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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

wird eine Trinkkur an den warmen Quellen von Ems von günstigem Einfluß sein. Bei vollsaftigen, fettleibigen Leuten wird eine Kur mit den ableitenden Glaubersalzwässern von Marienbad und Karlsbad eine Reihe von Gelegenheitsursachen entfernen, welche sonst Reize für das Auftreten des Asthmas bilden. In Fällen, wo asthmatische Zustände mit Erweiterung und Veränderung der Lungenbläschen, also mit Lungenemphysem, verbunden sind, wird man verdünnte und verdichtete Luft zur Athmung verwerthen, wie das am besten in gut eingerichteten pneumatischen Kammern besorgt werden kann. Wohlthätig wirkt auch für solche Kranke während der Sommerszeit der Aufenthalt in höher gelegenen, mit Fichtenwäldern ausgestatteten Gegenden, wo die reine, sauerstoffreiche Luft ein besonderes Gefühl von Wohlbefinden erregt. Ebenso vortheilhaft ist es, wenn die Verhältnisse es gestatten, den Winter in einem südlichen wärmeren Klima zu verbringen, wo die Schädlichkeiten der rauhen Jahreszeit geringer und die Anlässe zu Erkältungen für den Kranken seltener sind. Außerordentlich wichtig aber ist für derartig Leidende, däß sie eine sorgfältige Diät beobachten, jedes Uebermaß im Essen und Trinken vorsichtig vermeiden. Alle schwer verdaulichen Speisen, alle blähenden Gerichte sind von der Tafel zu verbannen; das Abendessen muß äußerst mäßig sein, am besten bloß aus Bouillon, Milch oder weichen Eiern bestehen und darf nicht zu kurze Zeit vor dem Schlafengehen genossen werden; für einen regelmäßigen Gang der Verdauung ist besondere Sorge zu tragen. Bei rauhem Wetter und des Winters bei großen Kältegraden ist das Ausgehen ins Freie zu unterlassen und dafür das gleichmäßig warm gehaltene Zimmer zu hüten. Das Schlafgemach soll reichlich Raum und frische, jedoch nicht zu kalte Luft bieten. Im Anfalle selbst suche man dem Kranken durch Zufächeln von Luft, durch Waschen von Stirn und Gesicht mit Kölnischem Wasser, bei großer Schwäche und Mattigkeit durch Verabreichen von kleinen Mengen kräftigen Weines oder starken schwarzen Kaffees Erleichterung zu verschaffen, lasse aber schleunigst den Arzt holen. Gegen den Lufthunger und die Athemnoth wirkt zuweilen ein von sachverständiger Hand geübter andauernder Druck auf den Brustkorb, wodurch die Ausathmung unterstützt wird. Zu demselben Zwecke ist für Asthmatiker, welche an häufigen, lange dauernden Anfällen leiden, ein Athmungsstuhl empfohlen worden, in welchem der Kranke ohne fremden Beistand mit seinen eigenen Armen imstande ist, seinen Brustkorb rhythmisch bei jeder Ausathmung zu komprimieren (siehe „Gartenlaube“ 1888, Nr. 37).

Die zweite Form des Asthmas, das cardiale Asthma, nimmt vom Herzen seinen Ausgang, wenn dieses infolge von übermäßiger Fettansammlung oder Fettwucherung, von Uebermüdung, von Erkrankung seiner Muskulatur oder der Herzklappen von Verknöcherung der Blutgefäße nicht mehr genügend leistungsfähig ist, um die wichtige Arbeit des Blutkreislaufes in der streng geregelten Weise zu vollbringen. Die Stauungen, welche hierdurch im Kreislaufe des Blutstromes, besonders im Gebiete der Lungengefäße, eintreten, stören in empfindlicher Weise den Gaswechsel in den Lungen, geben zu Schwellungen in den feinen Bronchien Anlaß und verursachen Reizungen dieser Schleimhäute, die den asthmatischen Anfall hervorrufen. Daß ein solcher dem Kranken droht, darauf deuten gewöhnlich schon einige Zeit früher gewisse Vorboten, welche die ungenügende Herzarbeit verrathen, so besonders Kurzathmigkeit bei längerem Gehen oder gar Laufen, Athemnoth beim Treppensteigen oder Heben selbst geringfügiger Lasten, Beklemmung auf der Brust und Herzklopfen bei leichter Erregung, Blutandrang gegen den Kopf, Schwindelempfindung etc. Doch kommt der Anfall selbst unerwartet und plötzlich, er nimmt auch in der Heftigkeit der Beschwerden denselben stürmischen Verlauf wie beim bronchialen Asthma, birgt aber noch größere Gefahren, denn das geschwächte Herz droht, wenn an dasselbe erhöhte Aufgaben herantreten, denen es nicht gewachsen ist, zu – erlahmen.

