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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

alle Feuchtigkeit verloren haben; dann müssen sie aus dem Rahmen befreit, „abgelegt“, und in Schachteln verpackt werden. Dieser Theil der Arbeit, der mit Brandgefahr verbunden ist, mußte bis vor nicht langer Zeit gleichfalls durch die menschliche Hand besorgt werden; jetzt hat man Auslegemaschinen ersonnen, welche die Hölzer den geöffneten Rahmen entnehmen und geordnet in größere Kasten fallen lassen, aus welchen sie dann in kleinere Schachteln umgepackt werden. Eine solche Auslegemaschine neuester Bauart vermag bis zu drei Millionen Hölzchen an einem Tage den Tunkrahmen zu entnehmen, und dabei arbeitet sie, wie die Erfahrung gelehrt hat, bei weitem feuersicherer als der Mensch.

In allerjüngster Zeit hat der Schwede Lundgrenn, der schon durch seine Maschinen zur Herstellung der Schwedenschachteln berühmt geworden war, noch eine Maschine erfunden, welche die leeren Schwedenschachteln mit Hölzchen füllt und die Schachteln geschlossen abliefert. Man braucht weiter nichts zu thun, als nur die Behälter der Maschine mit Zündhölzchen und Schachteln zu füllen, und empfängt von ihr in 10 Stunden 25.000 wohlgefüllte Schachteln!

Wir sehen, das kleine Zündhölzchen, das rasch vergängliche, hat eine ruhmreiche Geschichte; es ist eine bewundernswerthe Leistung des Menschengeschlechts; in ihm steckt eine ungeheure Summe scharfsinniger Geistesarbeit. Der Neger hat recht, wenn er beim Anblick des seltsamen Dinges, das Licht und Feuer sprüht, ausruft, es sei ein Zauber; denn das kleine Hölzchen übertrifft sicher die wunderbaren Künste der alten Magier.




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Geburtstag.

Humoreske von Charlotte Niese.

Heute ist der Geburtstag nicht mehr das schönste Fest, das man feiern kann; ehemals aber, als wir noch Kinder waren, gab es nichts Besseres, als den Tag festlich zu begehen, an dem wir das Licht der Welt erblickt hatten. Wir durften eine Kindergesellschaft haben, die um vier Uhr nachmittags mit Chokolade und Kuchen begann und um Acht mit Butterbrot und Glühwein endete. Glühwein! Noch heute werden wir Geschwister begeistert, wenn wir an den Glühwein denken, den unsere Mutter mit unübertrefflicher Kunst bereitete. Er bestand aus viel Wasser, etwas Rothwein, Nelken und Zucker und wurde aufgekocht. Wir hatten einmal einen Gast aus der Großstadt, der uns erzählte, daß er schon Champagner getrunken hätte. Auf diese Heldenthat bildete er sich etwas ein. Wir aber fragten ihn, ob er schon jemals Mamas Glühwein gekostet hätte. Er mußte die Frage verneinen, und darauf erklärten wir, daß er überhaupt von Wein gar nichts verstände, wenn er unseren Glühwein nicht kennte.

Ja, solch ein Geburtstag mit Chokolade und Glühwein war herrlich; aber man hatte an diesem Tage doch auch seine Aufregungen. Nämlich die, daß man nicht ganz genau wußte, was die Eingeladenen einem schenken und ob sie auch etwas schenken würden. Man that natürlich, als wäre einem die Gabe ganz einerlei, als freute man sich nur über die Anwesenheit des geliebten Freundes; im stillen aber rechnete man doch schon aus, ob man wohl ebensoviel Geschenke bekäme, wie man Spielgenossen eingeladen hatte.

Und was war es wohl, das sie, sauber in Papier gewickelt, auf den Geburtstagstisch legten? Man sah natürlich nicht gleich nach, man spielte den Unbefangenen und sprach vielleicht sogar vom Wetter, wie die Großen immer thaten – dann aber riß man doch mit eiligen Händen eine Papierhülle nach der anderen ab, während der Geber dicht dabei stand und meistens erzählte, wie viel das Geschenk gekostet habe. Es waren keine Unsummen, die ausgegeben wurden – manche brachten auch eine Gabe, die schon durch die halbe Stadt als Geschenk gewandert war, und die meisten schenkten eine Papeterie.

