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verschiedene: Die Gartenlaube (1894)


Ein Gruß vom Osterhasen! Er läßt sich den verehrten Leserinnen bestens empfehlen und schickt – stets beflissen, mit der Zeit fortzuschreiten – seine und seiner Kinder Photographien zu freundlichem Gedächtnis und geneigter Nutzanwendung. Daß er selbst mit dem Färben der Eier alle Pfoten voll zu thun hat, zeigt sein Konterfei, es kostete ihn kein geringes Studium, unter Beibehaltung der alten erprobten explosionssicheren Pfanne, aber an der Hand der neueren Chemie seine Farbstoffe immer schöner und bunter zu bereiten, deshalb findet er keine Zeit mehr für die künstlerische Ostereier-Malerei und von seinen Kindern hat er keine Unterstützung zu hoffen. Der von Hause aus sehr talentvolle Aelteste legt wenig Ehrgeiz für die Osterhasen-Laufbahn an den Tag: er hat sich eines zu Schaden gekommenen Eies bemächtigt und benutzt dasselbe als Wetterdach zum beschaulichen Stillleben. Zwei von den jüngeren, stämmige aber höchst materiell gesinnte Burschen, sind unter die Gigerln gegangen. Der Jüngste, ein feuriger Poet mit stets verliebtem Herzen, bringt einem soeben dem Ei entschlüpften Hasenfräulein eine zarte Huldigung dar, statt dem alten Vater an die Hand zu gehen. Nur der Zweitälteste, Hans geheißen, ein gutmütiger, aber beschränkter Kerl, der nicht einmal Eier zu legen, geschweige sie zu färben versteht, dieser hat mit gewohnter Dienstfertigkeit die Eilbestellung an die Redaktion übernommen und läuft nun schwerbepackt, was die Beine leisten wollen, um rechtzeitig anzukommen.

Gerade ist es noch Zeit, daß wir die Hasenbilder unseren künstlerisch begabten Leserinnen zum Schmuck der Ostereier überliefern können! Sie sind auf verschiedene Weise dartustellen: entweder zeichnet man sie mit der Feder auf ein vorher mit Seifenwasser gereinigtes, hartgekochtes Ei, indem man den Hintergrund mit einer lichten Deckfarbe, grün, blau, lila, rosa, gelb, bemalt oder auch mit der schönen überall käuflichen Gold- oder Silbertinktur. Wer sehr geschickt ist, nimmt auch wohl die Oelpalette zur Hand und trägt das ganze Bildchen in Farbe auf. Außerdem läßt es sich – aber dazu gehört gleichfalls eine sichere und geübte Hand! – mit einer in Salzsäure getaichten Feder auf ein in gewöhnlicher Weise gefärbtes Ei zeichnen, wo dann die Striche weiß erscheinen. Beiläufig gesagt: diese Technik eignet sich auch vorzüglich zum Aufschreiben scherzhafter Sprüche.

Zum Schluß geben wir noch ein in den „Liebhaberkünsten“ veröffentlichtes Verfahren, um Eier mit reliefartigen Inschriften und Bildern zu versehen. Man schreibt oder zeichnet das Gewünschte mit einer noch unbenutzten Feder, die statt in Tinte in flüssiges Wachs, Fett oder Firnis getaucht wird, auf die Schale eines Eies und legt dieses vier Stunden lang in eine scharfe Säure (etwas verdünnte Salzsäure). Ueberall, wo die isolierende Masse die Schale nicht schützt, wird Kalk darin durch die Säure zersetzt und die Schrift bleibt reliefartig zurück.

Hoffentlich findet unsere Ostergabe eine freundliche Aufnahme und vielseitige Verwendung bei unsern Leserinnen!


In einer Kindervolksküche zu Berlin. (Zu dem Bilde S. 165.) Ein lukullisches Mahl im feinsten Speisehause kann nicht größere Befriedigung hervorrufen, als sie auf den Gesichtern der Kinder zu lesen steht, die sich allmittäglich in den Berliner Kindervolksküchen zu ihrem Näpfchen Hausmannskost einfinden. Ach, wie viele sind darunter, die ohne diese von mildthätigen Menschen ins Werk gesetzte Beihilfe selten oder nie des Mittags zu einem warmen Bissen kämen! Es fehlt daheim das Geld für Feuerung, oder Vater und Mutter arbeiten irgendwo an weit entfernter Stätte, von der sie über Mittag nicht nach Hause zurückkehren können, und niemand ist da, der den kleinen Würmern ein ordentliches Essen besorgt. Da ist denn in Berlin der „Verein für Kindervolksküchen“ in die Lücke getreten. Er hat bis jetzt zwei Kinderspeiseanstalten gegründet, die eine im Herzen der Stadt in der Klosterstraße, die andere im Norden, in der Stralsunderstraße; eine dritte im Osten soll so bald als möglich folgen. Die Anstalt in der Stralsunderstraße, die unserem Zeichner als Vorlage für seine bildliche Darstellung diente, versorgt z. B. täglich etwa 800 Kinder mit Mittagsbrot. Etwa 500 essen in Abteilungen von 40 bis 60 in der Anstalt selbst, und zwar völlig umsonst, die übrigen, die nicht ganz so bedürftig sind, bekommen um einen geringen Preis ihre Portion mit nach Hause. Bei der Auswahl der kleinen Kostgänger gehen dem Vereine die Rektoren der Volksschulen und andere mit den Verhältnissen der betreffenden Bezirke vertraute Gemeindebeamte zur Hand, so daß ein Mißbrauch der so hervorragend wohlthätig wirkenden Einrichtung nicht zu fürchten ist. In der That verdient der Verein eifrigste Förderung seitens der Behörden und aus allen Kreisen der Bevölkerung. Denn was kann man den armen Kindern Besseres mitgeben für den harten Kampf ums Dasein als einen guten Schulsack und – einen kräftigen Körper. Der aber ist nicht möglich, wenn es an der Grundlage fehlt, einer gesunden ausreichenden Ernährung.