Darum ist es auch beim cardialen Asthma von besonderer Wichtigkeit, im Anfalle auf das Herz selbst mit aller Macht anregend und kräftigend zu wirken, es zu verstärkter Arbeit anzuspornen. Es geschieht das, indem man starke Hautreize ausübt, auf die Brust Senfteige oder geriebenen Meerrettig legt, die Hände und Füße mit Bürsten bearbeitet, trockene Schröpfköpfe auf die Herzgegend setzt, dabei dem Kranken von Zeit zu Zeit einen Schluck stärksten Weines oder Cognacs, schwarzen Kaffees oder dgl. reicht, bis der Arzt eintrifft und die nöthigen Herzmittel verschreibt, unter denen Digitalis und Coffeïn eine Hauptrolle spielen. Ist die Gefahr des Augenblickes vorbei, dann heißt es, der Wiederkehr der asthmatischen Anfälle möglichst vorbeugen. Dazu gehört außer dem bereits angegebenen Kurverfahren vor allem der ernste Wille des Kranken, eine entsprechende, vom Arzte genau zu regelnde Lebensweise zu führen, durch zweckmäßige Ernährung und Bewegung den Herzmuskel zu kräftigen, durch strenges Meiden aller Schädlichkeiten jede besondere Erregung der Herznerven hintanzuhalten, jeden stürmischen Antrieb des Blutkreislaufes zu verhindern. Nur so kann es gelingen, den Gefahren zu begegnen, welche das Herzasthma sonst unabweisbar mit sich bringt, und das Leben der Kranken nicht nur zu verlängern, sondern auch recht erträglich zu gestalten.

Mit der Schilderung dieser beiden Hauptgruppen des Asthmas haben wir aber keineswegs alle Arten desselben erschöpft. Es giebt vielmehr noch eine ganze Reihe von Ursachen, welche asthmatische Anfälle hervorrufen können, wenngleich nicht so häufig und nicht in so heftigem Grade: Störungen der Verdauung, Schwäche des Magens und Darmes, abnorme Gasbildung, und mancher Kranke weiß ganz genau anzugeben, daß der Genuß seiner Lieblingsspeise von schwer verdaulicher Beschaffenheit, etwa ein Gericht hartgekochter Eier oder Hummersalat, vor dem Schlafengehen den nächtlichen Anfall von Asthma verschuldet hat. Wenn das Grundleiden gehoben wird, hat auch die Athemnoth ihr Ende. Zuweilen sind, und auf diese Fälle ist erst in jüngster Zeit besonders das Augenmerk gelenkt worden – Erkrankungen der Nasenschleimhaut gewisse Wucherungen, Auswüchse, Polypen derselben der Ausgangspunkt der asthmatischen Anfälle, welche ihr Ende erreichen, wenn die Nasenkrankheit durch örtliche Behandlung geheilt worden ist. Wiederum in anderen Fällen tragen nervöse Störungen die Schuld, allgemeine Nervenschwäche, verursacht bei Mädchen und Frauen durch Blutarmuth, Bleichsucht, sitzende Lebensweise und Stubenluft, bei Jünglingen und Männern durch Mißbrauch von starkem Kaffee und Thee, durch unmäßiges Rauchen schwerer Tabaksorten, durch Ueberanstrengung oder Ausschweifung verschiedener Art. Es kommen infolge solcher Nervosität böse Anfälle von Brustbeklemmung vor, welche eine gleich qualvolle Erscheinung wie jedes andere Asthma bieten, aber allerdings günstigere Aussichten für Besserung und Heilung gestatten, sobald nur die Nerven im allgemeinen gesundet sind.

Eine besondere Form des Asthmas bildet das Heufieber, ein Leiden, welches dazu veranlagte Personen alljährlich zu bestimmter Zeit befällt, zumeist wenn die Heuernte anfängt, wenn der größte Theil der Wiesenpflanzen zu blühen beginnt, im Monat Mai und Juni, aber auch im August und September. Die Anfälle treten ganz plötzlich auf, mauchmal aber werden sie auch mehrere Tage vorher angekündigt durch häufiges Niesen, Schnupfen, Thränen der Augen, Husten und Kitzel im Kehlkopfe. Meist dauern die Beklemmungsanfälle drei bis vier qualvolle Wochen, von kurzen Zwischenpausen unterbrochen, und bringen die Kranken in ihren Körperkräften und ihrer Gemüthsstimmung sehr herunter. Nicht bloß die Ausdünstungen des Heues lösen den Anfall aus, wie man nach dem Namen annehmen könnte, sondern auch die Düfte von blühenden Wiesenpflanzen; ja schon die über ein Roggenfeld streichende Luft kann dazu Anlaß geben. Man erklärt die Entstehung des Leidens damit, daß der Blütenstaub gewisser Pflanzen, der Luft beigemengt, auf der Nasenschleimhaut bestimmter dazu veranlagter Personen Reizzustände hervorrufe, die, auf die Schleimhaut der Luftröhrenverzweigungen sich fortpflanzend, Schwellung derselben veranlassen und dadurch zu Beklemmungsanfällen mit Erstickungsgefühl führen. Versuche eines englischen Arztes, welcher durch künstliche Beimengung von Blütenstaub verschiedener Pflanzen unter die Einathmungsluft die Erscheinungen des Heufiebers hervorrief, haben jene Anschauung bestätigt, auf welche auch das Heilverfahren begründet wird. Man läßt die zu Heufieber geneigten Personen, meist solche, welche an Landluft nicht gewöhnt sind und eine kranke Nasenschleimhaut haben, das Zimmer hüten oder schreibt ihnen einen Ortswechsel, besonders den Aufenthalt am Meeresstrande vor. Wenn dies nicht möglich ist, wird die Nase durch Verstopfung der Nasenlöcher mittels Watte gegen die schädliche Einathmung geschützt; auch örtliche Behandlung der Nasenschleimhaut ist zuweilen nützlich.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 779. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_779.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)