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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

wären. Die neueren Fortschritte der Photographie des Sternenhimmels haben Bilder äußerst lichtschwacher, im Weltraum schwebender Wolken geliefert. Diese Wolken nehmen nicht, wie alles Irdische, teil an der Drehung um eine Achse, sondern sie bleiben während einer Nacht fast stille zwischen den Sternen stehen. Befinden sie sich in größerer Nähe der Erde, so können sie mit freiem Auge gesehen werden als leuchtende Nachtwolken, lange nach Sonnenuntergang, bis sie der Erdschatten trifft und ihnen die Sonnenbeleuchtung entzieht.

Das Vorhandensein von Staub im planetarischen Raume kann auch nicht verwundern. Steht doch inmitten desselben die Sonne, deren Oberfläche einem ungeheueren Vulkane vergleichbar ist. Es kann nur gefragt werden, wieso sich die Staubwolken der Sonneneruptionen hinausverbreiten können in den Weltraum, entgegen der Anziehung der Sonne. Hierauf erhalten wir eine Antwort von der elektromagnetischen Theorie des Lichtes, eine Antwort, auf die wir Vertrauen haben dürfen, denn diese Theorie hat sich bei allen Prüfungen durch die Erfahrung bewährt. Sie lehrt, daß die Aetherschwingungen des Lichtes elektrischer Natur sind, und als eine Folge davon, daß das Licht auf jeden Körper, den es trifft, einen Druck ausübt. Der beleuchtete Körper wird von der Lichtquelle abgestoßen. Wir erfahren auch die Größe dieses Druckes. Er ist so klein, daß er die Schale der empfindlichsten Wage nicht zum Sinken bringt, wenn voller Sonnenschein von oben auf sie fällt. Aber er wird um so größer, je größer die vom Licht getroffene Oberfläche ist. Denken wir uns nun einen Körper irgendwo im planetarischen Raume sich selbst überlassen. Er ist der allgemeinen Massenanziehung unterworfen und wird nach der Sonne hingezogen. Die Kraft, mit welcher ihn das Licht der Sonne hinwegtreibt, ist klein gegen die Anziehung. Teilen wir nun aber diesen Körper in Gedanken in kleinere und kleinere Stücke. Er bietet dann den Sonnenstrahlen eine größere und größere Oberfläche dar, und im selben Maße wächst die Kraft, mit welcher alle Teile zusammengenommen von der Sonne fortgetrieben werden. Die Anziehung dagegen ist unverändert geblieben, denn sie hängt von der Masse des Körpers ab, an der nichts geändert wurde. Man sieht, daß die Zerkleinerung nur weit genug getrieben zu werden braucht, um schließlich die Abstoßung zum Ueberwiegen zu bringen über die Anziehung. Die Rechnung zeigt, daß dies schon der Fall ist, wenn der Körper in eine Staubwolke von gar nicht allzu großer Feinheit verwandelt ist. Diese Staubwolke wird nicht mehr gegen die Sonne hin fallen, sie wird vom Lichte der Sonne hinweggetrieben werden. Es erinnert dies an die Kometenschweife, die ja hauptsächlich aus Staub bestehen, der aus dem Kerne ausströmt, und die stets von der Sonne wegweisen.

So hat also auch der unbedeutende und alltägliche Staub seinen wesentlichen Anteil an den Vorgängen in der Natur, und es liegt in ihm ebensoviel Wunderbares und Geheimnisvolles verborgen wie in allen anderen Dingen.



Onkel Karls Verlobung.
Humoreske von Hans Arnold. Illustriert von Fritz Bergen.

Der Onkel Oberst hatte zu Ehren des neuverlobten Paares seinen altbewährten Punsch gebraut, der duftend und dampfend auf dem Tische stand und nach Versicherung des Spenders mindestens ebenso notwendig zu einem Verlobungsfest gehörte wie Braut und Bräutigam.

Die Familie – die beiderzeitigen Brauteltern und Geschwister nebst einem kleinen Freundeskreise – saß um den runden Tisch, und die Unterhaltung, ganz begreiflicherweise, drehte sich um Brautpaare – um solche, die es einmal gewesen waren, die es augenblicklich waren, die es noch einmal werden wollten.

Da an der gegenwärtigen Tafelrunde alle diese drei Klassen vertreten waren, so fand das Thema lebhaften Anklang, und schließlich kam es darauf hinaus, daß man sich allgemein von diesem wichtigsten Ereignis im Leben unterhielt, wie es gewesen war oder wie man es sich ausmalte.

