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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

infolge seiner Kurzsichtigkeit das Unglück, aus einem Fenster zu stürzen und sich einen Schädelbruch zuzuziehen. Er wurde geheilt, aber nur noch für Afrika lebend, konnte er es nicht über sich bringen, Europa zu besuchen. Auch mag seine Bescheidenheit ihn abgehalten haben – er wollte allen lärmenden Huldigungen aus dem Wege gehen. So sehen wir ihn denn im April 1890 schon wieder, und zwar diesmal in deutschen Diensten, an der Spitze einer Karawane nach dem Westen ziehen. In seiner Begleitung befanden sich Doktor Stuhlmann als Zoologe und Lieutenant Langheld. Emin selbst besaß jetzt neben dem Titel eines türkischen Paschas den Rang eines deutschen Majors. Aus der Zeit kurz vor diesem letzten Abmarsch nach dem Innern stammt der Brief Emins an die „Gartenlaube“, den wir hier in Faksimile wiedergeben. Leider hat er das darin gegebene Versprechen nicht mehr zu erfüllen vermocht.

In Tabora hißte er die deutsche Flagge, zog dann zum Viktoria Njansa und gründete dort die Station Bukoba, wo er den Lieutenant Langheld als Verwalter zurückließ. Im März 1891 brach er von Bukoba auf und erreichte, durch Karagwe und Mpororo marschierend, den Albert-Eduardsee.

Emin hatte seiner Zeit die Aequatorialprovinz nur schweren Herzens verlassen. Dort war der Schauplatz seiner langjährigen erfolgreichen Thätigkeit, dort mußte ohne seine Hilfe alles, was er geschaffen hatte, der Willkür fremder Eindringlinge anheimfallen. Ganz besonders aber lag ihm das Schicksal seiner Sudanesen am Herzen, die er dort hatte zurücklassen müssen, da Stanley alles aufgeboten hatte, um diese Leute von seiner Karawane fernzuhalten, weil er in ihnen ein gefährliches Gegengewicht gegen seine unumschränkte Macht sah.

Diese Zurückgebliebenen aus der bedrängten Lage zu retten, in der sie sich befinden mußten, das hatte Emin neben der Aufgabe, die ihm das Reich gestellt hatte, vornehmlich ins Auge gefaßt. Bei Kavalli stießen Anfang August thatsächlich 33 Sudanesen mit ihren zahlreichen Angehörigen zu ihm, entflohen aber wieder unter Mitnahme von Waren und Munition. Trotzdem hielt Emin an seiner Absicht fest und zog nach Süd-Momfu; aber hier verweigerten die Truppen den Weitermarsch nach Norden, da sich zu ungeheuren Entbehrungen fortwährend Angriffe durch die Eingeborenen und schlimme Krankheiten gesellten. Emin selbst jedoch, obgleich nahezu erblindet, wollte nichts von Umkehr wissen. Er schlug, nachdem Doktor Stuhlmann den Rückweg zur Küste angetreten hatte, die Richtung nach Westen ein. Er trug sich nach einigen Aeußerungen, die er Stuhlmann gegenüber fallen ließ, mit geradezu großartigen Plänen. Vor allem scheint ihn, nachdem inzwischen der deutsch-englische Vertrag es ihm unmöglich gemacht hatte, in seiner alten Provinz irged etwas zu unternehmen, die Absicht geleitet zu haben, gegen Kamerun vorzudringen, um dort im Hinterlande Verträge abzuschließen. Er hätte Deutschland damit politisch äußerst werthvolle Dienste geleistet. Leider können wir nun nicht mehr daran zweifeln, daß ihn der Tod ereilt hat, ehe er diese Pläne zu verwirklichen vermochte.

Ein Brief Emins an die „Gartenlaube.“[WS 1]

Emin hatte sich dem Kongo zugewendet. Er traf dort den Araber Said bin Salim, der mit den Kongo-Arabern in Uneinigkeit lebte, und zog mit ihm zusammen weiter. Diesem Araber gehörten auch wohl die Elfenbeinvorräthe, die angeblich Emin mit sich führte. Unglücklicherweise langte Emin gerade zu der Zeit am Kongo an, als dort die Wogen des Araberaufstandes am höchsten gingen, veranlaßt durch die Streitigkeiten zwischen den Arabern und dem Kongostaate. Der Pascha hatte sich durch sein Auftreten gegen die ostafrikanischen arabischen Sklavenhändler des Gebietes um den Viktoriasee den Groll dieser Sippe zugezogen, die nun Rache nahm, als der Verhaßte in ihre Hände fiel. Sie ermordeten den Unglücklichen am Kongo.

