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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Geld läuft erst durch verschiedene Hände, bevor es unter das Publikum gelangt, und das erschwert die Entdeckung der Fälscher ungemein. Denn während beispielsweise das Geld in Rußland ausgegeben wird, sitzen die Herren Fälscher wohlgeborgen in London oder Paris, und wird einer der Helfershelfer bei der Ausgabe falscher Scheine ertappt, so ist der Weg bis zu den Fälschern so weit und das Gewebe der vorgeschobenen Personen meist so undurchdringlich, daß es nur selten gelingt, die Fälscherbande selbst aufzuheben.

Die Lieblingsstadt der Falschmünzer ist London, wo falsches Papiergeld in ungeheuren Massen hergestellt wurde und noch wird. Das am meisten von den Fälschern geschädigte Land aber ist Rußland, wo es nach der Aussage erfahrener Finanzleute nahezu ebenso viel falsches Papiergeld geben soll wie echtes. Ist das wohl auch übertrieben, so steht doch fest, daß ganz ungeheure Summen gefälschter russischer Banknoten im Umlauf sind. Die Londoner Fälscher geben sich nicht mit Kleinigkeiten ab, sie machen ihre Geschäfte im großen und bringen Hunderttausende nachgemachter Noten in den Verkehr. So wurde vor einiger Zeit eine Sendung von Gesang- und Gebetbüchern aufgehoben, in denen, sauber zwischen den Blättern verpackt, 80000 Stück falsche Rubelnoten enthalten waren, jede einzelne derselben im Werte von fünf bis zu fünfzig Rnbeln.

Thatsache ist, daß die Fälschungen meist ganz vorzüglich ausgeführt sind und daß es selbst Kennern nicht leicht fällt, die Falsifikate sofort zu ermitteln. Je mehr sich die Staatsanstalten anstrengen, das Papiergeld zu vervollkommnen, desto größere Anstrengungen machen auch die Fälscher, und wenn die Finanzleiter glauben, ein Mittel entdeckt zu haben, das die Nachahmung bis zur Unmöglichkeit erschwert, so werden sie meist sehr bald aus diesem süßen Traume aufgerüttelt.

Daß den Fälschern nichts unmöglich ist, das wurde jüngst der Bank von Frankreich recht eindringlich durch einen Chemiker bewiesen, der durch seine etwas absonderliche Beweisführung großes Aufsehen und berechtigte Heiterkeit erregte. Eine Fälscherbande hatte es für gut befunden, die französische Bank bei der Herstellung der 500-Franknoten emsig zu unterstützen, und bald waren so viel täuschend nachgemachte Noten in Umlauf, daß sich die Bank von Frankreich entschließen mußte, die Noten einzuziehen und neue anzufertigen. Da den Fälschern bei ihren Nachahmungen die Photographie große Dienste leistet, so war man bestrebt, die neuen Noten mit Farben zu drucken die sich schwer photographieren und bei der Aufnahme nicht voneinander trennen lassen. Man glaubte dies zu erreichen, indem man auf einen blauen Unterdruck einen rosafarbenen Ueberdruck machte, wodurch ein violetter Schein entstand. So gesichert, gab man sich der angenehmen Erwartung hin, nunmehr Ruhe vor den Fälschern gefunden zu haben.

Diese ließen auch nichts von sich hören; dagegen teilte eines Tags ein Pariser Chemiker Namens Schlumberger den Leitern der Bank von Frankreich mit, daß es eine Kleinigkeit sei, ihre neuen Scheine nachzubilden, und machte sich anheischig, den Beweis durch die That zu liefern. Zugleich bot er ein von ihm erfundenes Verfahren, welches jede Fälschung unmöglich machen sollte, zum Kauf an. Die Leiter der Bank gingen weder auf den einen, noch auf den andern Vorschlag ein und waren so vorsichtig, Schlumberger das Nachmachen der neuen Scheine zu verbieten. Dieser ließ sich jedoch durch das Verbot nicht einschüchtern, ging unbekümmert an die Arbeit und stellte einen vorzüglich gelungenen Nachdruck der Note her, dem zugleich Abdrücke der blauen und roten Platte beigefügt waren. Er machte – um sträflichen Gebrauch der Falsifikate auszuschließen – die Abdrücke auf dickes Papier und änderte die Hauptzeile „500 Francs“ in „500 Liards“ um. Die Abdrücke legte er dem Fachblatt „Le Moniteur industriel“ bei, und so hatte das französische Volk die eigentümliche Ueberraschung, schon kurze Zeit nach der Ausgabe der neuen, für unnachahmbar gehaltenen Noten eine täuschende Nachahmung in 30000 Abdrücken verbreitet zu sehen.

Schlumberger erlebte die Freude, die Lacher auf seiner Seite zu haben. Aber der Vorhang über dieser Fälschungskomödie war noch nicht gefallen. Der findige Chemiker wurde wegen seines gutgemeinten jedoch eigenmächtigen Vorgehens in Anklagezustand versetzt und mußte das Kunststück, die französischen Banknoten nachgebildet zu haben, mit 500 Frank Strafe bezahlen; sein Mitverschworener, der Redakteur des „Moniteur industriel“ kam mit 100 Frank Buße davon.

