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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Strecken, welche die Leute mit den mächtigen Schmierstiefeln und dem dicken Schafspelz zurückzulegen haben, werden immer kleiner, die Röhrenleitungen immer zahlreicher, die neuzeitlichen Verkehrsmittel erobern stetig den Fuß der Karpathen, und immer häufiger begegnet man den eisernen Oelwagen, die auf eisernen Schienen den Leuchtstoff in die weite Welt hinaustragen.

Die galizische Petroleumindustrie muß hart mit dem fremden Wettbewerb, namentlich dem des russischen Petroleums, ringen, aber sie hat sich bis jetzt bewährt und darf einer günstigen Zukunft entgegensehen. Das ist auch zu wünschen im Interesse der lichtbedürftigen Menschheit.

In seinen Oelgruben besitzt Galizien noch eine hervorragende Besonderheit. Je weiter wir am Fuße der Karpathen gegen Osten vordringen, desto häufiger wird das Vorkommen paraffinreichen Erdöls, bis man schließlich auf das seltene Erdwachs trifft. Dieses Erdwachs bildet eine bräunliche bis dunkel-lauchgrüne Masse. Man fabriziert aus ihm durch Destillation Paraffin, welches viel besser ist als das aus der Schwelkohle gewonnene, oder durch Behandlung mit Schwefelsäure einen eigenartigen Stoff, das Ceresin, das sich ausgezeichnet zur Fabrikation von Kerzen eignet und in der That vielfach anstatt des Bienenwachses verwendet wird. Galizien besitzt in der Nähe von Boryslaw die bedeutendsten Fundstätten des Erdwachses. Das betreffende Feld ist sehr klein, es umfaßt nur etwa 125 Hektar, und doch sind auf diesem Raume mehrere tausend Schächte abgeteuft. Da das Erdwachs ein verhältnißmäßig fester Körper ist, wird es durch einen bergmännischen Schacht- und Streckenbetrieb gewonnen; oft wird es als dünne Schuppe zwischen Gestein gefunden, an den besten Stellen quillt es aber aus größeren Spalten als ein weicher Körper durch Gasdruck heraus, ja zuweilen kommt ein Ausbruch – dort zu Lande „matka“, d. h. Mutter, genannt – mit so großer Schnelligkeit und Gewalt, daß die Arbeiter sich nicht mehr retten können, vom Erdwachs umdämmt werden und elend umkommen.

Oelfuhrwerk.

Das galizische Erdwachs, das ohnedies mit der Nebenbuhlerschaft anderer ähnlicher Stoffe schwer zu kämpfen hat, wurde neuerdings von einem harten Schlage betroffen. Die orthodoxen Russen brauchen zu ihren heiligen Handlungen, namentlich während der Fastenzeit, viel Lichter. Diese Lichter durften nun bisher aus keinem thierischen Fett hergestellt werden, mußten vielmehr aus Bienenwachs gemacht sein, als dessen Ersatz auch das Erdwachs gewählt werden konnte. Zu Anfang dieses Jahres erließ aber der heilige Synod in Rußland eine Verordnung, daß fortan die Verwendung des Erdwachses – wohl wegen seines muthmaßlich thierischen Ursprungs zu Kirchenkerzen u. dergl. nicht mehr erlaubt sei, eine Verordnung, die in Boryslaw recht schmerzlich empfunden wird. Das galizische Erdwachs wird im Westen Europas neue Absatzgebiete suchen müssen und in Zukunft vielleicht noch häufiger, als dies schon jetzt der Fall ist, zu kleinen Kerzen verarbeitet werden, die in der fröhlichen Weihnachtszeit vom Baume strahlen.