Durch die Zeitungen ging das Gerücht, daß man in Emins Nachlaß, der durch englische oder belgische Offiziere zum Theil gerettet wurde, eine Urkunde gefunden habe, in der die ganze Aequatorialprovinz den Engländern überlassen werde. Stuhlman[n] meint, daß dieses Gerücht folgenden Grund habe: der in Uganda verstorbene englische[WS 2] Missionar Makai habe vor Stanleys Erscheinen dem Pascha einen acht Seiten langen Vertrag zum Unterschreiben übergeben, durch den die Aequatorialprovinz an England abgetreten werden sollte. Emin habe dieses Schriftstück mit sich geführt und es gelegentlich als Kuriosität vorgezeigt. Daß er es nachträglich unterschrieben haben sollte, glaubt Stuhlmann nicht.

Emin scheint – und neuere Nachrichten bestätigen das – bereits im Oktober oder November vorigen Jahres ermordet worden zu sein, denn schon im April erhielt der in Sansibar weilende Tipo Tip eine Nachricht über den Tod des kühnen Mannes.

Emin hinterläßt eine kleine neunjährige Tochter Ferida, deren Bild die „Gartenlaube“ in Nummer 40 veröffentlicht hat. Für ihre Zukunft hat ihr Vater vor seiner letzten Abreise ins Innere durch Hinterlegung einer größeren Summe auskömmlich gesorgt[.] –

So ist denn das Leben Emins, das für Afrika so viel bedeutet, geschlossen, und das Urtheil über ihn wird sich hoffentlich nun klären. Es ist begreiflich, daß ein Mann wie er seine Neider und Feinde hat, und diese sind denn auch bemüht, die weniger guten Seiten in seinem Leben und Charakter hervorzuheben. Doch sind es deren wahrlich wenige! Jeder Mensch hat Fehler, und diejenigen Emins bestanden darin, daß er es manchmal vorzog, auf Umwegen das Ziel zu suchen, statt auf dem geraden Wege darauf loszugehen. Seine Leichtgläubigkeit ließ ihn manchmal Handlungen begehen, die zum Unheil ausschlugen. Nie aber hat er Böses gewollt; seiner Menschenliebe hat er besonders während seines Wirkens in der Aequatorialprovinz das glänzendste Zeugniß ausgestellt – hat er es doch vermocht, in dem ganzen von ihm verwalteten Gebiete die Sklaverei so gut wie vollständig zu unterdrücken!

Man nennt Emin oft einen Abenteurer. Mit Unrecht! Der Anfang seiner Laufbahn mag wohl manches von einem solchen gehabt haben und etwas Abenteuerlust muß jedem innewohnen, der Aehnliches unternimmt wie er. Wer aber mit solch zielbewußtem Streben an seine Aufgabe herantritt wie Emin im Innern Afrikas, wer ein unter türkischer Paschawirthschaft so heruntergekommenes Land, wie jene Provinzen es waren, binnen kurzem in eine reiche Erträge abwerfende Provinz mit ausgezeichneter Verwaltung und gerechter Justiz verwandelt, den kann der Vorwurf, ein Abenteurer zu sein, nicht mehr treffen, um so weniger, wenn sich derselbe Mann auch in der Wissenschaft ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat.

Emin vereinigte in seiner Person den Staatsmann, Organisator, Feldherrn und Gelehrten, und dies im Verein mit seiner Milde und Menschenliebe hob ihn hoch über das Durchschnittsmaß seiner Mitmenschen. Ueber seine persönliche Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit sind alle des Lobes voll, die je mit ihm in Berührung gekommen sind. Sein Andenken wird im deutschen Volke fortleben und seine Thaten sichern ihm einen hervorragenden Platz unter den bedeutendsten Männern aller Kulturvölker.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Brieftext:
    Bagamoio 1. April 1890.

         Sehr geehrter Herr!
    Im Begriffe eine neue Expedition ins Innere Afrikas zu leiten wird es mir kaum möglich sein mich schriftstellerischen Arbeiten zu unterziehen oder auch nur die durch ziemlich langen Aufenthalt in Afrika gewonnenen Resultate zu verarbeiten[.] Ich muss deshalb zu meinem Leidwesen das mich als alten Leser der Gartenlaube sehr erfreuende Anerbieten einer Veröffentlichung meiner Erfahrungen ablehnen. Wollen Sie mir jedoch gestatten, Ihnen hin u. wieder einen Reisebrief aus dem Innern zu senden, so will ich das gern thun[,] ohne mich jedoch an bestimmte Termine zu binden[.]
    Genehmigen Sie den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung.
    Ergebenst
    Dr. Emin Pascha
  2. Vorlage: engliche
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_732.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2020)