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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Zum Freiligrathfest am 19. Mai 1894 in der „Krone“ zu Aßmannshausen.[1]

Von Emil Rittershaus.


Hier ist der Ort! Im jungen Laub am Rheinstein Nachtigallen schlugen.
Maiglockenduft und Buchenduft die Winde auf den Flügeln trugen.
Es ging wie Auferstehungsweh’n durch Blumen und durch Menschenherzen.
Der Frühling gab ein großes Fest. Es flammten die Kastanienkerzen;
Es funkelte das Ginstergold herunter von den Bergeshängen
Und murmelnd aus den Wellen klang’s herauf gleich leisen Nixensängen. –
Frühstund’ am Rhein! – Im Maienhauch kam’s von der Lorelei gezogen;
Mit Sausen und mit Pfeifen kam’s vom Wisperthal herangeflogen.
Der Wisperwind, er blies beiseit’ den Nebel, der im Thale rauchte,
Daß goldne Sonnenherrlichkeit in Gluten Strom und Berge tauchte.
Hurra, das war der Wisperwind, der wach schon vor dem Morgenrote,
Der Nebelfeind, der Sonnenfreund, des Rheingaus erster Frühlichtsbote!
In eines Dichters Seele drang der Rheingeist auf gewalt’gen Schwingen
Und ließ den deutschen Singemund der Freiheit helles „Credo“ singen!
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Hier ist der Ort, hier ist das Haus! Hier steht der Weinstock noch in Blättern,
Aus dessen Zweigen frisch erklang ein mächtiges Trompetenschmettern! –
Vor fünfzig Jahren – anders war’s wohl damals in den deutschen Gauen,
Da lagen Wolken dumpf und schwer rings auf der deutschen Männer Brauen,
Da war das Vaterland zerstückt, da trug das freie Wort die Bande –
Da, horch, ein heller Weckeruf ertönt’ vom Rhein in alle Lande,
Da hat ein Dichter laut bekannt: Deutschland und Freiheit über alles –
Und dieser Ruf ein Echo fand in tausend Herzen vollen Schalles! –
Wer sang von jener Wunderblum’, der schönsten an den Weltenbäumen?
Wer sah der deutschen Flotte Ruhm voraus in seinen Dichterträumen?
Er, der der Freiheit „Credo“ sang und dem es ward von Gott gegeben,
Daß er mit ungebrochner Kraft noch Deutschlands Größe durft’ erleben,
Daß im „Hurra, Germania!“ er fand die schönste aller Weisen,
Um Deutschlands hohen Siegestag mit freudetrunkner Brust zu preisen! –
Schau’ her, du steinern Dichterhaupt! Wir ehren unsre Schlachtenmeister,
Doch jene auch, die Führer sind und Wecker in dem Kampf der Geister,
Die unverzagt und stolzen Muts der Freiheit Banner hoch erhoben,
Als noch für jede trotz’ge Stirn der Kranz von Dornen ward gewoben! –
Zum Rheine schau’, du steinern Haupt! Dir gelten dieses Tages Ehren,
Der uns die Treu’ zum Vaterland, die Treu’ zur Freiheit wußt’ zu lehren!
Es mög’ in jenes Kämmerlein, wo du geweilt, die Jugend kommen,
Wird’s um der Freiheit Kampf und Sieg in schwülen Zeiten ihr beklommen;
Es mög’, wo du den Becher schwangst, in Weinlaub alt und jung sich einen
Und deines starken Geists ein Strahl leuchtend in alle Seelen scheinen –
Und also mög’s auch heute sein! – Laßt von dem Werk die Hülle fallen,
Und laßt aus allen Kehlen dann den Jubelruf begeistert schallen:
Er, der der Freiheit „Credo“ sang in diesem Gau, im Land der Reben,
Er lebe hoch, der deutsche Mann! Hoch soll der deutsche Dichter leben!
  Hoch Freiligrath!



  1. Im Frühling 1844 begab sich Freiligrath nach Aßmannshausen, um in der Stille jene Zeitgedichte zu vollenden, in denen er seiner freien politischen Anschauung machtvollen Ausdruck gab. Im Mai schrieb er dort im Gasthof zur „Krone“ zu seiner Sammlung, die bald darauf unter dem Titel „Ein Glaubensbekenntnis“ erschien, als Schlußgedicht die frischen Zeilen:

    „Zu Aßmannshausen in der Kron’,
    Wo mancher Durst’ge schon gezecht,
    Da macht’ ich gegen eine Kron’
    Dies Büchlein für den Druck zurecht!

    Ich schrieb es ab bei Rebenschein,
    Weinlaub ums Haus und saft’ge Reiser!
    Drum, wollt Ihr rechte Täufer sein,
    Tauft’s: Vierundvierz’ger Aßmannshäuser!“

    Das Erscheinen des Buches war ein frohes Ereignis für die deutschen Patrioten, ein weniger erfreuliches allerdings für den Dichter selbst: er mußte vor der drohenden Verfolgung sein Vaterland verlassen und erst das Jahr 1848 führte ihn nach Deutschland zurück. Der jetzige Besitzer der Aßmannshäuser „Krone“ hat nun zum Gedächtnis an jene Maitage vor 50 Jahren seinen Gasthof mit einer Büste Freiligraths und einer Gedenktafel schmücken lassen, die am 19. Mai in Gegenwart der Angehörigen und vieler Freunde Freiligraths enthüllt worden ist. Zugleich wurde das Zimmer, in dem der Dichter 1844 gewohnt hat, genau in seinem damaligen Zustand wiederhergestellt. Zu der Feier selbst hat Emil Rittershaus die markigen Verse verfaßt, die wir hier veröffentlichen. Die Redaktion. 



