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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

hinter ihnen herschreitenden Athleten zuwenden, die anscheinend mühelos mit kolossalen Holzkeulen und schweren Eisenstangen spielen. Mehrere Bursche, deren mit Oel eingesalbte, im Sonnenlicht glänzende Körper in wunderbar ausgeprägter Weise das ganze Muskelsystem zeigen, sind die Ringer des persischen Palastes; ihnen folgen tiefschwarze, in schneeweiße Gewänder gehüllte Sudanesen, die ihre weit abstehenden Haardächer mit Unmassen von Hammeltalg beschmiert haben.

Bronzefarbige, nur mit einem Bastschurz bekleidete Bewohner von Samoa schließen sich an. Sie tragen lange, mit Haifischzähnen und Fischgräten besetzte Speere und Lanzen, centnerschwere Keulen aus Eisenholz. Während ihre schönen, mit überaus sanften Augen versehenen Weiber lustige Marschlieder erklingen lassen, entlocken die Krieger den eigenthümlichen Muscheltrompeten schauerliche, weithin hallende Töne.

Bereits eine volle Stunde währt der Vorbeimarsch aller dieser fremden Völkerschaften, da endlich naht das Ende: gegen dreißig mit Rosengewinden bekränzte Wagen, in denen die Schönheiten des „internationalen Kongresses der Volkstrachten“ sitzen. –

Außer jenen Völkerschaften der Midway Plaisance besitzt die Kolumbische Weltausstellung noch einige andere sehenswerthe Gruppen, von denen nur die Eskimos von Labrador und die Bewohner der Nordwestküste von Nordamerika, die Indianer von Vancouver-Island und Britisch-Kolumbia, genannt sein mögen. Namentlich das Dorf der letzteren erregt mit seinen eigenartig bemalten Bretterhütten und den absonderlichen Totempfählen, welche in aufsteigender Reihenfolge den Stammbaum der Familien in Thierbildern festhalten, die Aufmerksamkeit jedes Besuchers, der Sinn hat für die mitunter so seltsame Wendungen einschlagende Entwicklungsgeschichte der Menschheit.

Diesen Sinn suchte die Leitung der Kolumbischen Weltausstellung dadurch rege zu halten, daß sie dann und wann ähnliche Veranstaltungen traf wie den oben geschilderten Völkerzug. So wurden z. B. internationale Völkerkonzerte und Tanzfeste, Wettschwimmen, Wettruder- und Segelfahrten abgehalten, und stets haben derartige Schaustücke wie auch die häufigen großen Feuerwerke ein zahlreiches Publikum herangezogen.

So bot die Kolumbische Weltausstellung nicht nur des Belehrenden, sondern auch des Unterhaltenden so unendlich viel, daß es kaum möglich war, alles in sich aufzunehmen und zu bewältigen. Gewiß hatte auch die Kolumbische Weltausstellung ihre Mängel und Fehler. Wenn wir in unseren Berichten, die wir hiermit schließen, im großen und ganzen über dieselben hinweggegangen sind, so geschah dies nicht etwa aus Liebe zur Schönfärberei, sondern weil uns diese Mängel gegenüber der ungeheuren Summe von Belehrung zu bedeutungslos erschienen, als daß wir sie hätten ausdrücklich hervorheben sollen. Möge sich auch das afinanzielle Ergebniß der Weltausstellung gestalten wie es wolle, möge der Rechnungsabschluß Gewinn oder Verlust ausweisen, so wird die Geschichte doch die Erinnerung an die Kolumbische Weltausstellung festhalten und sie als eines der glänzendsten Ereignisse des 19. Jahrhunderts verzeichnen.


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Sein Minister.

Novelle von E. Merk.

 (2. Fortsetzung.)

Die Zeitung brachte eine ausführliche Schilderung über den Empfang des Ministers, in der auch Doras Name genannt wurde, und diese fürchtete sich ein wenig vor dem nächsten Briefe von zu Hause, wo auf diese Weise ihr Auftreten bekannt werden konnte. Zu ihrer peinlichen Ueberraschung erhielt sie auch nach etwa einer Woche eine Karte, auf der ihr Vater schrieb, er sei eben mit dem Morgenzug angekommen und im Bahnhofhotel abgestiegen; er habe mit ihr zu sprechen und werde sie um zwölf Uhr besuchen. Für den Fall, daß in dem fremden Hause eine Unterredung unmöglich wäre, erbitte er sich Nachricht, wann sie ihn im Gasthof aufsuchen könne.

Das klang nicht sehr vertrauenerweckend; ihr Vater mußte sehr entrüstet über ihr öffentliches Hervortreten sein, da er persönlich zu ihr kam. Sie zog es vor, ihn in ihrem Stübchen zu erwarten; aber je näher die Mittagsstunde kam, desto banger wurde ihr zu Muth, und ihr Herz klopfte heftig, als endlich ihr Vater bei ihr eintrat. Dennoch that es ihr wohl, seine Stimme wieder zu hören; sie wäre ihm gern an den Hals geflogen. Aber Herwald hatte seinen Kindern stets fremd gegenübergestanden, so wagte sie auch in der Fremde nicht, eine wärmere Zärtlichkeit zu zeigen.

