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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Stunden völlig steril waren und dabei unbeschädigt blieben; nicht einmal die Politur hatte gelitten.

Das Formalin dürfte auch bei der Desinfizierung von Wohnräumen die schweflige Säure und das Chlor ersetzen, Stoffe, die bekanntlich so vieles angreifen, und vielleicht eignet es sich auch zur Mottenbekämpfung.

Es hat allerdings wie alle Desinfektionsmittel seine Schattenseiten. Zwar läßt der üble Geruch sich durch nachträgliches Besprengen mit Ammoniak (Salmiakgeist) leicht beseitigen, aber es ist zugleich giftig und wirkt ähnlich wie die schweflige Säure reizend auf die Schleimhäute des menschlichen Körpers. Bevor man daher in Privathäusern zur Benutzung dieses Mittels schreiten kann, muß noch das Ergebnis weiterer Versuche, die im Gange sind, abgewartet werden. Alsdann werden auch Verhaltungsmaßregeln für den Gebrauch des Formalins von seiten der Laien gegeben werden können. Immerhin müssen wir schon heute die Entdeckung jener Eigenschaften des Formalins als einen erfreulichen Fortschritt in der Desinfektionslehre begrüßen. In kleineren Ortschaften, die über große Dampfdesinfektionsanstalten nicht verfügen und solche auch nicht zu bauen vermögen, wird es sich wahrscheinlich sehr nützlich erweisen, und in den großen Anstalten wird man mit seiner Hilfe Lederwaren und andere Gebrauchsgegenstände, die den heißen Dampf nicht vertragen, sicher und auf ökonomische Weise desinfizieren können. *     


Zur Trauung. (Mit Bild S. 265.) Nun ist er da, der große Augenblick, da die junge Braut mit dem ihr standesamtlich bereits vermählten Bräutigam zur Kirche zu fahren sich anschickt. Der Vater hat sie zum Wagen geleitet und das Dienstmädchen ist sorgsam beim Einsteigen behilflich, damit die lange blütenreine Schleppe nicht vorzeitigen Schaden erleide. Auf dem Fuße folgen der Bräutigam, sowie Verwandte des Hauses – alle in feierlich festtäglichem Gewande. An ihnen vorbei rauscht das Getriebe des Alltags, nüchtern und grau – ein neugieriger Blick auf die blendende Erscheinung im langen weißen Schleier, auf die blanken Cylinder der Herren, und weiter ziehen diese Männer und Frauen ihrem Berufe nach und denken nach wenigen Minuten nicht mehr daran, daß sie da eben einem blühenden Menschenkind auf dem wichtigsten Gang seines Lebens begegnet sind.


Ein Schreibmaterial aus alter Zeit. Vor der Erfindung des Papieres, das heute in riesigen Massen hergestellt wird, war der Stoff, auf den man schrieb, viel kostbarer als heutzutage, und es war ein Glück, daß die Leute in den vergangenen Jahrhunderten nicht so schreiblustig waren wie in der Gegenwart. Zu den ältesten Schreibmaterialien gehören die Wachstafeln, Tafeln aus Holz oder Elfenbein, die in einer geringen Vertiefung eine Fläche von Wachs enthielten, auf welche mit einem spitzen Griffel, gewöhnlich von Bein, Notizen aller Art, Rechnungen, Konzepte, Schulübungen, aber auch Briefe und Urkunden eingezeichnet wurden. Brauchte man diese Aufzeichnungen oder richtiger Eingrabungen nicht mehr, so wurden die Wachsflächen mit einem besonderen Geräte wieder geglättet und man konnte sie von neuem benutzen.

Bei den Griechen und Römern waren die Wachstafeln in allgemeinem Gebrauche. Der römische Dichter Properz beklagt in einer hübschen Elegie den Verlust seiner Wachstafeln, die, mit zärtlichen Liebesversicherungen beschrieben, so oft zwischen ihm und seiner Geliebten hin und her gewandert sind; er fürchtet, daß sie einem Geizhalse in die Hünde gefallen seien, der nun seine wucherischen Rechnungen darauf schreibe.

Unserem Jahrhundert, das so viele Schätze des Altertums ans Licht gezogen hat, war es vorbehalten, auch altrömische Wachstafeln, die man vordem nur nach den alten Beschreibungen kannte, im Original wieder aufzufinden, und zwar in den Goldbergwerken Siebenbürgens, die von Römern betrieben worden waren, aber auch in Aegypten und an anderen Orten. Die aufgefundenen Tafeln enthalten meist Kaufverträge und Schuldverschreibungen: sie sind ganz schmucklos und einfach.

Kostbar ausgestattet waren dagegen die aus zwei durch Scharniere verbundenen Elfenbeintafeln bestehenden „Diptycha“, welche die römischen Konsuln in der späteren Kaiserzeit beim Antritt ihres Amtes zu verschenken pflegten und die außen mit reichem Schnitzwerk verziert waren. Viele dieser geschnitzten Tafeln, die im Mittelalter zu kostbaren Einbänden von Büchern verwendet wurden, sind auf unsere Zeit gekommen.

Von den Römern haben die Germanen die Wachstafeln als Schreibgerät überkommen; sie waren im Mittelalter allgemein in Gebrauch, namentlich auch als Schreibtafeln für die Schüler. In Lübeck sind solche des 15. Jahrhunderts, noch mit Schülerschriften versehen, in den sechziger Jahren gefunden worden. Wachstafeln mit Rechnungen, mit Zins- und Steuerverzeichnissen sind viel häufiger und finden sich in den verschiedensten Sammlungen.

