Man schwitzt bei gutem Wetter in Röcken aus porös wasserdichten Stoffen leichter als in den aus gewöhnlichem Tuch gefertigten. Dagegen bleibt im Regen der porös wasserdichte Anzug mehr luftdurchlässig als der gewöhnliche, und das ist ein sehr großer Vorteil, denn er erhitzt infolgedessen während des Regens weniger und kühlt nach dem Regen weniger ab, da er geringere Mengen Wasser in sich aufgenommen hat.

Die Vermehrung des Stoffgewichts durch das Verfahren ist so geringfügig, daß sie gar nicht in Betracht kommen kann, ebenso ist die Verteuerung nicht nennenswert. Dagegen sind derartigzubereitete Stoffe häufig dauerhafter als gewöhnliche und in gewisser Hinsicht stock- und mottensicher. Durch Waschen werden die meisten ihre Wasserdichtigkeit einbüßen, aber man wäscht ja Tuchanzüge selten, und dann lassen sie sich immer nach dem Waschen von neuem wasserdicht machen.

Es scheint somit die Behauptung berechtigt, daß in hygieinischer Beziehung die Vorteile bei den porös wasserdichten Stoffen überwiegen, und das Tragen derselben dürfte sich für Leute empfehlen, die viel im Freien zu thun haben. Allerdings sind weitere genaue Untersuchungen nach dieser Richtung hin sehr wünschenswert, und sie werden wohl mit der Zeit ausgeführt werden. Die Hygieine der Kleidung ist ja bekanntlich noch ein sehr dunkles Gebiet.

Das Ideal eines porös wasserdichten Anzuges würde dann erreicht werden, wenn es gelingen sollte, eine Faser zu erhalten, die kein Wasser aufsaugt. Wolle, Seide, Baumwolle, Leinen nehmen Wasser auf, die einen leichter, die anderen schwerer. Vielleicht befinden wir uns schon auf dem Wege zur Herstellung einer wasserdichten Faser. Man hat jetzt in Frankreich angefangen, künstliche Seide aus Holzstoff zu fabrizieren. Dabei wird der Holzstoff vermittelst Salpeter- und Schwefelsäure in eine Art Schießbaumwolle, diese in verschiedenen Lösungen in eine schleimige kollodiumartige Masse verwandelt, aus der man unter Wasser glänzende „Seidenfäden“ spinnt. Ueber den Wert dieses neuen Fabrikats wollen wir vorderhand kein endgültiges Urteil aussprechen; aber es ist nicht ausgeschlossen, daß aus den Retorten der Chemiker dereinst eine Faser hervorgehen wird, die zur Anfertigung porös wasserdichter Stoffe sich eignet.




Die verlorene Tochter.

Humoreske von Ernst Wichert.
(Fortsetzung.)


Frau Schöneberg hielt ihr Augenglas über die Nase und sah nach dem Radfahrer aus, der schon ganz nahe war. „Ist das nicht – wahrhaftig! Sieh doch einmal, Martha! Der junge Maler, der uns gegenüber das Atelier hat.“

„Meinst Du, Mama?“ fragte Martha, schüchtern sich abwendend. Sie war feuerrot geworden.

„I, da ist doch kein Zweifel! Er hat uns ja schon ein paarmal unaufgefordert seinen Besuch gemacht.“

Nun erkannte ihn auch Schöneberg. „Mich hat er neulich ganz dreist angesprochen,“ sagte er, „und gefragt, ob ich Dich nicht malen lassen will. Du lieber Himmel, wo man jetzt die schönsten Photographien für billiges Geld haben kann!“

„Nu – es zeugt doch von gutem Willen,“ meinte seine Frau geschmeichelt. „Uns fehlt auch eigentlich noch ein großes buntes Bild über dem grünen Plüschsofa. Uebrigens ein ganz netter Mensch.“

Martha wendete sich rasch zurück. „Nicht wahr, Mama?“

„Er hat Absichten,“ sagte Schöneberg.

Rosine zuckte die Achseln „Auf wen?“

„Na!“

„Ach, Unsinn!“

„Thun wir so, Kinder,“ sagte er, „als ob wir ihn gar nicht bemerkt hätten. Vielleicht steigt er wieder aufs Roß und reitet ab.“

„Aber es schadet doch nichts,“ meinte sie, „wenn wir ihm –“

„Es hilft auch nichts mehr,“ unterbrach Opitz lachend. „Er steuert hierher.“

Wirklich näherte sich der Nadfahrer auf geradestem Wege, zog die Mütze ab und rief sehr vergnügt: „Sehe ich recht, meine verehrten Herrschaften – sind Sie’s? Herr Schöneberg – gnädige Frau – Fräulein Martha . . .“ Er reichte ihnen nach der Reihe die Hand. „Ist das aber ein glücklicher Zufall, der mich in den ‚Eulenkrug‘ dirigiert hat! Wollte mich einmal einen Nachmittag gründlich von der Arbeit ausruhen, im Freien erholen und denke mir: wo fährst Du hin? Natürlich dem großen Häuserhaufen möglichst aus dem Wege. Da fällt mir ein, daß kürzlich hier die neue Zweigchaussee eröffnet ist. Wie geschaffen für mein Zweirad – noch glatt wie der Tisch. Ich also hierher, wo ich heut’ am Wochentage keinen Menschen zu treffen erwarten kann, und – finde Sie. Das nenn’ ich Glück haben!“

„Na, wie man’s nehmen will!“ knurrte der Rentier.

Frau Schöneberg empfand dieses zufällige Zusammentreffen gar nicht so lästig, war durch die „gnädige Frau“ geschweichelt und zeigte dem ungebetenen Gast das freundlichste Gesicht. „Wollen Sie sich nicht zu uns . . .“

Schöneberg zupfte sie am Rock. „Du wirst doch nicht?“

„Aber wir haben ja so viel Kaffee übrig,“ zischelte sie ihm zu.

Der Gast überließ es den Eheleuten, sich über die schwierige Frage zu einigen, und wendete sich dem andern Teil der Gesellschaft zu. „Ah, Herr Opitz – hatte schon das Vergnügen. Darf ich Sie bitten, mich Ihren Damen vorzustellen?“

Opitz verneigte sich wiederholt etwas linkisch. „Gern, gern. Herr Vanhusen, wenn ich nicht irre, Maler und Lackierer –“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_367.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2023)