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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Blätter und Blüten.


Amélie Linz-Godin. Eine hochgeachtete deutsche Schriftstellerin und zugleich eine der treuesten Mitarbeiterinnen der „Gartenlaube“ feiert am 22. Mai ihren 70. Geburtstag, Amélie Linz, in den weitesten Kreisen unseres Volkes bekannt unter ihrem Autornamen A. Godin. Schon 1854 erschien eine Erzählung von ihr, „Manuela“, in der damals noch sehr jungen „Gartenlaube“, und seither ist der Name „Godin“ immer wieder in den Spalten unseres Blattes erschienen, das dem Leben und Wirken der Dichterin im Jahrgang 1882, Nr. 10, eine eingehende Darstellung widmete. Wir freuen uns, auch demnächst wieder den Lesern eine Probe von der unerschöpflichen Schaffenslust und Schaffenskraft der 70jährigen Jubilarin vorlegen zu können.

Eine Bitte. Beim Durchlesen des Artikels „Ein Invalidenheim“ in Nr. 1 dieses Jahrganges der „Gartenlaube“ tauchte vor mir eine Erinnerung aus früher Kindheit auf. Meine Großmutter, eine wackere Pfarrerswitwe, erzählte den lauschenden Knaben – deren einer heute 82 Jahre zählt – von einem Obersten v. Cronegk, der als Krüppel den Lebensunterhalt sich erbetteln mußte. Da verfaßte der krüppelhafte Oberst ein Lied, das er, die Straßen auf und ab wandelnd, sang und womit er die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Zur Verantwortung gezogen, fand er nicht bloß für sich eine Versorgung, sondern verschaffte auch andern Kriegs- und Leidensgenossen Hilfe.

Von dem Liede, das die Großmutter den Enkelknaben vorsang, habe ich bloß die nachstehenden Strophen behalten:

„Gesegnet sei die schlanke Fichte,
0 Aus der man dich geschnitzt,
Gesegnet von dem lahmen Wichte,
0 Dem du sein Alles bist!
Wie stand sie nicht voll Kraft und Fülle,
0 So frisch und stark wie ich!
Wir fielen, ich im Schlachtgebrülle
0 Und sie im Hain für mich!
Nun ist sie eines Helden Krücke,
0 Sie, die im Sturme stand,
Des Helden, dem sein Mißgeschicke
0 Statt Lorbeern Dornen wand!
Gesegnet sei die milde Gabe
0 Und jeder Bissen Brot,
Den segnend mir von fremder Habe
0 Das karge Mitleid bot! – –“

Ich frage nun: Haben wir es mit einer geschichtlichen Thatsache zu thun oder mit einer Sage? Wer weiß etwas von einem Invaliden Obersten v. Cronegk? Wo hat er gelebt und gesungen? In Wien oder in Berlin? Was war sein Schicksal, wo starb er? Kennt noch jemand das Lied und wie lautet dasselbe vollständig?

Meine Großmutter hat sicher ihre zuverlässige Quelle gehabt; ob Sage, ob geschichtliche Thatsache, das möchte ich noch gern in Erfahrung bringen. So bitte ich denn, durch Vermittelung der „Gartenlaube“, die schon so vieles ans Tageslicht gefördert hat, freundliche Auskunft an mich gelangen zu lassen.

Ein 82jähriger Siebenbürger Leser. 
M. A. S. 

Der Umzug des Pfingstochsen. (Zu dem Bilde S. 337.) Jedermann kennt die sprichwörtliche Redensart „geputzt wie ein Pfingstochse“. Sie gründet sich auf eine eigentümliche Pfingstsitte, die in einem bescheidenen Rest noch heute in manchen Gegenden Mecklenburgs geübt wird. Der erste Fleischer des Ortes läßt am Donnerstag oder Freitag vor dem Fest einen kräftigen Ochsen von seinen Leuten mit mächtigen Kränzen schmücken, dann durch den Altgesellen vor die Häuser seiner Kunden führen, die dem begleitenden jüngsten Burschen Bänder zur weiteren Verzierung des Festtieres sowie ein Trinkgeld für die Zustellung des Fleisches während des Jahres einhändigen. Auf das Fest wird dann der Ochse geschlachtet.