Gegen 1500 wurden die Wachstafeln durch die Ausbreitung der Papierfabrikation so ziemlich verdrängt, ganz gelang es dem Papier aber doch nicht, das altehrwürdige Schreibmaterial zu beseitigen; an einigen Orten hat es sich bis in unser Jahrhundert erhalten. In dem Salzwerk zu Halle a. d. Saale waren die Wachstafeln als Grundbuch für die Anteile an den Salzbornen bis 1783 in Gebrauch, in welchem Jahre sie durch königliche Verordnung abgeschafft wurden. In Schwäbisch Hall machte ihnen erst 1812 der Staat den Garaus; hier wurde das Holz, das auf dem Kocher für die Salzsieder angeflößt wurde, auf ihnen verzeichnet. Am längsten aber hielten sich die Wachstafeln auf dem Fischmarkt zu Rouen, woselbst noch vor zwanzig Jahren das Ergebnis der Versteigerung der übrig gebliebenen Fische darauf eingetragen wurde. Der größte Feind des Papiers, das Wasser, hatte hier dem Jahrtausende alten Schreibgerät im Kampfe gegen das Papier beigestanden.


Wägungen und Messungen der Kinder. In unserer fortgeschrittenen Zeit pflegen viele Eltern ihre neugeborenen Sprößlinge sorgfältig zu beobachten und durch regelmäßige Wägungen und Messungen deren gedeihliche Entwicklung zu kontrollieren. Diese Aufzeichnungen sind auch für die Wissenschaft von Wert. Leider aber wurden sie bis jetzt nicht gesammelt. Die „Gesellschaft für Kinderheilkunde“ hat nun einen Aufruf erlassen, Eltern, die solche Aufzeichnungen besitzen, möchten dieselben der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Erforderlich sind dabei einige Angaben, wie Name und Geburtsdatum des Kindes, Auskunft über verschiedene Arten der Ernährung (Mutter- oder Ammenmilch, reine künstliche oder gemischte Ernährung) nebst Nennung des Tages, an welchem eine jede derselben begonnen hat. Mitteilungen über Zahndurchbruch sind gleichfalls erwünscht.

Bei kranken Kindern sind Natur und Verlauf der betreffenden Krankheiten mitzuteilen. Die Berichte über normale Kinder sind an Dr. Camerer in Urach (Württemberg), diejenigen über Kinder, welche länger krank gewesen sind, an Dr. Biedert in Hagenau i. E. zu senden. Da diese Sammelforschung voraussichtlich längere Zeit hindurch veranstaltet wird, so dürfen Eltern, die gegenwärtig im glücklichen Besitze eines neu angekommenen Weltbürgers sind, gut thun, wenn sie ihre Aufzeichnungen gleich nach den obenerwähnten Grundsätzen einrichten wollten. *     



Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.


Leserin in Siebenbürgen. Der Autor der „Martinsklause“ dankt Ihnen für Ihre herzliche Anerkennung. Das von Ihnen besprochene Motiv ist eine geschichtliche Thatsache: in Wirklichkeit war die Sache allerdings noch viel schlimmer, aber mit Rücksicht auf den modernen Geschmack sah sich der Autor genötigt, die Darstellung dieser traurigen Verhältnisse soviel als möglich zu mildern.

H. A., Nürnberg. Merkwürdig, über was man alles wetten kann! Derjenige, welche auf „Lassen Sie es mich wissen“ gewettet hat, hat nicht bloß gewonnen, sondern kann auch besser deutsch als sein Gegner, der sich für „Lassen Sie es mir wissen“ ins Zeug legte.

Jenny F. Das ist eine sehr verwickelte Rechtsfrage, deren Beantwortung Ihnen nur ein Rechtsanwalt wird liefern können.

H. P. 1000. Bevensen. Ja, wo ist er, der geniale Mensch, der einmal die Gesetze des Grüßens schriebe, fest und unabänderlich und für alle Welt gleich verbindlich! Hier ist Sitte, was dort Unsitte, hier erlaubt, was dort verpönt, hier Grobheit, was dort Höflichkeit. Wir sind also außer stande, Ihnen eine durchweg gültige Richtschnur zu geben; nur soviel vermögen wir zu sagen, daß im allgemeinen ein wiederholtes Grüßen durch Hutabnehmen innerhalb einer Frist von wenigen Minuten nach dem ersten Gruße nicht verlangt zu werden pflegt. Ob man dann aber kühl vorüberzugehen hat, als wäre der andere gar nicht da, oder ob man die ausfallende Hutabnahme durch ein Nicken des Kopfes ersetzen darf – das entscheidet sich danach, wer der andere ist, und nach den Beziehungen, in welchen man zu ihm steht.


Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (15. Fortsetzung). S. 261. – Ringelreihen. Bild. S. 261. – Zur Trauung. Bild. S. 265. – Otto Roquette. Ein Gedenkblatt zu seinem 70. Geburtstag. S. 267. Mit Bildnis S. 268. – Die Bauten der Termiten. Von C. Falkenhorst. S. 269. Mit Abbildungen S. 269, 270 und 273. – Der Diakonissenberuf. S. 271. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard (15. Fortsetzung). S. 271. – Blätter und Blüten: Ein erfreulicher Fortschritt der Desinfektion. S. 275. – Zur Trauung. S. 276. (Zu dem Bilde S. 265.) – Ein Schreibmaterial aus alter Zeit. S. 276. – Wägungen und Messungen der Kinder. S. 276. – Kleiner Briefkasten. S. 276.


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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_276.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2021)