Das deutsche Papiergeld wird unter strenger Ueberwachung in der Reichsdruckerei zu Berlin gedruckt. Die Zeichnungen, mit denen das Papiergeld bedruckt ist, wurden von verschiedenen Künstlern entworfen und gingen aus einer zu diesem Zweck ausgeschriebenen Preisbewerbung hervor. Der Entwnrf zu den 1000-Markscheinen stammt von Professor Luthmer in Frankfurt a. M. und von Maler Otto Knille in Berlin, der Entwurf zu den 100-Markscheinen von Professor Paul Thumann, und die Entwürfe zu den 50-, 20- und 5-Markscheinen rühren von Professor Sohn in Düsseldorf her. Die Druckplatten wurden von den Professoren Meyer, Eilers und Forberg sowie von den Künstlern der Reichsdruckerei gestochen. Der Druck der Scheine erfolgt nicht unmittelbar von den Originalplatten, sondern von verstählten galvanischen Niederschlägen, deren jeder ungefähr 150000 Abdrücke aushält.

Als Schutz gegen Fälschungen sind in das Papier der deutschen Kassenscheine bekanntlich dunkelgefärbte, lokalisierte Fasern eingebettet, die besonders an den 50-Markscheinen deutlich zu erkennen sind. Das Papier wird unter strenger staatlicher Aufsicht gefertigt und darf zu keinen anderen Zwecken abgegeben werden. Da man sich auf den Schutz der Druckfarben und Zeichnungen nicht mehr verlassen konnte, so griff man zu dem Schutz der eingebetteten Fasern und glaubte damit ziemlich sicher zu sein, weil zur Nachahmung des Papiers die Einrichtung einer vollständigen Papierfabrik erforderlich ist. Früher glaubte man dasselbe auch von den Wasserzeichen, die aber doch von den Fälschern vorzüglich nachgeahmt wurden. Ebenso machen diese unternehmenden Herren jetzt große Anstrengungen, die lokalisierten Fasern nachzuahmen, und es sind schon einigemal gelungene Falsifikate aufgetaucht. Man sieht, den Fälschern ist nichts heilig, sie schrecken vor keinem Hindernisse zurück, und wie sich die Regierungen auch anstrengen, die Nachahmung zu erschweren, die Fälscher finden immer wieder Mittel, die Hindernisse zu überwinden und ihr unsauberes Geschäft weiter zu treiben. So lange es Papiergeld giebt, wird es wohl auch Papiergeldfälscher geben.


Die verlorene Tochter.

Humoreske von Ernst Wichert.

Kutscherchen, der Braune spitzt immer so verdächtig die Ohren. Sehen Sie doch einmal nach, was ihm fehlt!“

„Dem Braunen fehlt gar nicht, Madamken, er hat bloß de Fliegen zu viel.“

„Aber wenn ein Pferd die Ohren spitzt ... man sagt doch, das sei ein Zeichen, daß es durchgehen will.“

„Der Braune geht nich durch, Sie können ihm noch en gutes Wort geben. Er is stockblind – es liegt nich in seine Gewohnheiten.“

„Blind! Aber dann sieht er ja gar nicht!“

„Wat braucht er auf de glatte Schosseh zu sehen? Hüh!“

„Schlagen Sie ihn doch nicht!“

„Ik kitzele ihm man de Fliegen weg. Haben Sie keene Sorge.“

„Ich bin so ängstlich beim Fahren!“

Diese Unterredung wurde zwischen einer ältlichen Dame, die auf dem mittleren Sitz eines Kremsers zwischen zwei jüngeren Damen saß, und dem Rosselenker gepflogen, der vorn rechts die Schulter gegen die Verdeckstange lehnte und das Bein über das Querbrett des Wagenkastens ausgestreckt hatte, während die Zügel lose in seiner linken Hand hingen und die Peitsche in seiner rechten von Zeit zu Zeit über die knochigen Rücken der beiden „Andalusier“ hintupfte. Sie sahen nicht danach aus, als ob sie der Haber stäche, im Uebermut mehr als notdürftig ihre Pflicht zu thun. Es wäre bei dieser Julihitze nachmittags zwischen drei und vier Uhr auch selbst für einen Pferdeverstand zu unvernünftig gewesen. Aber die alte Dame – man konnte sie trotz der frischen Farben ihres gutmütigen Gesichts schon eine alte Dame nennen – verfolgte doch, etwas nach vorn gebeugt, mit gespannter Aufmerksamkeit jeden Schritt und hob gleich ängstlich die Hand, wie um in den Zügel zu fallen, wenn der blinde Gaul einmal stolperte oder der andere bei zu lebhafter Abwehr der abscheulichen Stechfliegen die Leine unter den Schwanz klemmte. So breit die noch neue Chaussee

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_351.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)