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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)



Blätter und Blüthen.

Das neue Hauptpostgebäude in Köln. Schon längst genügte das alte Hauptpostamt in der Glockengasse zu Köln nicht mehr den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs, ebenso hatte das Postamt 2 in der Marzellenstraße, dem vorzugsweise der bedeutende Auslandverkehr oblag, über große Knappheit des Raumes zu klagen. Nach langem Harren sollte der alten Colonia am Rheine endlich auch ein würdiges Posthaus beschieden sein. Es erhebt sich auf dem Grundstücke der ehemaligen Artillerie- (der sogenannten Dominikaner-) Kaserne als eine Zierde der Stadt und ein mächtiges Denkmal des gewaltigen Postverkehrs unserer Zeit. In der Architektonik des Gebäudes zeigt sich eine glückliche Vermischung der Frühgothik mit modernen Elementen und Formen. Die Fassade, die nach der Straße „An den Dominikanern“ liegt, hat eine reichgegliederte, dabei keineswegs übertriebene Ornamentik. Trotz ihrer Breite ist das kühn Emporstrebende des gothischen Stiles gewahrt, die Eintönigkeit einer langen Fensterreihe ist durch den schmucken Bau des Mittelportales, der aus der Fluchtlinie hervortritt, und durch die Eckthürme völlig überwunden. Ueber dem Hauptportal erblicken wir links die Steinfigur des Kaisers Wilhelm I., rechts die des regierenden Kaisers, über dem linken Portal ragt die Gestalt des Kaisers Friedrich, über dem rechten das Standbild des Königs Friedrich Wilhelm IV. empor.

Das neue Hauptpostgebäude in Köln.

Wie das Aeußere, so ist auch das Innere stilgerecht durchgeführt. Bei der Ausschmückung hat sich hier zur Bildhauerabeit die Farbe gesellt. Die Wände erhalten durch die in Grün und Roth ausgeführten Malereien etwas Anheimelndes und Freundliches. Die Bequemlichkeit und praktische Anordnung der Diensträume wird von den Postbeamten sehr gelobt, und ohne Zweifel wird auch das Publikum nach der feierlichen Einweihung des Gebäudes am 15. November d. J. mit den inneren Einrichtungen zufrieden sein; denn dem praktischen Bedürfniß ist ebenso wie dem Schönheitssinne Rechnung getragen worden.

Das Erdgeschoß enthält die Räume für das Briefpostamt, dessen Schalterhalle eine Sehenswürdigkeit ist, das Paketpostamt, die Telegrammannahmestelle, die Zollabfertigung und die Dienstzimmer der Oberpostkasse; das erste Stockwerk ist für die Oberpostdirektion und die Wohnung des Oberpostdirektors bestimmt; im zweiten Stocke ist bereits das Telegraphenamt untergebracht, außerdem sind dort die Dienstwohnungen der beiden Postdirektoren und des Telegraphendirektors sowie die Bauabtheilung der Oberpostdirektion; das Dachgeschoß endlich birgt die Räume für die Batterien des Telegraphenamtes.

Die Breite des Gebäudes beträgt 67,90 Meter, seine Tiefe 112,90 Meter, das Grundstück einschließlich des Posthofes und der Pferdestallungen umfaßt weit über 20000 Quadratmeter. Die Gesamtkosten belaufen sich auf mehr als 6 Millionen Mark. Mit dem nahen Hauptbahnhof, um dies noch zu erwähnen, ist das Postamt durch einen unterirdischen Gang verbunden.

Herzogin Hadwig wird von Ekkehard über die Klosterschwelle getragen. (Zu dem Bilde S. 745.) Das zweite Kapitel von Scheffels „Ekkehard“, dieser vielgelesenen und weitverbreiteten Geschichte aus dem zehnten Jahrhundert, berichtet uns, wie Hadwig, die Herzogin im Schwabenland, mit großer Gefolgschaft das Benediktinerkloster zum heiligen Gallus in der Schweiz besuchen kommt. Ihr Vetter, der Abt Cralo, zögert anfangs, sie zu empfangen, da kanonische Satzung ihr als Frau das Thor sperrt, die Herzogin aber besteht auf ihrem Wunsch. Da läßt der Abt die Brüder in den Kapitelsaal laden zur Berathung und hier ist es der junge Mönch Ekkehard, der das lösende Wort findet. „Die Herzogin von Schwaben,“ meint er, „ist des Klosters Schirmmacht und als solche so gut wie ein Mann. Und wenn nach den Satzungen kein Weib den Fuß über des Klosters Schwelle setzen darf, so kann man sie ja darüber tragen.“ Der Vorschlag findet allgemeine Zustimmung und Ekkehard selbst wird dazu ausersehen, des eigenen Rathes Vollstrecker zu sein.