Zu ihrer Ueberraschung erkundigte er sich freundlich nach ihrem Befinden und sah ihr dabei forschend ins Gesicht, als fürchtete er, daß ihre Gesundheit gelitten haben könnte. „Warum schriebst Du uns kein Wort von Deinem Auftreten und von der Auszeichnung, die der Minister Dir zu theil werden ließ?“ fragte er dann, sich neben ihr niederlassend.

Sie war froh, daß er ohne lange Einleitung diesen Gegenstand berührte, und staunte nur, daß seine Stimme dabei so ruhig blieb. Jetzt lächelte er sogar! Sie kannte ihren Vater gar nicht wieder.

„Ich fürchtete, Ihr würdet zanken. Aber ich bin so gedrängt worden –“

„Nun, die Mama war über Dein Schweigen etwas gekränkt,“ unterchrach er sie mit einer gewissen Ungeduld, wieder zum Wort zu kommen: „In Deinem letzten Brief stand ja keine Silbe über die Festlichkeit. Weißt Du, wer mir zuerst von der Sache gesprochen hat? Der Minister selbst.“ Er hatte ihre Hand ergriffen und streichelte sie, was er noch nie gethan hatte.

Dora war glücklich über dieses liebevolle Entgegenkommen. Sie fühlte, wie ihr die Augen feucht wurden; zum ersten Mal, seit sie von Hause entfernt war, ergriff sie das Heimweh. Bisher hatte sie in ihrer Familie einen gewissen Unmuth gegen sich vorausgesetzt; nun schien es doch, als werde sie nirgends besser geliebt, als habe die Entfernung selbst den strengen Vater weicher gegen sie gestimmt.

„Ja, mit begeisterten Worten hat mir der Minister von Dir gesprochen, Dora. Und kurz und gut, ich will es Dir ohne Umschweife sagen: um seinetwillen bin ich hier! Er bittet durch mich um Deine Hand.“

Dora sprang empor, bleich, erschrocken. „Aber – aber Papa, er ist doch so viel älter als ich – und ich kenne ihn kaum!“

„Ich meine, daß heutzutage jedes Mädchen sich glücklich schätzen darf, einen ernsten zuverlässigen Mann an der Seite zu haben. Was willst Du denn? Freiherr von Telf ist in den besten Jahren. Er war lange verwitwet, hat lange nicht mehr das Glück gehabt, ein rechtes Heim zu besitzen. Welch bessere Aufgabe kann sich ein Mädchen wünschen, als einem Manne, der wie Telf seine Zeit, sein Leben dem Vaterland opfert, das Dasein zu verschönern?“

Dora hörte nicht mehr, was ihr Vater sprach. Sie rief sich die gütigen Augen des Mannes zurück, sie suchte sich an die friedliche, vertrauensvolle Stimmung zu erinnern, die sie in seiner Nähe empfunden hatte – aber dabei war es ihr doch, als hätte der Herbst für sie begonnen und in einem versteckten Winkel ihres Herzens sei noch eine Hoffnung wach auf den vollen Frühling; als sollte ihr heimlicher scheuer Wunsch nach Glück nun ganz vernichtet werden.

Noch immer stand sie blaß und stumm vor dem Vater. Sein Gesicht ward finster. Ihm hatte die Werbung des Ministers seit seiner Entlassung aus dem Dienste des Königs die erste freudige Stunde gebracht. Dora hatte auf einmal seine Achtung gewonnen seit sie die Gattin des Mannes werden sollte, dem sich Herwald wohl eine Zeitlang gleichberechtigt an die Seite gestellt hatte, der ihn aber jetzt wieder weit überragte. Ein heißer Zorn erfaßte ihn, wenn er an die Möglichkeit dachte, daß sein Ehrgeiz an Mädchengrillen scheitern könnte, die zum ersten Mal für ihn eine ernste Bedeutung gewannen. Aber er mußte seinen Unmuth unterdrücken; er durfte Dora nicht zum Widerstand reizen; sie hatte ja bewiesen, welch ein Starrkopf sie war. Darum versuchte er es mit schmeichelndem Zureden.

„Dora, ich habe Dich immer für ein kluges Mädchen gehalten, das ein Stück meines Charakters geerbt hat. Mir aber hat das Herrschen stets besser zugesagt als das Dienen. Mache Dir doch einmal Deine zukünftige Stellung an der Seite des Ministers klar! Wie werden sich alle die Herren Räthe und Assessoren vor der Excellenz von Telf verneigen, wie werden die Damen Dich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_752.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2023)