„Wenn ich mich ’mal verlobe,“ sagte Gertrud, ein niedlicher naseweiser Backfisch, zu der neuesten Braut, „da soll es viel poetischer hergehen als bei Dir, Lisa! Der Vollmond muß scheinen und auf die Knie muß ‚er‘ auch fallen – darunter thue ich’s nicht!“

„Na,“ meinte der Vater, „dann bestelle Dir dies alles nur rechtzeitig und sieh auch im Kalender nach, ob es mit dem Vollmond stimmt!“

„Jawohl!“ rief der Bräutigam, „und wenn das nicht der Fall ist, dann sage: ‚Bitte, bemühen Sie sich in acht Tagen noch einmal her!‘“

„Aber sei auch sicher, daß er es thut!“ warf der Onkel Oberst ein, „man hat Beispiele von Exempeln, daß sich jemand anders besonnen hat – acht Tage sind eine lange Zeit, um zur Vernunft zu kommen!“

„Als ob es mit Vernunft nicht auch möglich wäre, sich zu verloben!“ rief Lisa empört.

Ihr Schwiegervater zuckte die Achseln.

„Erleichternd ist es jedenfalls, wenn die Vernunft nicht dabei ist,“ sagte er, „ich für meine Person habe mir zur Erklärung erst einen kleinen Spitz antrinken müssen, daß weiß ich noch ganz genau.“

„Und ich habe es zu Deinem Glück nicht gemerkt,“ ergänzte seine Frau, „sonst hätte ich wohl gedankt!“

„Um so nüchterner waren wir,“ nahm die Frau Amtmann das Wort. „Mein Mann sagte nur. ‚Na, Fräulein Hannchen, wir wissen wohl beide ganz genau, wie wir miteinander dran sind – soll ich anbauen oder nicht?‘“

„Und sie flüsterte errötend. ‚Anbauen‘, und ich bestellte die Maurer,“ sagte der Amtmann, „das war unsere Poesie, Trudchen, und es ist auch ganz gut ausgeschlagen! Machen Sie’s ’mal ebenso!“

Gertrud erhob die Augen zum Himmel. „Ich danke!“ sagte sie nachdrücklich.

„Nun haben aber beinahe alle gebeichtet!“ rief der neugebackene Bräutigam, „nur meine verehrten Schwiegereltern noch nicht! Und deren Verlobungsgeschichte interessiert uns doch am allermeisten – nach unserer eigenen, versteht sich!“

Die Eltern sahen erst sich und dann den Onkel Oberst an, dann lächelten sie alle drei etwas verlegen und sehr vergnügt – aber keiner sprach.

„Na!“ sagte der Onkel Oberst und strich sich mit einem pfiffigen Schmunzeln den langen grauen Schnurrbart, „mir scheint, unser lieber Wirt und seine Frau wollen ihre Verlobungsgeschichte nicht zum besten geben – da will ich für sie einspringen und einmal die meinige erzählen, falls niemand etwas dagegen hat!“

„Die Deinige, Onkel Karl?“ rief Gertrud lebhaft, „Deine Verlobungsgeschichte? Aber wo hast Du denn Deine Braut hingethan?“

„Das wirst Du gleich hören!“ sagte der Onkel. „Bring ’mal erst eine neue Pfeife und einen Aschenbecher – und dann schenk’ mir noch einmal ein! So! Nun bitte ich mir aber aus, daß mich keiner unterbricht – das muß ich vorher zugesichert bekommen, sonst fange ich nicht an! Sowie ich ‚Schluß‘ gesagt habe, könnt Ihr alle Euch verwundern und schreien, soviel Ihr Lust habt, aber solange ich erzähle, antworte ich auf keine Frage – ‚oho!‘ und ‚o weh!‘ und ‚aber nein!‘ mit eingeschlossen. Punktum!

Also – meine Verlobungsgeschichte! Dazu gehört vor allem, daß ich eine allgemeine Bemerkung vorausschicke. Ebenso wie es Leute giebt, die in den Augen ihrer Mitmenschen nie für ‚voll‘ gelten und bis in ihr Greisenalter der ‚kleine Töffel‘ bleiben, ebenso giebt es auch Menschenexemplare, die nie zu den ‚jungen Leuten‘ gerechnet werden, die gewissermaßen die Onkelrolle schon im Steckkissen eingebunden tragen und, nicht immer zu ihrem Vergnügen, von aller Welt frischweg ‚geonkelt‘ werden. Zu denen gehöre ich. Daß mich, einen alten Junggesellen, der die Fünfzig schon ein ganzes Weilchen hinter sich hat, jetzt jedermann Onkel Oberst nennt, dagegen läßt sich ja gar nichts einwenden. Ich habe dafür

auch eine ganze Menge von Rechten und Pflichten, die mir

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_195.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)