Ortrud auf den Knien vor Elsa von Brabant. (Zu dem Bilde S. 177.) Es ist eine Scene aus Richard Wagners „Lohengrin“, welche das Gemälde von Th. Pixis uns vorführt. Wir sehen, wie die holdselige Elsa von Brabant die vor ihr auf den Knien liegende Ortrud hochsinnig zu sich erhebt, um sie dann in die Kemenate zu geleiten. Ortrud ist die Gattin des im Hintergrunde lauernden Grafen Friedrich von Telramund, welcher Elsa vor allem Volke des Brudermordes angeklagt hat und dann beim Gottesgericht, das Elsa in Anspruch genommen, von dem Gralsritter Lohengrin, der zu ihrem Schutz herbeigekommen, überwunden worden ist. Dem Sieger hatte sie ihre Hand versprochen; doch Lohengrin setzt der Geliebten die Bedingung, daß sie niemals danach fragen solle, woher er gekommen und welches sein Geschlecht, sein Name sei. Die zauberkundige Ortrud baut darauf den Plan, sich an der Königstochter zu rächen. Mit geheuchelter Demut fleht sie ihre Gnade an; aber sie hegt die böse Absicht, durch hinterlistige Beredsamkeit sie zu bewegen, daß sie das Gebot des Retters mißachte und die verhängnisvollen Fragen an ihn richte. Und es gelingt ihr der heimtückische Anschlag, durch den sie der kaum Vermählten den geliebten Gatten wieder entreißt. Das ist das Ende der schändlichen Intrigue, die in dem Augenblicke sich anspinnt, da die ahnungslose Elsa der heuchlerischen Ortrud ihre Thür öffnet.


Eine deutsche Gesamtausgabe der Romane von Charles Dickens. Unserem Volke ist Dickens, der große englische Humorist, auf dem Gebiet des Romans fast dasselbe geworden, was Shakespeare als Dramatiker. Die Fülle und Kraft, die heitere Ursprünglichkeit und die dämonische Gewalt seiner Gestalten, die ganze Tiefe und Reinheit des Gemüts, aus der sie entsprungen sind – das alles hat dem gelesensten Schriftsteller Englands auch bei uns schon längst volkstümliche Geltung verschafft. Und die Wirkung dieser Dichtungen ist noch lange nicht erschöpft, es fehlt manches, bis sie, wie sie es verdienen, in die weitesten Kreise gedrungen sind. Dankbar muß man es daher begrüßen, daß der Verlag von Albin Schirmer zu Naumburg a. d. S. in billigen Lieferungen eine deutsche Gesamtausgabe der Dickens’schen Romane veranstaltet, die den Vorzug hübscher Ausstattung hat und aus der auch einzelne Romane für sich bezogen werden können. Möge diese neue Ausgabe, von der bis jetzt erschienen sind: „David Copperfield“, „Aus zwei Millionenstädten“, „Barnaby Rudge“, „Oliver Twist“ und „Weihnachtsgeschichten“, überall die Kenntnis dieser Werke vermehren, die mit der Macht dichterischer Unmittelbarkeit Herz und Geist erfrischen.


Kaiser Wilhelm II. und Fürst Bismarck. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die Begegnung Kaiser Wilhelms II. mit dem Fürsten Bismarck zu Berlin am 26. Januar (1894) hat dem Maler William Pape den Gedanken zu einem Bilde eingegeben, welches jenes denkwürdige Ereignis gleichsam in gedrängten Zügen verkörpern soll: der Kaiser und Bismarck, Hand in Hand einander gegenüberstehend. Wir freuen uns, das schöne Bild in besonders sorgfältiger Wiedergabe unsern Lesern vorlegen zu können, zur bleibenden Erinnerung an jenen Tag einer herzerhebenden Freude.


Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (10. Fortsetzung). S. 165 – Eine Kindervolksküche in Berlin. Bild. S. 165. – Eine Barrikade zu Paris im Juli 1830. Bild. S. 169. – Die Linke. Von C. Falkenhorst. S. 171. – Die Perle. Roman von Marie Bernhard (10. Fortsetzung). S. 172 – Palmsonntag in den Alpen. Bild. S. 173. – Ein Welttyrann. Ein Blick in die Schatzkammern der Erde. Von W. Berdrow. S. 176. – Aus Richard Wagners „Lohengrin“: Ortrud auf den Knien vor Elsa von Brabant. Bild. S. 177. – Blätter und Blüten: Palmsonntag in den Alpen. S. 179. (Zu dem Bilde S. 173.) – Eine Barrikade zu Paris im Juli 1830. S. 179. (Zu dem Bilde S. 169.) – Ein Gruß vom Osterhasen! Mit Bildchen. S. 180. – In einer Kindervolksküche zu Berlin. S. 180. (Zu dem Bilde S. 165.) – Ortrud auf den Knien vor Elsa von Brabant. S. 180. (Zu dem Bilde S. 177.) – Eine deutsche Gesamtausgabe der Romane von Charles Dickens. S. 180. – Kaiser Wilhelm II. und Fürst Bismarck. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1894, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_180.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2023)