Seite:Die Gartenlaube (1894) 194.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

der Bildung der Niederschläge dadurch hat, daß sich an ihm der Wasserdampf verflüssigt.

Man kann geradezu behaupten, daß alles Wasser, welches die Sonnenstrahlen an der Oberfläche des Meeres und des Festlandes verdampfen, sich am Staube wieder verdichtet; daß kein Regentropfen herabfällt, dessen erster Keim nicht ein Staubteilchen gewesen wäre.

Wenn nun von „Wasserdampf“ die Rede ist, so muß bemerkt werden, daß damit stets Wasser in Gasgestalt gemeint ist, so durchsichtig und unsichtbar wie alle anderen Gase, nicht der wolkige Dampf, wie man ihn aus dem Kessel einer Lokomotive ausströmen sieht. Dieser ist, wie die Wolken und Nebel, flüssiges Wasser, in unzählige feine Tröpfchen verteilt. Beständen die Wände eines Dampfkessels aus Glas, so würden wir durch den Dampfraum drinnen klar hindurchsehen können, hier haben wir Wasser in Gasform. Strömt der Dampf aber irgendwo aus, in die viel kältere Luft, so verdichtet er sich zu flüssigen Tröpfchen. Genau derselbe Vorgang ist es, wenn der Wasserdampf, den die Sonnenwärme in den unteren warmen Schichten der Atmosphäre angesammelt hat, hinaufsteigt, sich abkühlt und dabei die Wolken bildet.

Man sagt gewöhnlich, die oberen Luftschichten seien kälter als die unteren, weil sie die Sonnenstrahlen vollständig hindurchlassen, also von ihnen nicht erwärmt werden können, daß dagegen die Strahlen die Erdoberfläche erwärmen und diese erst die Luft. Dies ist gewiß so, aber es erklärt nicht, warum nicht auch die oberen Luftschichten im Laufe der langen Zeiten endlich ebenfalls erwärmt worden sind. Daß diese Schichten sich etwa gegen den Weltraum hin stark abkühlen sollten, dafür ist keine Ursache vorhanden, denn ein Körper, der, wie die Luft, wenig Wärmestrahlen verschluckt, sendet nach einem festen Gesetze auch wenig aus. Wäre die Atmosphäre in vollkommener Ruhe, so müßte sie sich in der That vom Erdboden aus vollkommen durchwärmen. Sie ist aber in fortwährender Bewegung und darin liegt die Ursache der ungleichmäßigen Wärmeverteilung. Wenn eine Luftmenge von der Erdoberfläche in die Höhe steigt, so muß sie sich dabei bedeutend ausdehnen, denn der Druck, unter dem sie steht, ist oben viel geringer als unten. So oft aber ein Gas sich ausdehnt, wird es kälter, es entzieht sich ihm die Wärmemenge, welche der Arbeit entspricht, die es während der Ausdehnung im Zurückschieben der Umgebung leistet. Aufsteigende Luft kühlt sich daher ab, herabsinkende wird umgekehrt wärmer. So erklärt es sich, daß bei den fortwährenden Bewegungen in der Atmosphäre das Temperaturgleichgewicht, welches in der gleichmäßigen Durchwärmung aller Schichten bestünde, nie zustande kommen kann.

Wenn nun absteigende Luftmassen eine genügende Menge von Wasserdampf enthalten, so wird dieser sich in gewisser Höhe zu Tröpfchen, zu Wolken verflüssigen. Wir sagen, die Abkühlung ist die Ursache der Verflüssigung. Es kann nun aber die Behauptung aufgestellt und durch Versuche bewiesen werden, daß Abkühlung allein nicht dazu genügt, daß vielmehr Verflüssigung nur stattfindet an der Oberfläche irgend eines festen oder flüssigen Körpers, nicht an der freien, reinen Luft, wohl aber an der Oberfläche der in ihr verteilten Staubpartikelchen. Jedes Tröpfchen eines Dampfstrahles, einer Wolke, ist ein mit Wasser überzogenes Staubteilchen.

Der beweisende Versuch ist leicht anzustellen. Wir füllen eine große Flasche mit staubfreier Luft, was so geschehen kann, daß wir gewöhnliche Luft durch Watte pressen und dann in die Flasche leiten, so lange, bis alle ursprünglich in ihr enthaltene Luft durch filtrierte ersetzt ist. Die Watte hat alle Staubteilchen zuruckgehalten. Lassen wir nun in die staubfreie Luft der Flasche einen Dampfstrahl aus einem Kessel eintreten. Er bleibt vollkommen unsichtbar. Keine Spur von dem gewohnten wolkigen Aussehen ist wahrnehmbar. Das einzige, was wir bemerken, ist, daß die Innenwände der Flasche zu triefen beginnen: der Dampf verdichtet sich an diesen allein, da er keine andere feste Oberfläche vorfindet. Blasen wir aber nunmehr etwas gewöhnliche, staubhaltige Luft in die Flasche, dann erscheint diese sofort mit dickem wirbelnden Nebel erfüllt. Soviel Staubpartikelchen wir eingelassen haben, aus soviel Tröpfchen besteht dieser Nebel. Lassen wir nur wenig Stäubchen ein, so stürzt aller Dampf auf diese wenigen und beladet sie in kürzester Zeit so sehr mit Wasser, daß sie als schwere Tröpfchen zu Boden sinken. Es regnet dann in unserer Flasche. Sie wird bald wieder klar und der Dampfstrahl unsichtbar wie zuvor.

