Seite:Die Gartenlaube (1893) 829.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)


Federn sammelnde Kinder bei den Gänseherden zu Rummelsburg.
Nach einer Originalzeichnung von W. Zehme.


Jänicke auf den Markt zu gehen und Einkäufe zu machen oder den Kunden die von ihnen bestellten Waren ins Haus zu tragen. Da diese Thätigkeit seine Zeit nicht ganz in Anspruch nahm, so blieben ihm fast täglich einige Stunden übrig, in denen er sich mit allem Eifer nach einer anderen Beschäftigung umsah, denn er merkte wohl, daß ihn die Familie des Krämers mit mißgünstigen Augen betrachtete und nur ihres Neffen wegen duldete.

Auch zu Schuckmann war Erwin gegangen, um sich nach dem Befinden des kleinen Henry zu erkundigen und den Freund um Rath und Hilfe zu bitten. Aber er traf es ungünstig; Schuckmann war gar nicht zu Hause, Frau Libby aber so ausschließlich von ihrem kleinen Kranken in Anspruch genommen, der, immer noch nicht außer aller Gefahr, bleich und hinfällig in seinem Bettchen lag, daß Erwin sich kaum fünf Minuten aufhielt. Schließlich schied er mit der Empfindung, daß seine Freunde genug mit ihren eigenen Sorgen zu thun hätten.

So waren fast zwei Monate verflossen, als er eines Morgens, nachdem er sich eben in der Bodenkammer zu einew Ausgang umgekleidet hatte, zum Laden hinabstieg. Als er sich der Ladenthür näherte, schallte ihm ein heftiges Stimmengewirr entgegen und jetzt vernahm er deutlich seinen Namen. Unwillkürlich blieb er stehen und horchte. Jänicke führte mit seinem Onkel in der heimathlichen Mundart einen lebhaften Streit, dessen Gegenstand niemand anders war als Erwin selbst.

„,Min Leitnant‘ und nix as ,min Leitnant‘!“ hörte der Lauschende den Krämer mit höhnischer Stimme ausrufen. „Du bist ’n rechten Dämelklas mit Din ,Leitnant‘. Wat geiht uns de Snurrer an? Mag sülben sehen, wo hei blivt! Uns schenkt ok keiner ’n Cent!“

„Ik segg Di, Unkel, bat Du so von min Leitnant redst, dat – dat lid ik nich. Un wenn Du so ’n Geizhammel bist, dat Du em den Happen Eten nich günnst, denn – na, denn kannst mi man ok glik de Dör wisen.“

„Den Happen Eten? Gott sall mi bewahr’n, min Jung! Din Herr Leitnant haut in as ’n Döscher[1]. Wenn hei bi de

  1. Drescher.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 829. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_829.jpg&oldid=- (Version vom 30.1.2023)