Ehe wir von den Oelfeldern Gasiziens scheiden, wollen wir noch eine Naturmerkwürdigkeit aufsuchen, die mit ihnen zusammenhängt. Wir schreiten durch die prachtvollen duftenden Tannenwälder der Karpathen und wenden uns zu dem aufstrebenden Jodsoolbade Iwoniez, in dessen Nähe man ebenfalls Oelbrunnen erschlossen hat. Wir wenden uns zu einer natürlichen Wasserquelle, welche den Namen „Bełkotka“, d. h. „Murmlerin“, führt. Touristen und Badegäste suchen sie auf, denn mit ihr entspringen Petroleumgase dem Schoß der Erde, die angezündet in Flammen über dem Wasser tanzen, ja sogar unter demselben brennen. Auf einer Steinplatte neben dieser Quelle sind die schönen Verse des polnischen Dichters Wincenty Pol eingegraben. Sie lauten in freier deutscher Uebertragung:

„Du grüßt hier im Wald an schattigster Stelle
Heut’ wie vor Zeiten, hold murmelnde Quelle!
Wie durchzittern die Seele Begeisterungsgluthen,
So reines Feuer durchflammt deine Fluthen.
Hier stehn wir voll Ehrfurcht an deinem Herde,
Gott preisend im Wunder der heimischen Erde,
Dein heiliges Feuer, dein murmelndes Beben,
Sie beide entstammen des Erdinnern Thoren.
Wie gleichen sie beide unserm Herzen und Leben,
Die aus Flammen uns werden und Thränen geboren!“


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Einiges vom Marschall Mac Mahon.

Von J. v. Ettmüller.

Vor wenigen Monaten noch ritt der Marschall Mac Mahon jeden Morgen nach dem Boulogner Hölzchen – der Lieblingspromenade der Pariser - begleitet von einem seiner Ordonnanzoffiziere in Uniform. Gerade und fest zu Pferde sitzend, glich der 85jährige Mann einem gut konservierten Fünfziger, und auch in engern Kreisen, im Salon, riefen seine stramme Haltung, das klare Auge, die unverwüstliche Frische und Lebenskraft Staunen hervor.

Um so unerwarteter kam sein Ende, das am 17. Oktober erfolgte.

Sein Name, der 40 Jahre lang auf allen Schlachtfeldern wiederhallte, wo welsche Waffen fochten, ist populär über Frankreichs Grenzen hinaus, selbst in Deutschland, trotzdem oder weil er der berühmteste Feldherr war, der 1870 unserem deutschen Heere gegenüberstand; auch an den glänzenden Botschafter, der im Jahre 1861 bei der Krönung König Wilhelms den Kaiser von Frankreich mit großem Prunke vertrat, erinnert sich wohl noch mancher unserer Landsleute: und besonders im italienischen Kriege von 1859 hat dieser Soldat so maßgebend in die europäischen Geschicke eingegriffen, daß ein getreues Bild von ihm vielen willkommen sein mag.

Ueber den Ursprung der Familie ist manches Irrige im Umlaufe, weshalb wir denselben in Kürze erwähnen.

Jeder edle Irländer stammt bekanntlich von den „Königen von Irland“ ab; so auch die Mac Mahons, welche mit dem letzten Könige aus dem Hause Stuart, Jakob II., nach Frankreich flohen und sich in der Gegend von Autun niederließen. Wenn der König Jakob selbst ausschließlich von einem Gnadengehalt Ludwigs XIV. lebte, so war das Elend seiner Anhänger noch größer, und es hat daher nichts Auffallendes, daß wir den Ahnherrn der heutigen Mac Mahons als Heilkünstler und Empiriker finden, in welcher Eigenschaft er die von allen patentierten Aerzten aufgegebene Marquise v. Equilly vom sicheren Tode rettete. Sein Honorar war die Hand und das Vermögen der reichen Dame. Nun wurde auch, durch Dekret vom 23. Juni 1750, „der Adel des Johann Mac Mahon, aus Limerick in Irland, in Frankreich anerkannt und beibehalten“, und Ludwig XV. übertrug auf ihn das Marquisat seiner Frau.

Sein Nachkomme, der Marquis von Mac Mahon, Generallieutenant während der Restauration, hatte vier Söhne und vier Töchter. Titel und Vermögen gingen auf den ältesten über, der sich im Jahre 1845 bei einem Hindernißrennen in Autun den Hals brach: aber zu unerwartetem Glanze gelangte das Haus durch den dritten, den Grafen Marie Edme Patrice Maurice, der am 13. Juni 1808 auf dem Schloße Sully das Licht der Welt erblickte.

Zum Soldaten bestimmt, bezog er die Spezialschule von St. Cyr.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_765.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)