Ohne Staub also keine Verflüssigung des Dampfes in der Luft. Ohne Staub kein Nebel, keine Wolken, kein Regen, kein Schnee, keine Gewitter. Die einzige Verdichtungsfläche wäre die Oberfläche der Erde selbst. Diese, die Bäume und Sträucher, die Wände der Häuser würden zu triefen beginnen, wenn Abkühlung in der Luft eintritt. Im Winter würde sich alles mit einer dicken Eiskruste überziehen. In dieser Weise müßte all das Wasser zum Vorschein kommen, das wir gewohnt sind, in Regengüssen oder als Schnee herabfallen zu sehen. Beim Hinaustreten ins Freie würden wir sofort fühlen, daß sich unsere Kleider durchnässen; Regenschirme wären nutzlos. Die mit Wasserdampf übersättigte Luft würde auch eindringen ins Innere der Häuser und ihr Wasser an den Oberflächen aller Gegenstände absetzen. Kurz, es ist kaum zu übersehen, wie ganz anders alles sein würde, wenn nicht der Staub seine unermeßlich große Oberfläche allenthalben der Luft darböte. Ihm verdanken wir es, daß die Verdichtung des Wassers von der Erdoberfläche abgewendet wird nach den höheren, kälteren Luftschichten.

Seit man aufmerksam geworden ist auf den großen Anteil des Staubes an den meteorologischen Erscheinungen, hat manbegonnen, die Staubpartikelchen in der Luft zu zählen.

Schon Pasteur hat dahingehende Versuche angestellt. Er filtrierte eine abgemessene Luftmenge statt durch gewöhnliche Watte durch Schießbaumwolle. Alle Staubpartikelchen, die in der durchgepreßten Luft enthalten waren, saßen jetzt in der Schießbaumwolle. Die letztere läßt sich in einem Gemisch von Aether und Alkohol klar auflösen und die Lösung zu einer Schicht von klarem und durchsichtigem Kollodium eintrocknen, worin die Partikelchen unter dem Mikroskope beobachtet und auch gezählt werden können. Diese Versuche wurden indessen hauptsächlich in der Absicht angestellt, nach Hefekeimen in der Luft zu fahnden.

Ein besseres Verfahren zur Zählung des Staubes gründet sich auf unseren Versuch mit der staubfreien Flasche; es ist, wie dieser Versuch, von Aitken in Edinburg ersonnen. Lassen wir in die staubfrei gemachte Flasche eine abgemessene Menge der zu prüfenden Luft eintreten, etwa den hundertsten Teil des Inhaltes der Flasche selbst. Es wird durch diese Verdünnung die Zählung erleichtert werden. Die Luft in der Flasche ist durch einige Tropfen Wasser vorher mit Feuchtigkeit gesättigt worden, zugleich hat man sie durch Hineinpressen von etwas staubfreier Luft komprimiert. Wird nun plötzlich ein Hahn geöffnet, so dehnt sich die Luft aus, kühlt sich dabei ab, und der Wasserdampf schlägt sich an all den eingelassenen Staubteilchen nieder, beschwert sie und läßt sie bald zu Boden sinken. Der Boden der Flasche aber ist aus einer blanken Silber- oder Glasplatte gebildet, auf welcher ein Netz von Quadratmillimetern eingeritzt ist. Auf dieses Netz senken sich soviele Wassertröpfchen nieder, als Staubteilchen in der Flasche waren, und können hier mit der Lupe gezählt werden.

Die Anzahl der Staubpartikelchen in einem Kubikcentimeter Luft betrug beispielsweise in London, selbst am Rande der Stadt und wenn der Wind von außen her blies, fast eine Viertelmillion. Ungefähr ebensoviel fanden sich in der Pariser Luft; auf der Spitze des Eiffelturmes waren etwa halb soviel zu finden. Bedeutend reiner ist die Luft in den Alpen. Auf dem Gipfel des Rigi ergaben sich etwa 200 Stäubchen im Kubikcentimeter, nach Regenfällen etwas weniger. In der verhältnismäßig reinen Luft der Berggipfel verdichtet sich der Hauch aus dem Munde, auch bei kaltem Wetter, nicht zu sichtbaren Wolken. Steigen wir aber herab und nähern uns einem Dorfe, wo Schornsteine rauchen, so erscheinen die gewohnten Hauchwolken wieder. Ein Dampfstrahl bleibt indessen überall sichtbar; vollkommen staubfreie Luft ist nirgends gefunden worden.

Man bezeichnet oft den Staub als etwas der Erde Eigentümliches. Er findet sich aber auch im Weltenraume. Unser Sonnensystem hat seine Staubatmosphäre, wenn sie auch außerordentlich dünn gesäet ist. Außer den großen Klumpen von Materie, den Meteorsteinen, fällt unaufhörlich meteorischer Staub aus dem Weltraume auf die Erde herab. Man ist darauf zuerst aufmerksam geworden, als im Jahre 1869 bei Upsala ein Meteorit niederfiel und zugleich ein schwarzer Staubregen. Der Staub wurde gesammelt und zeigte ganz dieselbe Zusammensetzung wie der Meteorit: Kohle und Eisen. Seitdem hat man noch mehreremal solche besonders dichte kosmische Staubfälle von ganz gleicher Zusammensetzung beobachtet, auch ohne daß Meteoriten erschienen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_194.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)