Seite:Die Gartenlaube (1893) 750.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Riesenschaukel, in deren 36 Wagen nicht weniger als 2160 Personen eine gemeinsame Rundreise durch die Lüfte zu unternehmen vermögen. Wenn auch, was die Ueberwindung technischer Schwierigkeiten betrifft, dies aus Eisen und Stahl bestehende Riesenrad nicht mit dem Eiffelthurm der Pariser Ausstellung verglichen werden kann, so ist es immerhin eine außergewöhnliche, kühne Leistung der vor keiner Schwierigkeit zurückschreckenden amerikanischen Ingenieurkunst.

Der große chinesische Drache im Völkerzuge auf der Midway Plaisance.

Wir kommen nun an algerischen und tunesischen Tanzhäusern vorüber, in deren reich ausgestatteten Hallen die merkwürdigen Aïssauahs sich in den von der „Gartenlaube“ schon früher (im Jahrgang 1891, Nr. 39) beschriebenen Selbstquälereien ergehen. Weiterhin stoßen wir auf ein Zeltlager der Winnebago- und Pottawatomie-Indianer, die früher in der Gegend von Chicago, sowie im südlichen Wisconsin ihre Jagdgründe hatten. Dann folgt ein mächtiges Panorama, von dessen Plattform wir einen Blick in den gewaltigen Krater des Vulkans Kilauea auf Hawaii werfen können. Es ist Nachtzeit und wir stehen auf einem aus erstarrter Lava aufgethürmten Vorgebirge, von dem aus der Blick über den Krater hinweg bis tief hinab ins Flachland und bis auf den mondbeglänzten Spiegel des Großen Oceans fliegt. Rings um uns ist überall feurige Lohe; uns zu Füßen kocht ein glühender See, dessen Wogen die zerrissenen Kraterwände peitschen. Ueberall steigen Schwefeldämpfe empor, man glaubt das Krachen der zusammenstürzenden Wände zu vernehmen, welche dieses Feuerloch umgürten.

Das nächste Gebäude ist ein Tempel, dessen Doppelthürme mit lauter Glöckchen behängt sind. Hier wohnen die schlitzäugigen Söhne des Reichs der Mitte und bemühen sich vergeblich, die Besucher der Weltausstellung in die unergründlichen Geheimnisse eines jener historischen Schauspiele einzuweihen, deren Dauer sich manchmal über Monate hinzieht. Der Lärm, mit dem sie diese Kunstgenüsse begleiten, wird unter Zuhilfenahme verschiedener Tamtams, zahlloser Metall- und Holzklappern, schriller Blech-Hoboen und durchdringender Streichinstrumente erzeugt und macht auf die Vorübergehenden den Eindruck, als sollte ihnen eine Katzenmusik gebracht werden.

Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf die kalifornische Straußenfarm, auf den Fesselballon, auf die brasilianische Tanzhalle und auf das die obersten Plätze der Midway Plaisance einnehmende Kadettenlager, um nunmehr auf der linken Seite der Straße den Rückweg anzutreten.

Da stoßen wir zunächst auf eine gewaltige Einfriedigung, innerhalb deren gegen 200 Beduinen mit zahlreichen Kamelen, Dromedaren und Pferden allerhand kühne Reiterkünste zum besten geben. Hart neben diesen braunen Söhnen der Wüste hausen Leute aus dem Lande der Mitternachtssonne, Lappen aus dem nördlichen Schweden, deren nächste Nachbarn wieder Horden echter Dahomey-Neger sind. Darauf folgt das einzig schöne Alt-Wien mit seiner langen Ringmauer, seinen Bastionen und Gräben, seinen Thoren und Thürmen, eine getreue Wiedergabe des Marktplatzes der alten Kaiserstadt, wie er zur Zeit der großen Maria Theresia bestand. Allabendlich verkündet der im Kostüm jener Zeit steckende Thorwart uralte Weisheitssprüche, zum Ergötzen jener Besucher, die sich hier einfinden, um den Weisen der Hoch- und Deutschmeister zu lauschen.

An dies malerische Architekturbild reihen sich Rutschbahnen, eine französische Apfelmostpresse, ein großes Modell der St. Peterskirche zu Rom, ein maurischer Palast, in welchem das Castansche Panoptikum aus Berlin seine Feen- und Teufelsgrotten, Labyrinthe, unergründlichen Brunnen, Wachsfigurenkabinette und Schreckenskammern zeigt.

Wollten wir die Sehenswürdigkeiten des nunmehr folgenden türkischen Dorfes aufzählen, so müßten wir darüber fast einen besonderen Artikel schreiben. Sehen wir doch unter anderem das überaus stimmungsvolle Innere eines Palastes aus Damaskus, kostbare Kriegszelte seldschukkischer Herrscher, eine konstantinopolitanische Feuerwehrbrigade mit ihren die Lachlust herausfordernden Löschgeräthen, ferner Nomadenstämme, die in derselben ureinfachen Weise ihr Leben fristen, wie es vor drei- bis viertausend Jahren Abraham, Jsaak und Jakob in Ur und Chaldäa thaten.

Dicht neben dem türkischen Theater, wo Drusen und Maroniten vom Libanon, Bewohner von Jericho und Jerusalem die Sitten und Gebräuche des modernen Palästina veranschaulichen, erhebt sich ein im Schweizerstil aufgeführtes Panorama, in dem wir einen entzückend schönen Rundblick auf die Berner Alpen genießen können. Es ist derselbe, den A. Francke den Lesern der „Gartenlaube“ erst kürzlich in Nr. 32 beschrieben hat. Von den übrigen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_750.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)