Das ist die Scene, die uns Eduard Kämpffer in seinem Bilde vorführt. Den Mittelpunkt desselben bilden die Herzogin und ihr Träger, und wer diese lieblichen feingeschnittenen Gesichter, diese edlen Gestalten nebeneinander sieht, der ahnt den Herzensroman, der sich an diese seltsame Begegnung knüpft. Ganz der Zeichnung des Dichters entspricht auch der Abt in seiner Kutte, mit dem schmalen Büschel Haare, das ihm inmitten des kahlen Schädels noch stattlich emporwächst gleich einer Fichte im öden Sandfeld, mit dem güldenen Kettlein, an dem das Klostersiegel hängt, und dem Abtsstab von Apfelbaumholz mit dem reichverzierten Elfenbeingriff. Große Freude über das seltene Schauspiel zeigen die Klosterknaben, welche das Weihrauchfaß schwingen, und der Kämmerer und die Dienstmannen der Herzogin, welche ihr und ihrem Träger auf dem Fuße folgen.

Vor dem Wettrennen. (Zu dem Bilde S. 753.) Es ist keine kleine Kunst, sich zurechtzufinden in dem unendlichen Menschengewirre, das die alljährlichen Herbstrennen zu versammeln pflegen, und so ist es denn auch unserem Bäuerlein nebst würdiger Ehehälfte nicht zu verargen, wenn sie nicht gleich den richtigen Eingang getroffen haben. Als thatkräftiger Mann, der sich nicht verblüffen läßt, benutzt unser Bauer nun zum Vorwärtskommen eine Straße, die merkwürdigerweise ganz freigeblieben ist von Menschen – ohne eine Ahnung, daß er in die Rennbahn selber gerathen ist. Wohl hört er die spottenden Zurufe der Menge, die sich an den Schranken drängt, und eine entfernte Ahnung, daß etwas nicht ganz richtig mit ihm sein könnte, steigt in seiner und noch deutlicher in seiner Gattin Seele auf, noch aber fehlt ihm die klare Vorstellung seiner Schuld. Nicht lange, und diese Klarheit wird ihm von einem grimmig polternden Schutzmann beigebracht, der die wackere Familie so wüthend anfährt, daß das fünfjährige Töchterlein ängstlich den Vater am Rock rückwärts zieht, als müßte es ihn möglichst schnell aus dem Bereich des Zürnenden entfernen.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

K. G. in Bingen. Das deutsche Weingesetz datiert vom 20. April 1892. Sie finden dasselbe nebst Erläuterungen und mit Anschluß von Rathschlägen für Bereitung und Pflege des Weines in einem Büchelchen des Chemikers Dr. A. Bujard, das unter dem Titel „Die Weinbereitung und Weinbehandlung und das deutsche Weingesetz“ jüngst im Verlage von G. Wildt in Stuttgart erschienen ist. Dasselbe dürfte um so mehr Ihren Wünschen entsprechen, als es gerade auf die Kleinpraxis besondere Rücksicht nimmt.

D. G. in Florenz. Das Vorkommen des Marmors in Deutschland ist nicht so selten, wie man allgemein annimmt. Die Werke in Oberschlesien (Groß-Kunzendorf); ebenso in Nassau (Diez und Villmar) liefern brauchbare Steine und beschäftigen viele fleißige Hände. Nicht mehr im Betriebe sind die gräflich Stolbergischen Werke bei Rübeland im Harz, ferner die Werke bei Brilon und Attendorn (Westfalen) und bei Neanderthal (Rheinland). Auch im Erz- und im Riesengebirge kommt Marmor vor.

F. K. in Annaberg. Am besten wird Neumanns Ortslexikon Ihrem Bedürfniß entsprechen. Es ist soeben eine neue, die dritte, Auflage im Erscheinen begriffen (Leipzig, Bibliographisches Institut), welche über alle Orte mit mehr als 300 Einwohnern, außerdem über alle kleineren Orte, in welchen eine Verkehrsstation, eine Pfarrkirche, ein größeres Gut, eine nennenswerthe Industrie sich befindet, erschöpfende Auskunft giebt. An Kartenmaterial enthält es eine politische Uebersichtskarte, zwei statistische Karten und 31 Stadtpläne.



Inhalt: Ein Lieutenant a. D. Roman von Arthur Zapp (4. Fortsetzung). S. 741. – Theodor Mommsen. Bildniß. S. 741. – Weltverbesserer. Von Dr. J. O. Holsch. VII. S. 744. – Herzogin Hadwig wird von Ekkehard über die Klosterschwelle getragen. Bild. S. 745. – Theodor Mommsen. Ein Gedenkblatt zu seinem 50jährigen Doktorjubiläum. S. 747. – Weltausstellungsbriefe aus Chicago. Von Rudolf Cronau. VI. S. 748. Mit Abbildungen S. 748, 749, 750 und 751. – Sein Minister. Novelle von E. Merk. (2. Fortsetzung.) S. 752. – Vor dem Wettrennen. Bild. S. 753. – Blätter und Blüthen: Das neue Hauptpostgebäude in Köln. Mit Abbildung S. 756. – Herzogin Hadwig wird von Ekkehard über die Klosterschwelle getragen. S. 756. (Zu dem Bilde 745.) – Vor dem Wettrennen. S. 756. (Zu dem Bilde S. 753.) – Kleiner Briefkasten. S. 756.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_756.jpg&oldid=- (Version vom 19.8.2023)