Ursprünglich handelte es sich, wie wir aus Borchardts „Sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmunde“ (2. völlig umgearbeitete Auflage, herausgegeben von G. Wustmann. Leipzig, Brockhaus) entnehmen, bei dem „Pfingstochsen“ um einen allgemeinen landwirtschaftlichen Brauch. Wenn gegen Pfingsten die Gemeindeweide aufgethan werden sollte, bekränzte man den schönsten Ochsen und führte ihn im Zuge als ersten auf das junge Wiesenland. Noch heute bekränzen zu Pfingsten die Bauern in verschiedenen Gegenden Deutschlands ihr Herdenvieh, ein Zeichen für die Bedeutung, die der Anfang des Sommers gerade für die Herde hat. Auch in Siebenbürgen wird der alte Brauch noch jetzt beobachtet. Mit einer merkwürdigen zeitlichen Verschiebung tritt uns eine verwandte Sitte in Paris entgegen. Dort wird in den letzten Tagen der Fastnacht ein aufgeputzter Mastochse von Fleischergesellen durch die Straßen geführt, und darum kommt der Franzose daher, aufgeputzt nicht wie ein „Pfingst-“, sondern wie ein „Faschingsochse“.

Grundsätze für richtige Aufbewahrung der Eier. Die Aufbewahrung der Eier für die Winterzeit bereitet im Sommer vielen Besitzern oder Vorsteherinnen von Hühnerhöfen schlimme Sorgen; denn es werden so viele Aufbewahrungsarten empfohlen und es ist so schwierig, das Gute von dem Schlechten zu unterscheiden! Allerdings tappten wir bis vor kurzem so ziemlich im Dunklen, wenn wir über die Ursachen der Eierverderbnis Betrachtungen anstellten und aus diesen auf die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Aufbewahrungsart Schlüsse ziehen wollten. In jüngster Zeit hat sich jedoch unsere Lage wesentlich gebessert, die Wissenschaft hat die faulen Eier gründlich untersucht und das Treiben der Eierfeinde entlarvt. Diese Feinde sind besondere Bakterien, etwa 16 Arten; sie teilen sich in zwei Gruppen, von denen die eine die Eigenschaft besitzt, beim Verderben der Eier den übelriechenden Schwefelwasserstoff zu erzeugen, während die andere einen anderen Geruch und einen grünen Farbstoff erzeugt und so die Eier in eine nur den Chinesen wohlschmeckende „Mayonnaise“ verwandelt. Die unverletzte Eischale und die Eihäute schützen das Ei nicht; ihre Poren sind groß genug, um den Spaltpilzen freien Durchgang zu gewähren.

Durch wiederholte und mühevolle Untersuchungen wurde zuletzt von Dr. Zörkendörfer festgestellt, daß alle diese Eierfeinde zu ihrer Entwicklung unbedingt sauerstoffhaltige Luft brauchen. Wird ihnen diese entzogen, so können sie nicht wachsen und können die Eier nicht verderben. Auf Grund dieser Ermittlung stellte Zörkendörfer folgenden Versuch an: er impfte eine Anzahl frischgelegter Eier mit den gefährlichen Eierbakterien; die eine Hälfte, die er einfach an einem kühlen Ort liegen ließ, verdarb in kurzer Zeit, denn die meisten der Eierbakterien wachsen noch unter beinahe 0° C. Die andere Hälfte der geimpften Eier wurde dagegen mit einem Firnis- oder Lacküberzug versehen und so liegen gelassen. Als man sie nach Monaten öffnete, waren sie völlig unverdorben, was leicht zu erklären ist. Durch Firnis oder Lack wurden die Poren der Schale luftdicht verschlossen; es konnte keine sauerstoffhaltige Luft in das Innere der Eier dringen und die Bakterien mußten ruhen, da ihnen ihr wichtigstes Lebenselement fehlte.

Damit ist uns nun gezeigt, was wir thun müssen, wenn wir Eier für längere Zeit aufbewahren wollen. Wir müssen frische Eier nehmen und die Poren der Schale luftdicht verschließen, dann werden sich die Eier unbegrenzte Zeit halten. Aber für das praktische Leben sind noch besondere Rücksichten zu nehmen, auf die bei einem Laboratoriumversuch nicht geachtet zu werden braucht.

