Seite:Die Gartenlaube (1894) 349.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Papiergeld und Papiergeldfälschungen.

Von Eduard Grosse.

Im zweiten Teile seines „Faust“ giebt Goethe eine recht erbauliche Schilderung von der Einführung des Papiergeldes. Der Erfinder ist dort kein Geringerer als Mephistopheles selbst, „der Geist, der stets verneint“, der Beherrscher des nordischen Hexen- und Geisterreiches. Er befindet sich mit Faust am kaiserlichen Hofe, allwo großer Geldmangel herrscht, und tritt hier als Retter aus der Not auf, indem er das volksbeglückende Zahlungsmittel der Kassenscheine ausfindig macht. Heermeister, Schatzmeister und Marschalk treten fröhlich vor den geldbedürftigen Kaiser, der ob dieser Fröhlichkeit verwundert dreinschaut, bis ihm der würdige Kanzler einen Kassenschein vorzeigt und ihn dabei belehrt:

„So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
(Er liest.) ‚Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt:
Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.
Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,
Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.‘“

Dem Kaiser kommt die Sache verdächtig vor, und er braust zürnend auf: „Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!“ Allein er wird begütigt und wundert sich nur noch, daß der Zettel seinen Leuten für gutes Geld gilt. Aber warum sollte er das nicht? Mephistopheles und Faust haben ja die unschätzbare Entdeckung gemacht, daß in der Erde viel verborgenes Gold liegt; das kann doch als genügende Bürgschaft gelten, man braucht es eben nur auszugraben! Und dann:

„Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Ist so bequem, man weiß doch, was man hat; –
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauktioniert,
Und das Papier, sogleich amortisiert,
Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt.
Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.“

Oesterreichischer Einlösungsschein vom Jahre 1811.

Die Satire, welche in Goethes Versen liegt, hat einen tiefen Sinn. Denn das Papiergeld – so ungefährlich es bei vorsichtiger Finanzwirtschaft ist – hat doch schon großes Unglück angerichtet und ganze Völker in unsägliches Elend gestürzt. Etwas Teuflisches hängt ihm an, und hinter seiner scheinbaren Harmlosigkeit grinst das satanische Auge Mephistos.

Uebrigens hat Goethe seinem Faust und Mephisto etwas in die Schuhe geschoben, woran sie unschuldig sind. Nicht zu Fausts Zeiten und nicht in Europa wurde das Papiergeld erfunden, sondern schon viel früher im fernen Reiche der bezopften Chinesen. Dort ereignete es sich angeblich um das Jahr 119 v. Chr., daß die Staatseinnahmen mit den Staatsausgaben nicht mehr gleichen Schritt hielten, wodurch die Regierung in große Geldverlegenheit geriet. Um Geld zu schaffen, ließ man Hirschhäute in fußgroße Stücke zerschneiden, mit Schrift und Ornamenten bemalen und gab sie sozusagen als Staatsschuldscheine in Zahlung. Die Großen des Reiches zahlten dafür bereitwillig die geforderten Summen, verkauften die Staatsscheine wieder an andere, und so wurde der erste Schritt zu der Schuldschein- und Papiergeld- (oder eigentlich Ledergeld-) Wirtschaft gethan. – Das wirkliche Papiergeld kam erst viel später, ungefähr um das Jahr 1000 in Aufnahme. Ein chinesischer Minister hatte den klugen Einfall, das schwere Metallgeld durch bedruckte Papierscheine zu ersetzen, die man „Tchitsi“ nannte. Sie wurden, da die Chinesen schon damals den Holztafeldruck kannten, in großen Massen gedruckt und bildeten die ersten Umlaufsnoten. Später führte man Papierscheine ein, die „Kiao-tsu“ hießen und eine Umlaufzeit von drei Jahren hatten, worauf sie vom Staat eingelöst und durch neue Scheine ersetzt wurden.

Das Volk scheint aber an dem Papiergeld nicht viel Freude gehabt zu haben, denn viele weigerten sich, ihr gutes Metallgeld gegen die verdächtigen Papierzettel herzugeben. Da druckten die Staatslenker einfach auf die Banknoten: „Es wird angeordnet, daß Papiergeld mit dem kaiserlichen Siegel ebenso in Zahlung zu nehmen ist wie Kupfergeld; wer nicht gehorcht, der wird geköpft.“ Das war deutlich, und da jedermann lieber sein Kupfergeld als seinen Kopf hergab, so kamen die Papierzettel zur allgemeinen Anerkennung, und China genießt die Ehre, das erste Papiergeld besessen zu haben.

Schwedisches Papiergeld vom Jahre 1663.

Während der dreijährigen Umlaufzeit gingen naturgemäß viele Banknoten teils durch Unfälle, teils durch die Unachtsamkeit der zeitweiligen Besitzer verloren. Die Regierung konnte selbstverständlich nur die vorhandenen Banknoten wieder einlösen, die Einlösungssumme für die verlorengegangenen Noten verblieb ihr als willkommener Gewinn, und so war für sie im Papiergelde eine ergiebige Goldgrube entdeckt. Doch wie den Entdeckern von Goldlagern stets Freibeuter nachfolgen, die an der glücklichen Entdeckung teilhaben wollen, so folgten hier die Papiergeldfälscher. Was die Regierungsdrucker machen konnten, das konnten auch die Privatdrucker machen, und bald kamen findige Holztafeldrucker auf den Einfall, die Papierzettel der Regierung nachzumachen und die Nachahmungen als Geld in Umlauf zu setzen. So hatte China neben seinem ersten Papiergeld zugleich die ersten Papiergeldfälscher, mit denen die Regierung schon harte Kämpfe bestand, bevor man noch in Europa etwas von der neuen Herrlichkeit wußte.

Die europäischen Staaten entschlossen sich erst viel später zur Einführung des Papiergeldes. Allerdings ließ schon Kaiser Friedrich II. während der Belagerung von Faënza ein Notgeld aus Leder herstellen, um seinen Soldaten die Löhnung zahlen zu können, und ebenso ließ die belagerte Stadt Leiden im Jahre 1574 Gulden aus Pappe prägen; auch in Rußland wurden schon Notrubel aus Leder ausgegeben, doch hatte dieses Geld immer nur den Zweck, in Zeiten der Kriegsnot einen augenblicklichen Ersatz für das fehlende Metallgeld zu bieten.

Das erste, eigentliche Papiergeld kam in Schweden zur Verwendung. Die schwedische Regierung erteilte im Jahre 1656 dem Finanzmanne Johann Palmstruck die Erlaubnis zur Ausgabe von Banknoten, worauf vom Jahre 1661 an durch die Stockholmer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_349.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2023)