Blätter und Blüten.


Rubens in der Werkstatt Brouwers. (Zu dem Bilde S. 344 und 345.) Wenn uns nicht Adriaen Brouwers eigene Gemälde erzählten, welches lebenslustige Kneipgenie ihr Schöpfer war, so würden wir es aus dem ansprechenden Bild von Glisenti erfahren. Rubens, der königliche Künstler, der damals auf dem Gipfel seines Ruhmes stand und nebenbei als hochangesehener Gesandter zwischen den Regenten der Niederlande, Englands und Spaniens hin und herging, erachtete es nicht unter seiner Würde, den Fuß in die räucherige Schenke zu setzen, wo Brouwer seine Originale frisch vom Wirtstisch und der nachfolgenden Prügelei weg auf die Leinwand malte. Rubens achtete in dem unordentlichen Genie den großen Künstler und war ein ganz so liebevoller Betrachter und Bewunderer von Brouwers Bildern, wie ihn hier Glisenti darstellt, in der kostbaren Sammetkleidung auf dem fragwürdigen Tonnensessel vor der Staffele! sitzend. Die zechenden Bauern im Hintergrund ahnen nicht, welch hohe Persönlichkeit hier unter ihnen weilt, sie schreien unbekümmert weiter, während Rubens sich an ihrer bildlichen Darstellung ergötzt, und der sonst so tolle Brouwer ehrfurchtsvoll und mit zweifelnder Bescheidenheit die Lobsprüche des großen Mannes empfängt.

Ein paar von den besseren Elementen des Ateliers haben sich herbeigemacht und horchen, neben dem alten Reitknecht stehend, aufmerksam der interessanten Unterhaltung, die Musikanten im Hintergrund aber ziehen entschieden vor, mit der hübschen Kellnerin weiter zu schäkern und das große Weinfaß im Vordergrund bietet tröstliche Aussichten für alle.

Es ist ein echtes Stückchen altniederländischer Lebenslust, das hier der Künstler darbietet; wer jemals in den großen Galerien Brouwers Bauern- und Soldatenbilder mit Vergnügen betrachtet hat, der wird auch hieran seine Freude haben. Bn.     

In der Heuernte. (Zu dem Bilde S. 353.) Die Tage der Heuernte sind gekommen, und es sind glücklicherweise dieses Jahr für weite Striche unseres deutschen Vaterlandes freudigere Tage, als sie es im vergaugenen Jahre waren, wo eine anhaltende Trockenheit den Schmuck der Wiesen so vielfach verdorren und verkümmern ließ. Mit Behagen ruht darum auch unser Auge auf dem Bilde von Franz Leuschner, das uns mitten hinein versetzt in die heiße Arbeit des Frühsommers und uns eine Gruppe von Mägden beim Zusammenharken und Aufhäufen des Heus zeigt. Ein fast wolkenloser Himmel wölbt sich über der Wiese am See, aber daß die wackeren Mähderinnen nicht allzusehr dürsten müssen, dafür sorgt der handfeste Krug, den wir im Vordergrunde erblicken, und auch bei dem Topf, um dessen Inhalt sich das kleine mithelfende Mädchen so angelegentlich kümmert, scheint es sich um irgend eine angenehme Herzstärkung zu handeln. Und wenn dann der Feierabend gekommen ist, dann wird die fleißige Gesellschaft Rast machen und im Schatten der mächtigen Bäume sich ausruhen von des Tages Last und Hitze.

Unterwegs. (Zu dem Bilde S. 341.) Meister Grützner ist sonst allenthalben bekannt als launiger Schilderer des Mönchslebens, und auch den Shakespeare-Helden Falstaff hat er gern zum Gegenstande seiner Kunst gemacht. Das Bildchen, das wir heute von ihm bringen, führt uns hinein ins schöne Land Tirol, vor das Fenster irgend einer frischen fleißigen „Vroni“ oder „Kathi“ oder „Annamirl“, in die Gesellschaft eines stämmigen „Jagaburschen“, der auf der Bank vor diesem Fenster erst noch einen behaglichen Schwatz halten muß, ehe er mit Hund, Büchse und Grießbeil einsteigt in die Berge. Und wenn er heimkehrt, dann wird er wohl auch an diesem Fenster nicht vorübergehen, es wird sich im wesentlichen derselbe Vorgang wiederholen, höchstens daß dann in der Ecke bei der Büchse ein feister Rehbock lehnt oder daß statt des Fensterflügels die Hausthüre sich dem glücklichen Jäger aufthut.



Inhalt: Unterwegs. Bild. S. 341. – Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (20. Fortsetzung). S. 341. – Rubens in der Werkstatt Brouwers. Bild. S. 344 und 345. – Die Straußenfeder. S. 348. – Papiergeld und Papiergeldfälschungen, Von Eduard Große. S. 349. Mit Abbildungen S. 349 und 350. – Die verlorene Tochter. Humoreske von Ernst Wichert. S. 351. – Heuernte. Bild. S. 353. – Zum Freiligrathfest am 19. Mai 1894 in der „Krone“ zu Aßmannshausen. Gedicht von Emil Rittershaus. S. 356. – Blätter und Blüten: Rubens in der Werkstatt Brouwers. S. 356. (Zu dem Bilde S. 344 und 345.) – In der Heuernte. S. 356. (Zu dem Bilde S. 353.) – Unterwegs. S. 356. (Zu dem Bilde S. 341.)



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_356.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2020)