Die Verschlußmittel der Poren müssen so beschaffen sein, daß sie den reinen Geschmack der Eier nicht verderben und vor dem Gebrauch sich wieder ablösen lassen, damit das aufbewahrte Ei gleich einem frischgelegten zu allen Küchenzwecken verwendet werden und ebenso als weich-, oder hartgesotten auf die Tafel kommen kann. Der Firnis aber würde den Eiern einen recht schlechten Geschmack verleihen und die meisten billigeren Lacke haben dieselbe Schattenseite. Die weit verbreitete Sltte, die Eier in Kalk aufzubewahren, ist aus diesem Grunde gleichfalls zu verurteilen. Die Kalkmasse verschließt zwar die Poren, aber sie giebt dem Ei einen schlechten Beigeschmack. Seit lange wird das Ueberstreichen der Eier mit Fett empfohlen; auch dieses Mittel kann nützen, so lange das Fett die Poren der Schale verstopft, aber es ist nicht zuverlässig. In einem Haushalte habe ich eine hübsche Aufbewahrungsart kennengelernt. Dort wurden die Eier in eine Lösung von Gummiarabikum getaucht, getrocknet und dann in Kohlenpulver gelegt. Sie hielten sich bei dieser Behandlnng jahrelang; im Lichte der neuesten Wissenschaft erscheint dieses Verfahren durchaus begründet, aber seitdem der Mahdi im Sudan wirtschaftet, dürfte das Gummiarabikum für diesen Zweck doch zu teuer geworden sein. Man konserviert die Eier auch, indem man sie in Sagespäne, Häcksel oder fein gesiebte Asche u. dergl. legt. Manchmal halten sie sich auch darin längere Zeit, manchmal aber nicht. Wir wissen jetzt, warum. Durch diese Mittel wird der Luftzutritt nur zum Teil, aber nicht ganz versperrt.

Als ein sehr zweckmäßiges und bereits vielfach erprobtes Verschlußmittel, das die Eier frisch und schmackhaft erhält, möchten wir das Wasserglas nennen. Man bereitet davon eine mäßig koncentrierte Lösung, taucht die Eier darein und läßt sie trocknen, wiederholt das Verfahren mehrmals hintereinander und läßt die so mit einer luftdichten Wasserglasschicht versehenen Eier an einem trockenen frostfreien Orte liegen. Man kann sie auch in feine Sägespäne u. dergl. verpacken und versenden. Will man die Eier ganz kochen und auf den Tisch bringen, so wäscht man das Wasserglas vor dem Kochen ab. Sonst lassen sich diese Eier ebenso wie frische zerschlagen, wenn sie für Kochzwecke roh geöffnet werden müssen.

Vielleicht trägt die Verbreitung der bakteriologischen Errungenschaften auch einmal dazu bei, daß Millionen nahrhafter Eier alljährlich vom Verderben gerettet werden. *     
Herzkirschen. (Zu unserer Kunstbeilage.) Ist es Zufall, ist es Absicht, daß das frische kleine Mädchen auf unserem Bild ein Körbchen mit „Herzkirschen“ in der Hand hat, daß das blühende Kind uns ein Paar der saftigen Früchte so recht lockend vor Augen hält? Ist es nicht, als hätte der Künstler damit dem lieblichen Menschenkinde zugleich ein Sinnbild seines Wesens beigeben wollen, ein Sinnbild seines rosig schimmernden schwellenden Lebens? Nicht umsonst haben die kleinen Leckermäulchen die Kirschen so gern!

John Russel, der Schöpfer unserer Kunstbeilage, war einer der hervorragendsten englischen Porträtmaler, zu seiner Zeit der Liebling der vornehmen Londoner Gesellschaft. Er starb 1806. Das Bild, welches wir heute wiedergeben, befindet sich jetzt im Louvremuseum zu Paris.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage VI: Herzkirschen. Von John Russel.

Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (19. Fortsetzung). S. 325. – Zeitvertreib. Bild. S. 325. – Die „Schweningerkur“. Von Dr. Julius Weiß. S. 330. – Wisby. Von Otto Rüdiger. S. 331. Mit Abbildungen S. 329, 332 und 333. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard (Schluß). S. 334. – Der Umzug des Pfingstochsen in Mecklenburg. Bild. S. 337. – Blätter und Blüten: Amélie Linz-Godin. S. 340. – Eine Bitte. S. 340. – Der Umzug des Pfingstochsen. S. 340. (Zu dem Bilde S. 337.) – Grundsätze für richtige Aufbewahrung der Eier. S. 340. – Herzkirschen. S. 340. (Zu unserer Kunstbeilage).


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. 0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 0 Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_340.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)