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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

Nr. 13.   1894.
      Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

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Die Martinsklause.
Roman aus dem 12. Jahrhundert.
Von Ludwig Ganghofer.
(12. Fortsetzung.)


16.

Mutter Mahtilt und Edelrot waren zur Ruhe gegangen. Sigenot saß noch hinter dem Steintisch und Wicho stand vor ihm. „Herr, schaffst Du noch ’was?“

Sigenot erhob sich. „Lösch’ das Feuer auf dem Herd!“ Während Wicho die Flammen erstickte und den letzten Funken mit Asche verschüttete, nahm Sigenot die Eisenhaube und den Schild seines Vaters von der Wand und verließ die Halle. Als der Knecht nach einer Weile folgte, sah er seinen Herrn im Dunkel auf der Hausbank sitzen, den blanken mattschimmernden Stahl über den Schoß gelegt.

„Wicho! Ich muß Dich um Deine Nachtruh’ bringen.“

„Macht nichts! Ich hab’ die letzte Nacht geschlafen bis in den sonnscheinigen Tag.“

„Sind Fisch’ im Kalter?“

Verwundert hörte Wicho diese Frage. „Wohl wohl, Ferchen und Hecht’.“

„So nimm das größte Lägel und thu’ hinein, was Platz hat!“

„Aber Herr,“ fuhr es dem Knecht heraus, „Du wirst mich doch in der heutigen Nacht nicht ausschicken wollen zum Fischtragen? Was Du fürchtest, merk’ ich doch an Deiner Wehr! Und ich mein’, da wär’ mein Platz an Deiner Seit’.“

„Hier bin ich allein genug! Und hilft mir nicht derselbig’, der meiner Schwester den Falk zu Hilf’ geschickt wider die Aasraben, so möchten mir Deine zwei Arm’ wohl auch nur lützel helfen. Drum geh’ und thu’ den Weg, den ich Dir ansag’!“

Schweigend ging Wicho davon. Sigenot hörte vom Brunnen her das Lägel poltern und das Wasser plätschern. Nach einer Weile kann der Knecht zurück, das triefende Fäßlein auf dem Rücken.

„Wohin also?“

„Geh’ hinaus zum Lok’wald ...“

„Wo die Klosterleut’ sitzen?“ fragte Wicho mit raschem Wort.

„Dort fließt zwischen dem Lok’stein und dem Kälberstein ein Bächl über den Hang herunter und füllt einen Weiher. Dort leer’ das Lägel aus und geh’ wieder still davon! Zeit lassen!“

„Zeit lassen auch!“ erwiderte der Knecht und schritt den Hügel hinunter zum Hagthor. Als er den Sperrbalken zurückgeschoben hatte, rief er mit halblauter Stimme zum Haus hinauf. „Komm, Herr, und leg’ hinter mir den Balken ein!“

Sigenot rührte sich nicht. „Geh’ nur! Wenn’s not thut, schieb’ ich mein Eisen vor ... das hat besseren Halt als Holz.“

Wicho ging, und lautlos schloß sich hinter ihm das Thor. Tiefe Nachtstille lag um das Fischerhaus gebreitet; nur gedämpft klang durch die Bäume einher das Rauschen der Ache. Zuweilen auch ließ sich vom See herauf ein sanftes Plätschern hören, wenn aus dem Weitsee eine Wildente gestrichen kam und zur Aesung einfiel in das Schilf. Droben in Wazemanns Haus leuchteten noch die Fenster der Herrenstube; man sah in der Finsternis weder Dach noch Mauer, und so hing der Lichtschein eines jeden Fensters im


Emil Rittershaus.
Nach einer Aufnahme von Löscher und Petsch, Hofphotographen in Berlin.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_201.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2021)