Das war ein großer buntbedruckter Umschlag, in dem sich drei bis vier mit Vergißmeinnicht und Rosen geschmückte Briefbogen, ebensoviele Kouverts und einige Gummi-Oblaten befanden. Es war ein hübsches Geschenk, wie Herr Metzger uns versicherte. Der handelte nämlich mit Papeterien und anderen schönen Dingen, und er verstand es ausgezeichnet, uns die Nützlichkeit dieser Sachen eindringlich darzustellen. Deshalb freuten wir uns auch immer, wenn wir eine Papeterie bekamen; als ich aber einmal an meinem Geburtstage zehn erhielt, da weinte ich doch ein wenig, und es bedurfte des Zuredens meiner gesamten Familie, um mir wieder die schöne Fassung zu geben, die ein Geburtstagskind nöthig hat. Aber seit dem Tage ärgerte ich mich doch, daß mein Geburtstag gerade in die Zeit fiel, wo Herr Metzger Ausverkauf zu halten pflegte, und im folgenden Jahre machte ich wochenlang vorher in meinem Freundeskreise bekannt, daß ich noch immer mehr als genug Papeterien hätte.

Ebenso ernsthaft, wie wir die Frage der Geschenke für uns selbst auffaßten, beschäftigten wir uns auch mit dieser Angelegenheit, wenn wir einen Freundesgeburtstag mitfeiern sollten. Sobald die Einladung erfolgt war, quälten wir uns mit dem Gedanken, was wir schenken könnten. Meistens hatten wir kein Geld, um eine Anschaffung zu machen, und so galt es also zunächst, die nöthigen Schillinge herbeizuschaffen. Wir hatten gottlob einen guten Großvater und an ihn wandten wir uns meistens in unsern Sorgen. Zwar mochte er nicht um Geld gebeten werden und behauptete auch, wir feierten jede Woche einen anderen Geburtstag; aber nachdem er tüchtig gewettert hatte, steckte er doch die Hand in die Tasche und fragte verdrießlich, wie viel wir haben wollten. Und da er häufig kein Kleingeld hatte und wir uns mit der größten Bereitwilligkeit anboten, in den nächsten Laden zu laufen, um wechseln zu lassen, so schenkte er uns für diese Mühe auch manchmal noch eine Kleinigkeit obendrein.

Eines Tages war ich ganz besonders vergnügt. Großvater hatte mir auf mein stürmisches Verlangen einige Schillinge für ein zu kaufendes Geburtstagsgeschenk gegeben und Herr Metzger mir einen Federkasten so billig verkauft, daß ich noch etwas Geld übrig hatte.

„An dem Kasten hab’ ich Schaden!“ sagte Herr Metzger, indem er das betreffende Stück vorsichtig einwickelte. „Der kostet mich selbst eine Kourantmark; aber weil Du es bist, bekommst Du ihn fast geschenkt. Nun wickle ihn nur nicht wieder aus!“

Mit dieser Ermahnung entließ er mich und ich lief nach Hause, um sofort meinen billigen Schatz wieder auszuwickeln. Denn wozu macht man Geburtstagsgeschenke, wenn man sie nicht einmal gründlich besehen darf? Der Geburtstag meines Freundes war überhaupt erst morgen – ich hatte also genügend Zeit, meine Gabe zu mustern und das Geburtstagskind durch einige geheimnißvolle Andeutungen sehr neugierig zu machen.

Der Kasten war wirklich hübsch, blank und zierlich. Auf dem Deckel stand „Souvenir“, ein Wort, das mir dunkel war und das ich deshalb sehr schön fand. Als ich aber diesen Deckeln öffnen wollte, fand es sich, daß das nicht ging. Ich mochte zerren und reißen, schieben und drücken, alles half nichts, und betrübt starrte ich auf den mir von Herrn Metzger so billig überlassenen Gegenstand. Da kam der Propst des Weges gegangen. Ich saß nämlich vor der Thür unseres Hauses und begrüßte alle Vorübergehenden, natürlich auch den Propst, einen ganz besonderen Freund der Familie. Er war ein großer Herr mit freundlichem Gesicht, der immer sehr gut gegen uns war.

„Was hast du denn da?“ fragte er, und ich zeigte ihm meinen Federkasten, den er alsbald in die Hand nahm, um an dem Deckel zu zerren. Seinen kräftigen Fingern gelang, was ich nicht erreicht hatte: der Deckel flog ab; aber der ganze Kasten ging aus dem Leim.

Ich schrie vor Entsetzen und auch der Propst erschrak. Aber das wollte er natürlich nicht merken lassen und lachte gezwungen. „Nun, nun, nicht so hitzig! Wie kannst Du so schreien, nur weil der dumme Kasten entzwei geht! Das schickt sich nicht!“

Ich war gewohnt, ausgescholten zu werden, wenn Erwachsene in meiner Gegenwart etwas verkehrt angriffen; aber ich mußte doch meinem Herzen Luft machen. „Den Kasten sollte Heinz Behrens haben,“ wimmerte ich. „Ich habe es ihm heute schon gesagt und morgen soll er ihn kriegen!“

„Heinz Behrens? Wird der nicht morgen zehn Jahre alt?“ fragte der Propst, der das Alter seiner sämtlichen Gemeindekinder,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 871. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_871.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)